Obwohl jeder Film davon lebt, verschiedene Elemente wie Zum Inhalt: Off-/On-TonTon, Zum Inhalt: FilmmusikMusik, Zum Inhalt: Mise-en-scène/InszenierungBildgestaltung oder Zum Inhalt: MontageMontage zusammenzuführen, treten manche von ihnen von Fall zu Fall in den Vordergrund. In Zum Filmarchiv: "Winter’s Bone" (Debra Granik, USA 2010) prägen vor allem der subtile, über die bloße Untermalung und Spannungssteigerung hinausgehende Einsatz der Zum Inhalt: FilmmusikMusik, die differenzierte Milieudarstellung und Figurenzeichnung sowie eine sensible Kameraführung Stil und Aussage des Films. Zugleich sind gerade diese ästhetischen Merkmale typisch für das US-amerikanische Independent-Kino.

Musik: Nähe und Distanz

In der Zum Inhalt: SequenzTitelsequenz von Zum Filmarchiv: "Winter’s Bone" sind häusliche Szenen mit spielenden Kindern zu sehen, die den ärmlichen Lebensverhältnissen zu trotzen scheinen. Eine ältere Frau singt dazu ein getragenes Wiegenlied und verstärkt den Eindruck familiärer Geborgenheit. Allerdings bleibt die Sängerin unsichtbar: Der Gesang ist nicht Teil des Geschehens, sondern wurde über die Bilder gelegt. Diese Unterscheidung ist wichtig, weil dem Geschehen damit auch das im Gesang transportierte Gefühl des Behütetseins äußerlich bleibt, es nicht wie gelebte Realität, sondern wie eine ferne Erinnerung oder Wunschvorstellung erscheint.

Diegetischer und nicht-diegetischer Ton

Schon im Vorspann von Debra Graniks Drama kommt dem Gegensatz von diegetischem und nicht-diegetischem Ton eine weit größere Bedeutung zu als in den meisten anderen Filmen. Unter ersterem versteht man Musik und Töne, die in der filmischen Realität verankert sind, also eine faktische Quelle (Source) in der Handlung haben, beispielsweise ein anfahrendes Auto oder ein spielendes Radio. Deshalb wird diegetische Musik auch als Source-Musik oder Realmusik bezeichnet. Zu den nicht-diegetischen Tönen werden vor allem sinfonische Zum Inhalt: FilmmusikFilmmusiken und zur Untermalung der Handlung eingesetzte Lieder aber auch der Zum Inhalt: VoiceoverErzähl-Kommentar gerechnet. Beide Möglichkeiten setzt Granik äußert spärlich, dafür aber mit subtiler Absicht ein. Bei der Musikauswahl verzichtet sie bewusst auf bekannte Songs und greift stattdessen auf lokale Westernmusik zurück. Damit folgt die Regisseurin dem Beispiel vieler US-amerikanischer Independent-Filme, die sich durch die regionale Einfärbung

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ihrer Geschichten von den für den Weltmarkt produzierten Hollywood-Erzählungen abgrenzen wollen. Zu Beginn des Films dominiert diegetische Musik. Ein leises Hintergrundgeräusch aus Radio oder Fernsehen erfüllt die Räume und begleitet die 17-jährige Ree und ihre beiden jüngeren Geschwister durch den Tag – im Grunde wie ein Ersatz für die Stimme der psychisch kranken und weitgehend verstummten Mutter. Erst als Ree erfährt, dass ihre Familie das Haus und damit ihren einzigen Besitz zu verlieren droht, unterstreicht Granik die Dramatik dieser Enthüllung durch den Einsatz "drangvoller", in der Instrumentierung an Countryklänge angelehnte nicht-diegetischer Musik. Dieses Muster behält sie im Lauf des Films weitgehend bei, um es an entscheidender Stelle – Rees erster Beinahe-Begegnung mit dem "gefährlichsten Mann“ der ganzen Gegend – zu erweitern. Während die Heldin versucht, den Clanchef in den Viehställen eines Auktionshauses zur Rede zu stellen, nimmt die Musik das Muhen und Blöken durch eine ähnliche Klangfarbe auf. Dann wird die Lautsärke so lange allmählich gesteigert, bis man sich dem Gefühl, mit der Heldin ins Innere eines Schlachthauses vorzudringen, nicht mehr entziehen kann.

Die junge Heldin: Figurendarstellung und Kameradramaturgie

Sorgfältig inszeniert Granik Rees sozialen Hintergrund. Dabei benötigt sie wenig erklärende Dialoge, weil die öden, teilweise von Schrotthalden dominierten Höfe Bände sprechen und sich vielen Figuren das harte Leben in die Gesichtszüge eingeschrieben hat.

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In den meisten Dialogszenen bleibt die Kamera in der Zum Inhalt: EinstellungsgrößenHalbdistanz, um den Gegensatz zwischen der "weicher" ausgeleuchteten Ree und den anderen weiblichen Figuren nicht übermäßig zu betonen. Am deutlichsten hebt sich Ree durch ihren sanfteren Tonfall und die ruhige, offenere Körperhaltung von ihren Gegenübern ab; die Frau des Clanchefs streift dagegen wie ein gefangenes Raubtier im Bildraum hin und her. Letztlich sticht das junge Mädchen durch positive Charaktereigenschaften wie Mut, Pflichtgefühl und Willensstärke aus ihrem Umfeld hervor. Darüber hinaus nimmt sie, im Unterschied zu den meisten Menschen ihrer Umgebung, keine Drogen. Nachdem Granik ihre jugendliche Heldin zunächst als ebenso fürsorgliches wie unerschrockenes "Familienoberhaupt" eingeführt hat - etwa in der Szene, in der Ree ihren Bruder vor einem wütenden Erwachsenen beschützt - zeigen sorgsam platzierte Schlüsselszenen,

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dass die 17-Jährige mit dieser schwierigen Rolle verständlicherweise überfordert ist. Einmal sucht sie bei ihrer Mutter Rat: "Bitte hilf mir, nur dieses eine Mal!" Der Dialog wird in der klassischen Zum Inhalt: Schuss-Gegenschuss-TechnikSchuss/Gegenschuss-Technik gefilmt, allerdings sind die Blickachsen so gelegt, dass es zwischen den beiden keinen Augenkontakt gibt. So betont Granik die Isolation der Mutter - auch von dieser Seite darf Ree keinen Beistand erwarten. Unerwartete Hilfe kommt dann in höchster Not. Der Clan eines Drogenhändlers hat sie in einer Scheune festgesetzt. Gerade als er berät, was mit der Gefangenen geschehen soll, taucht Rees Onkel Teardrop auf. Diese Konfrontation hat Kameramann Michael McDonough ausnahmsweise aus größerer Entfernung und mit extrem langer Brennweite aufgenommen. Das Bild erscheint dadurch flacher und der Raum enger als er ist. Die gestaffelt im Bildraum verteilten Clanmitglieder bilden geradezu eine Mauer zwischen Ree und ihrem Onkel. Meist ist die am Boden kauernde Gefangene lediglich durch ein "Loch" im "Mauerwerk" zu sehen und wirkt dadurch zum ersten Mal den Verhältnissen schutzlos ausgeliefert.

Musikalische Klammer

Im Finale von Zum Filmarchiv: "Winter’s Bone" greift Debra Granik noch einmal auf den Gegensatz von diegetischer und nicht-diegetischer Musik zurück. Ree konnte beweisen, dass ihr Vater tot ist, und hat somit Haus und Grundstück gerettet. Ihr Onkel Teardrop kommt zu Besuch und wird von Rees Geschwistern gebeten, etwas auf dem Banjo ihres vermutlich ermordeten Vaters zu spielen. Er nimmt das Instrument zur Hand, greift ein paar Akkorde, und während ihm seine Nichten und sein Neffe lauschen, hat man zum ersten Mal das Gefühl, eine halbwegs intakte Familie vor sich zu sehen. Dann legt Teardrop das Banjo weg und macht sich auf den Weg, den Mord an seinem Bruder zu rächen. Die kurze Andeutung einer gemeinsamen Zukunft ist wieder verflogen. Ree bleibt als Hüterin ihrer Geschwister mit diesen allein zurück. Erneut spielt ein Banjo. Doch jetzt kommt es nicht mehr aus dem Inneren der Bilder, sondern von außen. Auch wenn Ree ihr Schicksal wahrscheinlich meistern wird – die Möglichkeit des Familienglücks klingt nur noch als fernes Echo nach.