Kategorie: Hintergrund
Bilderbuchverfilmungen
Um die ganz jungen Zuschauer/innen ins Kino zu locken, werden regelmäßig auch Bilderbücher für die große Leinwand adaptiert. Das stellt die Filmemacher/-innen oft vor besondere Herausforderungen.
Auf der Suche nach viel versprechenden Stoffen hat die Filmbranche seit jeher gerne auf erfolgreiche literarische Stoffe zurückgegriffen. Um die jüngsten Zuschauer/-innen zu erreichen, bieten sich auch populäre Bilderbuchvorlagen an. Die einfach strukturierten Text-Bild-Verbindungen sind besonders geeignet, an Erlebniswelten junger Menschen im Vorlesealter anzuknüpfen und kindliche Ängste und Sehnsüchte aufzugreifen. So sind Bilderbücher – und damit indirekt auch deren Adaptionen – längst zu einem anerkannten Instrument der frühkindlichen Erziehung geworden.
Dramaturgische Herausforderung
Um ein vergleichsweise kurzes Bilderbuch als langen Kinospielfilm umzusetzen, muss die literarische Vorlage meist mit zusätzlichen Zum Inhalt: Szenen, Nebenhandlungen und Dialogen erweitert werden. An die Stelle der oft linearen Reihung von Episoden in Bilderbüchern tritt eine komplexere Zum Inhalt: Dramaturgie mit größeren Spannungsbögen und retardierenden Momenten, die insbesondere mit komischen Elementen den kleinen Zuschauern/-innen Entlastungsphasen ermöglicht. Dies stellt Zum Inhalt: Drehbuch und Zum Inhalt: Regie vor einige Herausforderungen. (DE 2007), Hayo Freitags liebevolle Verfilmung des antiautoritären Bilderbuchs von Tomi Ungerer aus dem Jahr 1961, wiederholt beispielsweise Zum Inhalt: Sequenzen und zieht manche Vorgänge wie die maschinelle Herstellung von Rübensirup durch geknechtete Waisenkinder "künstlich" in die Länge. Dagegen verzichtet ein Film wie (Pettersson & Findus: Kattonauten, Albert Hanan Kaminski, DE/SE 2002) weitgehend auf größere Spannungsbögen und dramatische Zuspitzungen und kombiniert kurze Episoden aus mehreren Bilderbüchern von Sven Nordqvist. Die Autoren Bettine und Achim von Borries lösen das Problem in dem Zum Inhalt: Animationsfilm (Tony Loeser, Jesper Møller, Deutschland, Italien, Frankreich 2008), indem sie nur Figuren und Ambiente aus den Bilderbüchern von Helme Heine übernehmen, aber ansonsten deren Vorgeschichte erzählen, also wie sich Maus, Hahn und Schwein kennenlernen und Freunde werden.
Unterhaltungsfaktor und Produktionsbudgets
Da kleine Kinder in der Regel nicht allein, sondern mit Eltern, Großeltern oder anderen erwachsenen Begleitpersonen ins Kino gehen, bemühen sich die Zum Inhalt: Produzenten/-innen häufig, den Unterhaltungsfaktor auch für ältere Zuschauende durch Anspielungen und Subtexte zu erhöhen, die sich Kindern noch nicht erschließen. Wenn etwa in eine Rakete einen Hund in den Weltraum "schießt", werden nur Erwachsene wissen, dass die Sowjetunion zu Beginn der Raumfahrt die Hündin Laika nicht nur aus wissenschaftlichen Gründen, sondern auch zu Propagandazwecken ins All beförderte. Zudem sind heutige Bilderbuchverfilmungen meist eingebettet in umfassende mediale Vermarktungsstrategien: Zu vielen Filmen gibt es Computerspiele, TV-Serien, Hörspiele, Begleitbücher, Rucksäcke, Tassen und andere Lizenzprodukte. Um Produktionsbudgets effektiv zu nutzen, werden manchmal auch Kinofilm und TV-Serie gleichzeitig konzipiert und hergestellt. So entstand auf der Grundlage der Bilderbuchserie von Hans de Beer und Serena Romanelli von 1995 erst eine 26-teilige Animationsserie und dann der gleichnamige Kinofilm Kleiner Dodo (Ute von Münchow-Pohl, Thilo Graf Rothkirch, Deutschland 2007), der als Zum Inhalt: Prequel, also vor der Fernsehhandlung, angelegt ist. Die zuerst ausgestrahlte Serie half neben den bekannten Büchern, die "Dodo-Welt" bekannt zu machen.
Ästhetische Veränderungen
Bei der Übertragung der statischen Zeichnungen eines Bilderbuchs ins Bewegtbildmedium Film orientieren sich die meisten Filmschaffenden an der erfolgreichen Vorlage, deren Status als bekannte Marke ihnen ja von vornherein viel Aufmerksamkeit sichert. Da das Leinwandformat aber weit größer ist als eine kleinformatige Illustration in einem Buch, sind oft ästhetische Veränderungen notwendig. (Martin Otevrel, DE 2006) ersetzt den kräftigen Zeichenstrich des Janosch-Klassikers aus dem Jahr 1978 durch eine feingliedrigere Figurenzeichnung und hellere Hintergründe, die auf der Leinwand besser zum Tragen kommen. Auch die Bildgestaltung verändert sich und wird komplexer. Während ein Comic beispielsweise mit Zum Inhalt: EinstellungsgrößenNahaufnahmen, Ellipsen, Bewegungsdramaturgie oder Beschreibung von Geräuschen vergleichbare Gestaltungsmittel wie der Film besitzt, ist dies bei Bilderbüchern selten der Fall. Sie erzählen ihre Geschichten visuell auf möglichst einfache Weise, oftmals mit Überblick bietenden Panoramabildern, die in der filmischen Umsetzung in verschiedene Zum Inhalt: EinstellungsgrößenEinstellungsgrößen und Zum Inhalt: KameraperspektivenKameraperspektiven sowie längere Dialogsequenzen aufgelöst werden.
Bilderbücher als Realfilme
Ebenfalls im Unterschied zu Comics, die in den vergangenen Jahren häufig in Form von Live-Action-Filmen verarbeitet wurden, werden Bilderbücher meist als Zum Inhalt: AnimationsfilmAnimationsfilme adaptiert. Ein Grund dürfte darin liegen, dass Animationsfilme kleinen Zuschauern/-innen eine vertraute visuelle Fortsetzung der gezeichneten Welten der Buchvorlagen bieten. Eine der wenigen Ausnahmen stellt Jon Favreaus Verfilmung "Zathura – Ein Abenteuer im Weltraum" (Zathura: A Space Adventure, USA 2005) des Bilderbuchs von Chris Van Allsburg dar. Das Buch erzählt von zwei kleinen Brüdern, die im Keller ihres Elternhauses ein mysteriöses Raumfahrtspiel entdecken, das sie und ihr Haus ins Weltall katapultiert. Die 32-seitige literarische Vorlage hat Favreau in einen munteren Zum Inhalt: Fantasy-Abenteuerfilm mit realen Kinderdarstellern/-innen transponiert, die durch ihre natürliche Spielweise sicherlich bei vielen jungen Zuschauern/-innen Sympathie finden.
Dass Bilderbücher eine hervorragende Vorlage für Realfilme sein können, beweist auch Zum Filmarchiv: "Wo die wilden Kerle wohnen". Den bildgewaltigen Kinderbuchklassiker von Maurice Sendak aus dem Jahr 1967 hat Regisseur Spike Jonze als in der Gegenwart angesiedelten Realfilm umgesetzt. Auch Jonze hat die wortarme Vorlage dramaturgisch reichlich ausgeschmückt, wobei der Film durch den herausragenden jungen Protagonisten und das authentische familiäre Setting der Rahmenhandlung sichtlich an Identifikationspotenzial gewinnt. Allerdings wirkt auch die Vorlage ungewöhnlich filmaffin, in der Sendak bereits markante kinematografische Illusionstechniken aufgreift: Je näher der Held Max der imaginären Welt der Monster kommt, umso mehr breiten sich die Zeichnungen von der rechten auf die linke Buchseite aus. Schließlich bedecken sie beide Seiten des aufgeschlagenen Buchs und schaffen einen umfassenden Fantasieraum, den Jonze mit einer assoziativen Zum Inhalt: MontageMontage, Handkamera und Zum Inhalt: Filmmusikmusikalischer Rhythmisierung in einen ebenso fantastischen wie authentisch wirkenden filmischen Erlebnisraum erweitert hat.