Eine Scheune, eine Kirche oder die Aula einer Schule – mit Hilfe des Projekts "Dorfkino einfach machbar" können all diese Orte zum Filmtheater werden. Getragen wird das Projekt von dem 1990 gegründeten Filmklub Güstrow, der mit einem mobilen Kino über die Dörfer fährt und Filminteressierten ein anspruchsvolles und erschwingliches Kinoprogramm bietet. Mittlerweile liegt der Fokus weniger auf der Bereitstellung von Technik, als auf der Filmrechtabwicklung und Koordination von Filmvorführungen. Der Verein fasst Spielstätten, die beim Projekt registriert sind, zu sogenannten Abspielringen zusammen. Filme wandern damit von einem "Dorfkino" zum nächsten, Leihgebühren und andere anfallende Kosten werden geteilt. So können Filmvorstellungen auch an entlegenen Orten umgesetzt werden. Derzeit stehen über hundert – überwiegend aktuelle – Spielfilme für Erwachsene und Kinder im Angebot, das durch Vorschläge erweitert werden kann. Wer selbst Kino machen möchte, kann den Verein kontaktieren und sich beraten lassen. Spielstätten melden sich im Regelfall kostenlos auf der Buchungsplattform an, tragen ihre Daten ein und buchen einen Film. Film und sogar Eintrittskarten werden dann vom Verein zugesendet. Nach der Veranstaltung meldet das die Spielstätte die Besucherzahlen und sendet den Film zurück an den Verein oder die nächste Spielstätte. Ein finanzielles Risiko entsteht dabei nicht, denn die Spielstätte zahlt immer 62 Prozent der Einnahmen, egal ob 90 Besucher kommen oder nur 5. 42 Prozent davon gehen an den jeweiligen Filmverleih und die Gema. 20 Prozent verbleiben beim Verein, der davon Büro- und Portokosten bezahlt. "Dorfkino einfach machbar" wird überwiegend von ehrenamtlichem Engagement getragen. Mithilfe des Fonds Neue Länder der Kulturstiftung des Bundes wurde die Online-Buchungsplattform (Zum externen Inhalt: www.dorfkinoeinfach.de/start/filme-zeigen/buchungsplattform (öffnet im neuen Tab)) entwickelt und eingeführt, die Prozesse automatisiert. Dies sichert nach Ablauf der Förderung Ende 2019 den Fortbestand von "Dorfkino einfach machbar". Der in Mecklenburg-Vorpommern ansässige Verein arbeitet in der Region mit über 70 Spielstätten zusammen und ist inzwischen über die Landesgrenzen hinaus tätig, unter anderem auch in Sachsen, Brandenburg, Hessen, Sachsen-Anhalt, Bayern und Berlin. Projektleiterin Christine Maslok hat auf Fragen von kinofenster.de geantwortet.

Was verstehen Sie unter Filmbildung?

Unter Filmbildung verstehe ich, Film als alternativen Zugang zu nutzen, um mit Kindern oder Jugendlichen über bestimmte Themen zu reden. Wenn zum Beispiel im Philosophieunterricht das Thema Tod behandelt wird, kann ein entsprechender Film eine wunderbare Grundlage für ein Gespräch sein. Persönlich mag ich den Begriff Filmbildung nicht so gern, da er sehr auf das Resultat abzielt, darauf, was am Ende gelernt werden soll. Ich finde das eigentliche Erlebnis viel wichtiger: das gemeinsame Erleben eines Films und den Austausch darüber. Deswegen bevorzuge ich den Begriff Filmkommunikation. Er ist offener und impliziert alle Altersklassen und Kontexte. Ob das ein Seniorenstift ist, der einmal monatlich einen Filmabend veranstaltet oder eine Pfarrerin, die regelmäßig in einer Kirche Kino macht. Bei unserem Projekt "Dorfkino einfach machbar" ist die ganze Bandbreite vertreten. Mittlerweile nehmen über 160 solcher Spielstätten unser Angebot wahr.

Warum ist Filmbildung auch oder gerade im ländlichen Raum wichtig?

Filmkommunikation ist eine großartige Möglichkeit – ob als Ergänzung zu klassischen Bildungsangeboten oder für sich stehend. Zudem hat sie gegenüber dem klassischen Frontalunterricht viele Vorteile. Vor allem öffnet ein Film einen Raum für eigene Gedanken. Das filmische Erlebnis und das Gespräch darüber befördert eine aktive und nachhaltige Auseinandersetzung mit Themen und fördert nebenbei auch perzeptive und soziale Fähigkeiten – nicht zuletzt auch cineastisches Know-how. Während jedoch in urbanen Kontexten meist ein gewisses Bildungs- und Kulturangebot besteht, ist dies in ländlichen Räumen nicht immer der Fall. Es gibt zwar kleine Orte, in denen es ein reiches und buntes Angebot und Engagement gibt. Doch in vielen Dörfern gibt es heutzutage noch nicht mal mehr einen Laden oder eine Gaststätte. Die Menschen begegnen sich kaum noch und müssen für den Einkauf oder den Kinobesuch in die nächste Stadt fahren. Wie soll da Filmbildung hinkommen, wenn noch nicht mal grundlegende Strukturen vorhanden sind? Insofern gewinnt Filmkommunikation an Bedeutung, wenn sie an Orten stattfindet, an denen es kaum oder gar keine Kultur- oder Bildungsangebote gibt. Bei solchen Filmveranstaltungen finden Begegnungen statt. Und da setzt unser Projekt an: Mit uns kann praktisch jeder ganz einfach selbst Filmkommunikation machen und das ohne finanzielles Risiko.

Welches weitere Ziel verfolgen Sie mit Ihrem Angebot?

Wir wollen mit diesem Angebot bestehende Ressourcen vor Ort nutzbar machen und dazu beitragen, dass Menschen gemeinsam Film genießen und sich im Idealfall darüber austauschen. Die Idee dazu geht auf das Konzept des Landfilms der DDR zurück. Damals fuhren Kinomobile mit Vorführer, Filmen und der kompletten Technik im Gepäck über die Dörfer. Das führt unser Projekt "Dorfkino einfach machbar" weiter. Eine Leinwand, ein Blu-Ray-Player und ein Raum ist alles, was es braucht, um Kinoveranstaltungen zu machen. Wir kümmern uns um den Rest, einschließlich Filmrechten und GEMA-Abwicklung.

Wie kommt ihr Angebot speziell Lehrenden und Filmpädagogen/-innen jenseits der Metropolen und Ballungsgebiete entgegen?

Sie können über uns schnelle und zuversichtliche Informationen bekommen, wie sie ihre filmpädagogischen Vorhaben am besten und günstigsten umsetzen können. Wir haben einen guten Überblick über die gesamte Kinostruktur in Deutschland und sind durch unser fast 30-jähriges Engagement sehr gut vernetzt, in Ballungsgebieten sowie ländlichen Regionen.

Welche Herausforderungen sehen Sie in Bezug auf Filmbildung im ländlichen Raum?

Definitiven Handlungsbedarf sehe ich bei der allgemeinen Förderung von Engagement. Da muss noch mehr passieren. Bei vielen scheitert der Wunsch, etwas zu bewegen und auf die Beine zu stellen bereits beim bürokratischen Mammutprojekt, einen Förderantrag zu schreiben. Eine Entbürokratisierung an dieser Stelle wäre schon ein großer Türöffner. Und natürlich sind Mittel wichtig, nicht nur, um Projekte umzusetzen, sondern auch Mittel für das Engagement selbst, für die ehrenamtlich tätigen Menschen. Ich denke, dass sich dadurch schon viel entwickeln kann, wenn die Leute merken, dass Engagement wertgeschätzt, einfacher gemacht und gefördert wird.

Stichwort: Digitalpakt/digitaler Wandel: Wie schätzen Sie in diesem Zusammenhang die zukünftige Entwicklung im ländlichen Raum ein?

Der digitale Wandel begünstigt unsere Arbeit. Um irgendwo einen Film zu zeigen, musste anfangs ein riesiges Equipment einschließlich Projektor und Filmrollen von A nach B transportiert werden. Zudem brauchte es einen Vorführer. Heute reicht eine Leinwand und ein Blu-Ray-Player. Vielleicht werden wir zukünftig auch mit Streaming arbeiten. Nur durch diesen monetären Aspekt, dadurch, dass die Technik erschwinglich geworden ist, kann Filmbildung und Filmkommunikation heute überhaupt umgesetzt werden. Eine bessere und flächendeckende Internetperformance in Deutschland halte ich für ein definitiv erstrebenswertes Ziel – in urbanen wie ländlichen Regionen.