Die Präsidentschaft von Donald Trump hat neue Maßstäbe für den politischen Diskurs in der Mediendemokratie gesetzt. Ihre bisherige Geschichte ließe sich als eine Chronik von täglichen medialen Kontroversen erzählen, die der 45. US-Präsident häufig selbst mit seinen offensiven, oft auch beleidigenden Tweets hervorruft. Die Politik-Berichterstattung wird derweil auch durch ständig neue Leaks aus dem Weißen Haus geprägt. Dem investigativen Journalismus liefern Informanten und ehemalige Mitarbeiter/-innen aus der Trump-Administration eine in dieser Form neue Fülle an Material. Empfindlich geschadet haben Trump diese Enthüllungen bisher kaum. Mit dem Amtsenthebungsverfahren, das Nancy Pelosi, Sprecherin des Repräsentantenhauses, am 24. September 2019 ankündigte, steht das Weiße Haus nun jedoch vor einem Skandal, der – unabhängig vom Ausgang des Verfahrens – das politische Klima in den USA langfristig prägen wird. Ein Vergleich mit dem Watergate-Skandal (1972-74) wird in den liberalen US-Medien bereits seit Berichten über Verbindungen von Trumps Wahlkampagne nach Russland bemüht.

Whistleblowing zwischen Legalität und Straftat

Die Enthüllungen der Trump-Ära knüpfen an eine Entwicklung an, die bereits seit mehr als einem Jahrzehnt durch digitale Whistleblower wie Edward Snowden oder die Online-Plattform WikiLeaks angestoßen wurde. Whistleblower wollen staatliche oder privatwirtschaftliche Akteure durch das Aufdecken von Missständen zur Verantwortung ziehen. Auch der Impeachment-Untersuchung im Kongress war eine Whistleblower-Anzeige vorausgegangen. Allerdings wandte sich der oder die Whistleblower/-in in diesem Fall nicht an die Öffentlichkeit, sondern wählte den internen Weg der demokratischen checks and balances. In den USA gibt es seit 1989 den Whistleblowers Protection Act, eine Gesetzgebung zum Schutz von Personen, die bei staatlichen Aufsichtsbehörden Hinweise auf Korruption und Fehlverhalten im Regierungsapparat einreichen können. Im Gegensatz zum Fall von Edward Snowden, der geheimdienstlich geschütztes Material öffentlich machte, handelt es sich hier um legales Whistleblowing.

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Whistleblower als Filmfiguren

Während sich noch kein Film an eine vorzeitige Revision der Trump-Präsidentschaft gewagt hat, blicken zwei aktuelle Filme auf Politik-Skandale der jüngeren Vergangenheit. Die britische Produktion Zum Filmarchiv: "Official Secrets" erzählt von Katharine Gun, einer Übersetzerin beim britischen Geheimdienst, und ihren Enthüllungen im Vorfeld des Irakkriegs. Gun, im Film gespielt von Keira Kneightly, lässt 2003 der Zeitung The Observer ein Dokument vom US-Nachrichtendienst NSA zukommen, um eine britische Beteiligung an der illegalen Invasion in den Irak zu verhindern. In Deutschland ist Gun im Vergleich zu anderen Whistleblowern wenig bekannt. Ihr Beispiel zeigt eine eindrückliche Form von Zivilcourage: Sie handelt spontan aus moralischer Überzeugung und ohne sich vorab gegen die gravierenden Folgen abzusichern. Zugleich wirft ihr Beispiel die komplexen rechtlichen und ethischen Fragestellungen auf, die beim Whistleblowing von Fall zu Fall unterschiedlich diskutiert werden können: Welche Enthüllungen deckt die Rede- beziehungsweise Meinungsfreiheit? Kann Geheimnisverrat als ethisch legitimes Mittel gelten? Handeln Staatsangestellte im Dienste der Regierung oder, wie Gun sagt, im Dienste der Bevölkerung? In "Official Secrets" steht am Ende schließlich nicht nur Gun, sondern implizit auch die Rechtmäßigkeit der Regierungspolitik von Tony Blair vor Gericht.

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Neue Heldinnen und Helden im Politthriller

In dem Politdrama Zum Filmarchiv: "The Report" entscheidet sich der Protagonist Daniel Jones (Adam Driver) hingegen in einer zentralen Zum Inhalt: Szene, gerade nicht als Whistleblower zu handeln. Jones, Mitarbeiter im Geheimdienstausschuss des US-Senats, sitzt neben einem Investigativreporter der New York Times in einem Auto. Vor ihm liegt sein Bericht über Verhör- und Foltermethoden der CIA im Rahmen des war on terror. Die mehrere tausend Seiten starke Studie, die gravierende Menschenrechtsverletzungen des US-Geheimdienstes aufdeckt, droht unter Verschluss gehalten zu werden. "Es muss anders gehen", sagt Jones und steckt das Papier wieder in die Tasche. "The Report" erzählt von den Mühen der Ebenen demokratischer Prozesse – insbesondere bei den Kontrollmechanismen der Gewaltenteilung zwischen Senat, CIA und Weißem Haus. Mehr Zum Inhalt: Kammerspiel als , spielt der Film vor allem in Zum Inhalt: lichtarmen Behördenbüros mit Aktenstapeln und Datenbanken. Die neuen Heldinnen und Helden des Politkinos sind integre, aber charakterlich etwas biedere Bürokraten. "The Report" und "Official Secrets" lösen sich damit in ihrer Figurenzeichnung von den Zum Inhalt: Genre-Klassikern der 1970er-Jahre.

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Mehr Überwachung, weniger Paranoia

Als im Zum Inhalt: New Hollywood-Kino prägende Politthriller wie "Der Dialog" (1974), "Zeuge einer Verschwörung" (1974), "Die drei Tage des Condor" (1975) oder "Die Unbestechlichen" (1976) entstanden, waren die Helden – stets männlich, rebellisch, wagemutig – noch unauflösbaren Verschwörungen auf der Spur. Fundamental beeinflusst von der Watergate-Affäre um Richard Nixon, gilt diese Reihe von Filmen nicht umsonst als Paranoia-Kino. Die Whistleblower-Filme des neuen Jahrtausends – neben den oben genannten auch Zum Filmarchiv: "Inside WikiLeaks – Die fünfte Gewalt" (2013) und Zum Filmarchiv: "Snowden" (2016) – folgen ihren filmischen Vorbildern zwar noch formal: mit Zum Inhalt: Schauplätzen wie Tiefgaragen und kafkaesken Bürofluren, in der Zum Inhalt: Mise-en-Scène ihrer Figuren vor übergroßen Zum Inhalt: Gebäuden, in der Dramaturgie vom Kampf des Einzelnen gegen die Institutionen. Die paranoide Grundstimmung teilen diese Filme jedoch nicht mehr, und das obwohl ja gerade mit Edward Snowden erst das Ausmaß der digitalen Überwachung bekannt wurde. Mehr Überwachung, weniger Paranoia: Das Whistleblower-Kino ist hier gewissermaßen dialektisch zu verstehen. So beunruhigend der Eingriff in die Privatsphäre der Bürger/-innen ist, so erscheinen im Zeitalter der Enthüllungen jedoch auch die Institutionen transparenter. Politik und Privatwirtschaft müssen, so der Tenor dieser Filme, mehr denn je mit einer öffentlichen Aufdeckung ihrer Verfehlungen rechnen.

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