Katharina Maierl ist Erziehungswissenschaftlerin, Mobbing- und Gewaltpräventionstrainerin, Medienpädagogin und Sexualpädagogin und arbeitet mit Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen in Workshops auch zum Thema Pornografie. kinofenster.de sprach mit ihr darüber, wie Heranwachsende digitale Medien nutzen, um sich sexuell zu bilden und welche Rolle Medienkompetenz und Filmbildung dabei spielen können.

Frau Maierl, wie bilden sich junge Menschen heute in Bezug auf Sexualität weiter? Welche Rolle spielen dabei digitale Medien?

Es ist und war schon immer so, dass junge Menschen ihren eigenen Weg in Bezug auf sexuelle Aufklärung finden. Das betrifft heute auch die digitalen Medien, Filme, Musikvideos und soziale Netzwerke wie Tiktok, Instagram oder Snapchat. In diesen Netzwerken haben sie ihre Freund/-innen und Bekanntschaften, ihre Peergroups. Die Vermittlung von Sexualität funktioniert in der digitalen Welt damit einerseits über klassische Information, andererseits über die persönliche Unterhaltung. Junge Menschen klären sich untereinander und miteinander auf. Wenn ich Workshops zum Thema gebe, dann kommen mir junge Menschen diesbezüglich sehr offen vor. Sie fragen, erzählen oft recht unverblümt und haken das Thema dann auch schnell wieder ab. Daher ist es umso wichtiger, dass Bezugspersonen mit ihnen über Sexualität sprechen und über mögliche Mythen oder Unwahrheiten aufklären.

In der aktuellen Zum externen Inhalt: JIM-Studie (öffnet im neuen Tab) geben 23 Prozent der jungen Menschen an, digital ungewollt mit Pornografie konfrontiert worden zu sein. Wie bewerten Sie aus sexualpädagogischer Sicht die Vielfalt an digitalen Zugängen und Medienformen?

Kinder werden in der digitalen Welt immer mit Sexualität konfrontiert sein. Ich war tatsächlich etwas überrascht, dass es "nur" 23 Prozent sind. Selbst das Thema "Porno" taucht oft schon im Grundschulalter auf. Das bedeutet nicht, dass alle Kinder in dem Alter damit konfrontiert werden und nicht mit den expliziten Inhalten umgehen können. Aber um so wichtiger ist es, so früh wie möglich darüber aufzuklären.

Wie sollten Eltern und Pädagoginnen dem Thema vor diesem Hintergrund begegnen?

Kinder und Jugendliche oder generell Menschen, die sexuelle Bildung erfahren, wissen, was Sexualität ist. Das bedeutet: Sie können mit expliziten Inhalten umgehen. Viele Erwachsene haben zum Beispiel Angst davor, dass explizite Sexualität Kinder verstören könnte. In meiner Arbeit habe ich aber bisher nicht erlebt, dass junge Menschen wirklich verstört sind, eher unsicher und irritiert. Ich will damit nicht sagen, dass Pornografie keine Auswirkungen hat. Aber es gibt eben nicht nur Mainstreampornografie, sondern beispielsweise queere oder feministische Filme, die explizite Sexualität vielfältiger und facettenreicher darstellen.

Warum schauen junge Menschen Pornos und wie berichten sie in Ihren Workshops darüber?

Das ist sehr unterschiedlich. Die wenigsten stoßen durch Zufall auf pornografische Inhalte. Ich behaupte, Sexualität ist für die meisten Menschen sehr interessant. Da bilden junge Menschen keine Ausnahme. In den Gesprächen mit ihnen ist es wichtig, dass die Atmosphäre unaufgeregt ist und die Heranwachsenden offen ihre Fragen und Antworten formulieren können. Einerseits gibt es viele Nachfragen zur Pornografie und den jeweiligen Kategorien und Ausprägungen, andererseits die Nachfragen, was hinter den gezeigten sexuellen Handlungen steckt. Genau hier merke ich, wie wichtig es für Kinder und Jugendliche ist, zu entdecken, dass Pornografie meist einem Zum Inhalt: Drehbuch folgt, dass sie inszeniert ist. Hinter dem Unwissen stecken Fragen wie: "Ist das so?", "Ist das normal?", "Läuft so Sex ab?". Ich gebe da die klare Antwort: "Das ist die Fantasie einer anderen Person. Du hast das Recht, für dich zu entscheiden, wie du das siehst."

Sie sehen Medien- und Sexualerziehung als "Verkehrserziehung". Was genau meinen Sie damit?

Bei den Themen Medien und Sexualität gibt es oft die Haltung der Pädagogik: Wir müssen die Kinder vor dem Bösen schützen. Die Idee der Verkehrserziehung setzt dagegen auf die Begleitung von Heranwachsenden. Es soll ihnen nicht permanent irgendwas übergestülpt werden. Sie sollen auch nicht "befüllt" werden mit Normen und Regeln wie ein weißes Blatt Papier. Bei der Verkehrserziehung geht man mit ihnen gemeinsam über den Zebrastreifen und bleibt gemeinsam bei Rot stehen. Die sozialen Regeln (in dieser Analogie die Ampel) werden gemeinsam erlernt. Dasselbe sollten wir beim Thema Medien und Sexualität tun.

Welche Rolle empfehlen Sie pädagogischen Einrichtungen und Lehrpersonen in diesem Kontext?

Erwachsene sollten sich nicht die Option nehmen lassen, mitzugestalten. Das gilt vor allem für die Schule, die den Auftrag hat, Bildung zu vermitteln. Da gehört sexuelle Bildung genauso dazu wie die Medienbildung. Lehrpersonen haben einen großen Einfluss auf Heranwachsende und sollten sich aktiv mit ihren Themen beschäftigen. Ich weiß, dass das eine Herausforderung ist. Die Schnelllebigkeit, vor allem in der digitalen Welt, kann überfordern. Kinder sind in vielerlei Hinsicht kompetent, in puncto Medien sogar öfter als ihre Eltern oder Lehrer*innen. Aber Erwachsene haben Erfahrung, können Fragen beantworten und Themen einordnen. Junge Menschen sollen selbst herausfinden können, was ihnen gefällt und handlungsfähig sein, also auf Probleme mit Lösungen reagieren können.

Gibt es Medien- oder Filmempfehlungen, mit denen sich das Thema erarbeiten lässt?

Wenn es allgemein um Medienbildung geht, empfehle ich auf jeden Fall saferinternet.at und klicksafe.de. Dort gibt es sehr viele niederschwellige, sehr aktuelle und auch gut gefilterte Arbeitsmaterialien. Aber auch hier müssen Lehrkräfte Lust darauf haben, sich einzulesen, zu recherchieren und Übungen ausprobieren. Gerade beim Thema Medien und Sexualität kommt man schnell vom Hundertsten ins Tausendste. Am Ende gibt es vielleicht mehr ungeklärte Fragen als vorher. Aber das ist per se ja nicht schlecht! Aktuelle Serien wie "Sex Education" kommen vor allem bei den Jugendlichen an, weil sie ihre Themen aufgreifen. Um so spannender ist es, die Zum Inhalt: Inszenierung von Sexualität in solchen Serien, aber auch Filmen gemeinsam mit ihnen aufzubrechen. Es gibt diesen sehr schönen Kurzfilm "Zum externen Inhalt: Porno – Behind the Scenes (öffnet im neuen Tab)" von Georg Oberlechner und Adnan Popović. Darin werden Kamera, Gleitgel, der Spermatopf und eine Viagra-Tablette zu Protagonisten, die aufzeigen, wie es an einem Filmset im Pornogeschäft abläuft. Er wurde für Kinder und Jugendliche ab 14 entwickelt und zeigt eindrücklich, was Filmbildung am Beispiel Pornografie leisten kann (inkl. pädagogischem Begleitmaterial).