Wichtiger Hinweis:

Bei diesem Artikel handelt es sich um einen Ausschnitt aus dem Artikel "Drehbuch – Kino im Kopf", der 2011 im Dossier "Filmgewerke" auf der Website der Bundeszentrale für politische Bildung erschienen ist: Zum externen Inhalt: www.bpb.de/lernen/projekte/filmbildung/55991/filmgewerke (öffnet im neuen Tab)

Arbeitsschritte bis zur Endfassung

Kein Drehbuch entsteht aus einem Guss. Es entwickelt sich vielmehr über verschiedene Zwischenstationen in einem kleinteiligen Schaffensprozess.

Allgemeiner Aufbau und Layout

Ein Zum Inhalt: Drehbuch ist kein Roman, der mitreißend erzählt und detailreich ausgeschmückt wird, sondern eher die Bauanleitung für einen Film. Bilder und Zum Inhalt: Szenen müssen deshalb vor allem einprägsam und unmissverständlich dargestellt sein.

Formal gibt es noch keine verbindliche Norm für Drehbücher, aber unter den Autoren haben sich einige allgemeine Richtlinien durchgesetzt: Auf dem Deckblatt werden Titel, Version, der/die Autor/en und die Anschrift angegeben. Relativ üblich ist eine nicht-proportionale Schrift, wie z.B. Courier New. Die Schriftgröße sollte 12pt nicht unterschreiten, der Zeilenabstand ist ein- oder 1,5-zeilig. Die Ausrichtung erfolgt hochformatig auf A4 mit mindestens 3 cm breiten Rändern.

Jede Szene sowie alle Szenenübergänge beginnen mit einer in Großbuchstaben notierten "Szenenüberschrift" , die angibt, ob es sich um eine Innen - oder Außenaufnahme handelt, Zum Inhalt: wo die Szene spielt und zu welcher Tageszeit. Zu bedenken ist dabei, dass Abend- bzw. Morgenszenen zwar stimmungsvoll, aber als Drehzeitraum nur sehr kurz sind und vom Filmteam schwer eingefangen werden können: INNEN/KÜCHE/TAG

  • Daran anschließend folgt die Handlungsanweisung, in der die agierenden Personen und ihr Handeln kurz beschrieben sind: KATJA steht vor dem Küchenfenster und schaut hinaus. In der Hand hält sie eine Kaffeetasse. Ihre Schwester NORA kommt herein.

  • Kinofilme leben zwar weniger von Rede und Gegenrede als das Fernsehen, Dialoge sollten dennoch äußerst sorgfältig gestaltet werden.

  • In amerikanischen Drehbüchern sind oft exakte Zum Inhalt: Kamerabewegungen wie z.B. Schwenk oder Zoom notiert. Im deutsprachigen Raum ist dies unüblich. Ziel sollte es stets sein, das Drehbuch so zu schreiben, dass Kameramann und Regisseur beim Lesen bereits eine Einstellung vor ihrem inneren Auge sehen.

  • Szenenübergänge sind, dramaturgisch gesehen, besonders wichtig. Häufig beenden sie eine Zum Inhalt: Szene, wenn diese gerade besonders spannend ist, um die Intensität einer Geschichte aufrecht zu erhalten. Im Gegenzug ist es auch möglich, die Szene fortzuführen, um dem Zuschauer einen Moment der Erholung zu gönnen. Szenenwechsel können deutliche Akzente wie einen Zeitsprung oder Traumsequenzen markieren.

  • Der Schluss ist der Punkt, auf den die Dramaturgie einer Geschichte zusteuert. Er vollendet den Film konsequent und überrascht den Zuschauer im Idealfall mit unerwarteten Entwicklungen. Es ist jedoch abwegig, alles, was vorher erzählerisch aufgebaut wurde, rigoros beiseite zu schieben und ein künstliches Ende zu erfinden. Wie auch immer ein Film ausgeht, sein Schluss sollte nicht von der zuvor erzählten Geschichte losgelöst sein.

Erste Seite aus dem Drehbuch zu "Whisky mit Wodka" (D 2009, R: Andreas Dresen) von Wolfgang Kohlhaase (© Wolfgang Kohlhaase)

Wolfgang Kohlhaase

Für die Umsetzung

Wenn der äußere Rahmen steht, gilt es, die Einzelszenen zu formulieren. Für ein Drehbuch sind – im Gegensatz zu Prosatexten – einige handwerkliche und sprachliche Besonderheiten ein Muss.

Verwende …

… stets Präsens
Drehbuchszenen spielen immer in der Gegenwart. Rückblenden oder Zeitsprünge werden durch Kameraeinstellungen, Schnitte usw. verdeutlicht.

… Dialoge mit kurzen, klaren Sätzen
"Ich versuche, an Schauspieler zu denken, wenn ich Dialoge schreibe [...]" (Wolfgang Kohlhaase, Autor) Ein Drehbuchautor muss sich zur Genauigkeit zwingen und bedenken, dass lange Sätze, die sich problemlos lesen lassen, fast nie in dieser Form gesprochen werden.

… Kontraste und Gegenspieler
Genauso wie Gegenspieler eine Geschichte beleben, verleihen ihr auch temporale und lokale Kontraste eine Dynamik. Der Detektiv, der einen Mörder sucht oder der afrikanische Einwanderer, der sich plötzlich in einer europäischen Großstadt zurechtfinden muss, treiben das Geschehen merklich voran.

… glaubwürdige Filmfiguren
"Das ist eine Arbeit, ähnlich wie bei einem Bildhauer, der langsam aus seinem Rohmaterial die Gestalt herausformt." (Christoph Fromm, Autor) Filmcharaktere müssen den Zuschauer fesseln. Er muss ihre Ziele kennen, andernfalls werden Figuren schnell beliebig und langweilig. Der Autor fragt sich deshalb immer, was bzw. wohin sein Protagonist will und bietet den Zuschauern eine Identifikationsfläche an.

… eine sinnvolle Erzählperspektive
So wie ein Märchenerzähler das Vertrauen der Kinder besitzt, genießt die filmische Erzählperspektive das Vertrauen des Zuschauers. Oft werden Geschichten aus der Sicht der Hauptfigur erzählt, sodass das Publikum genau so viel weiß wie der Filmheld und unmerklich zum Verbündeten wird.

… passende Örtlichkeiten
Zum Inhalt: Räume transportieren Bedeutungen und tragen eine Szene mit: Büros strahlen Arbeit, belebte Straßen Geschäftigkeit aus. Zugleich können Orte die emotionale oder psychische Situation der Figuren symbolisieren: Ein ödes Feld wird den verwirrten Helden schutzloser erscheinen lassen, als wenn er gedankenversunken bei einem Freund auf dem Sofa säße.

… Wetter und Jahreszeiten
Auch die Auswahl der Wettersituation beeinflusst das Befinden der Filmfiguren. Regen oder starker Sturm können generelles Unwohlsein in eine Situation bringen, aber auch befreiend oder reinigend wirken. Dieses Stimmungsstilmittel sollte jedoch vorsichtig eingesetzt und keinesfalls überreizt werden.

… Wendepunkte und dramaturgische Elemente
Filme werden ebenso wie Theaterstücke oder Prosa in einer Spannungskurve erzählt, die den Handlungsbogen geschickt von der Ausgangssituation über Konflikte und plötzliche Wendungen bis zum Ende spannt.

… authentische Szenen
Gute Geschichten brauchen vorweg eine gründliche Recherche. Orte, Typen oder Milieus, die beschrieben werden, sollte man kennen. Das heißt nicht, dass jeder Schauplatz erst bereist, Moden und Dialekte 1:1 übernommen werden müssen oder Zum Inhalt: Science-Fiction-Geschichten nicht erlaubt wären. Ziel ist es aber, Denkweisen und Gefühle hinter der Sprache zu erspüren und Charakteristika zu entdecken.

Vermeide …

…'unsichtbare' Handlung
Ein Drehbuch verzeichnet ausschließlich Geschehen, das später auch auf der Leinwand gezeigt bzw. gehört werden soll.

… unwichtige Informationen
Details müssen nur unterstreichen, worauf der Zuschauer aufmerksam gemacht werden soll. Regieanweisungen werden also möglichst knapp gehalten.

… alle Ideen auf einmal unterbringen zu wollen
Auch wenn man brillante Einfälle hat, sie haben nicht alle in einem Drehbuch Platz. Ganz wichtig ist es, die eigenen Gedanken und Texte zu kürzen und gezielt auszuwählen, bis ein stimmiges Bild entsteht.

… einen geradlinigen Handlungsverlauf
Um dem Zuschauer im Voraus so wenig wie möglich zu verraten, muss die Handlung möglichst vielschichtig sein. Eine lineare Erzählung von Anfang bis Ende ist oft wenig unterhaltsam und verschenkt Zum Inhalt: Spannung, die durch ungewöhnliche Wendungen, erhellende Zum Inhalt: Rückblenden o.ä. erhalten bliebe.

… durchschaubare Figuren
Wenn Filmfiguren oder ihr Handeln dem Zuschauer keinerlei Rätsel mehr aufgeben, läuft ein Drehbuch Gefahr, sich im Belanglosen zu verlieren. Protagonisten sollten deshalb möglichst vielschichtig und mit kleinen Geheimnissen ausgestattet werden.

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