Kategorie: Hintergrund
Infotainment zur Aufklärung: Spezialeffekte und Situationskomik in "Voll verzuckert – That Sugar Film"
Damon Gameau bedient sich stilistisch bei Comics und Musikvideos, um vor den Folgen übermäßigen Zuckerkonsums zu warnen. Unser Hintergrundartikel erklärt, mit welchen Mitteln er wissenschaftliche Fakten für Kinder und Jugendliche zugänglich macht.
Eine assoziative Zum Inhalt: Montage steht am Anfang von Zum externen Inhalt: Voll verzuckert – That Sugar Film (öffnet im neuen Tab). Zum euphorischen Zum Inhalt: Popsong „Just Can’t Get Enough“ von Depeche Mode sieht man in hoher Schnittfrequenz farbgesättigte Zuckerimpressionen: Über Fließbänder rollen Unmengen an Süßigkeiten, Maschinen überziehen Schaumküsse mit Kuvertüre, Mandeln purzeln in Schokoladensoße, Zuckerperlen auf Cupcakes. Die Kamera gleitet über Landschaften aus Fruchtgummibergen und Schokoladenflüssen und erfasst schließlich den Erzähler des Films. Auf einem Zuckerhügel sitzt eine Miniaturversion des Regisseurs und Autors Damon Gameau und berichtet von seinen Erfahrungen mit dem Nahrungsmittel Zucker.
Exkursion in den menschlichen Körper
Schon diese Zum Inhalt: Eröffnungssequenz zeigt, dass Gameau sich mit "Voll verzuckert – That Sugar Film" an einer poppigen Werbeclip-Ästhetik orientiert und humorvolle Gestaltungsmittel und Spezialeffekte für eine jugendgerechte Vermittlung seines Themas einsetzt. Ein wiederkehrendes Stilmittel ist das Spiel mit Größenverhältnissen. Hier tritt der Regisseur selbst mehrfach als „Däumling“ auf: Er steht als Anschauungsobjekt in Reagenzgläsern oder begibt sich auf eine Reise in das Innere des menschlichen Körpers. So geht Gameau mit Schutzhelm bewehrt auf eine fantasievolle Exkursion in den Körper des Schauspielers Brenton Thwaites: Er reist durch Blutbahnen, reitet auf verfetteten Zuckermolekülen und erklärt dabei die Wirkung von Fruchtzucker in der Leber. Nicht von ungefähr erinnert diese Zum Inhalt: tricktechnische Reise an die französische Zum Inhalt: Zeichentrickserie „Es war einmal … das Leben“ (1987). Auch dieser Lehrfilm-Klassiker erklärte den menschlichen Körper und die Funktionen der Organe mit Comic-Animationen und witzigen Dialoge auf verständliche und zugleich unterhaltsame Weise. Solche ungewöhnlichen Perspektiven und Innenansichten helfen Gameau, komplexe Zusammenhänge zu veranschaulichen und gezielt die Aufmerksamkeit eines jungen Publikums zu schärfen.
Wissenschaftler als Superhelden
Der Regisseur bedient sich noch anderer visueller Tricks. Einige seiner Interviewpartner/-innen filmt er vor Zum Inhalt: Green Screens und projiziert ihre Köpfe im Film auf Lebensmittelverpackungen oder die Monitore medizinischer Messgeräte. Wenn zum Beispiel der Ernährungsberater Gary Taubes als Zum Inhalt: Talking Head vom Etikett einer Müslischachtel herab spricht, bekommen dessen Erklärungen eine humorvolle Note. Sein Expertenteam stellt Gameau wiederum im Stile eines Superhelden-Comics mit durchgeknallten Zum Inhalt: Inserts vor: Seine Ärztin Debbie Herbst trägt Basecap und Hip-Hop-Goldkette und erhält den Namen „Dr. Checkerin“, der Klinikpathologe Ken Sikaris, ausgestattet mit Vampircape und Blutampulle, wird zu „Professor Blut“. Der Comic-Stil charakterisiert Gameaus Spezialisten auf spielerische Weise und stellt damit eine einprägsamere Einführung dar als die aus dem Fernsehen bekannten Einblendungen in der unteren Bildhälfte, die sogenannten „Bauchbinden“.
Prominente Unterstützung
Gameaus Bemühungen um eine populärwissenschaftliche Vermittlung gehen so weit, dass er den australischen Schauspieler Hugh Jackman und den britischen Komiker Stephen Fry für Gastauftritte gewinnen konnte. Jackman präsentiert in der Tradition eines Music-Hall-Entertainers im Schnelldurchlauf die Kulturgeschichte des Zuckers: Historische Episoden visualisiert er, indem er mit Kristallzucker auf einem Lichtpanel „malt“, Pointen werden im Stil einer Sitcom mit Gelächter aus dem Zum Inhalt: Off kommentiert. Stephen Fry stellt in seinem kurzen Segment die „Familie Zucker“ in ihren unterschiedlichen Erscheinungsformen vor: Glukose (Traubenzucker), Laktose (Milchzucker), Saccharose (Kristallzucker) und Fruktose (Fruchtzucker). Zur Illustration kommen während seiner Präsentation wie im Theater die jeweiligen Worte und Bilder von Lebensmitteln an Seilen von der Decke. Die Bühnenshows stellen ein weiteres komödiantisches Format dar, mit denen sich "Voll verzuckert – That Sugar Film" vom klassischen Dokumentarfilm unterscheidet.
Statt seine Thesen ausschließlich mit Archivaufnahmen und Experteninterviews zu unterstreichen, wählt Gameau also einen didaktischeren Ansatz der Vermittlung. Die animierten Schlagworte und Bildelemente heben wichtige Themen hervor und verwandeln die Kinoleinwand in eine interaktive Tafel. So zählt in einer Zum Inhalt: Szene die Schauspielerin Isabel Lucas die verschiedenen Begriffe auf, welche die Nahrungsmittelindustrie für den schädlichen Zusatz „konzentrierter Fruchtzucker“ erfunden hat, während die Worte visualisiert durch das Bild wandern. Schauspieler/-innen erfüllen neben den Expertinnen und Experten in "Voll verzuckert – That Sugar Film" eine wichtige Funktion.
Emotionale Vermittlung
Auch Regisseur Damon Gameau bleibt nicht unauffällig hinter der Kamera. In seiner Selbstinszenierung als Versuchskaninchen verlässt er bewusst die Rolle des objektiven Beobachters. Um das Thema seines Films einfühlender darzustellen, setzt er beispielsweise auf seine persönlichen Erfahrungen und bettet das Experiment in sein Privatleben ein. Nicht zuletzt ist die Schwangerschaft seiner Freundin Zoe für Gameau ein Beweggrund, sich mit dem Thema Ernährung und gesunder Lebensweise zu beschäftigen. In Gesprächen mit Zoe rekapituliert er seine physischen und psychischen Veränderungen. Indirekt sind diese intimen Ansprachen immer auch an sein Kinopublikum gerichtet, das durch die Anteilnahme der Freundin eine emotionale Bindung zu Gameau entwickeln soll.
Infotainment und investigative Recherche
Persönliche Erfahrungen verknüpft Gameau jedoch auch mit investigativen Recherchen, die ihn um die halbe Welt führen. Dieser Infotainment-Strategie bediente sich bereits Morgan Spurlock in seinem Dokumentarfilm Zum externen Inhalt: Super Size Me (öffnet im neuen Tab). Auch Spurlock machte sich zum Subjekt seiner Erzählung und lieferte durch einen Selbstversuch anschauliche Beweise für die Gefahren des Fast-Food-Konsums. Dennoch unterscheiden sich die Ansätze bei näherem Hinsehen. "Voll verzuckert – That Sugar Film" wirkt weniger agitatorisch und plakativ, da Gameau die Gefahren des Zuckerkonsums nicht an naheliegenden Beispielen wie Süßigkeiten oder Fast Food aufzeigt, sondern sich auf vermeintlich gesunde Lebensmittel konzentriert. Bei allem Humor wirkt die Botschaft von Damon Gameau ernsthafter – und sein Auftritt dadurch weniger selbstverliebt.