Kategorie: Hintergrund
Ein weiter Weg – Afroamerikanische Emanzipation und Integration im Hollywood-Kino
Auch wenn Hollywood gemeinhin als liberal gilt, ist der latente Rassismus bis heute ein virulentes Thema.
Der 24. März 2002 war ein historisches Datum für Hollywood und die afroamerikanische Bürgerrechtsorganisation National Association for the Advancement of Colored People (NAACP). In dieser Nacht wurden Halle Berry und Denzel Washington mit dem Oscar® für
die beste weibliche und männliche Hauptrolle in (Marc Forster, 2001) und "Training Day" (Antoine Fuqua, 2001) ausgezeichnet. Es war das erste Mal in der Geschichte der Oscars®, dass die beiden wichtigsten Kategorien an schwarze Schauspieler/innen gingen. Die NAACP äußerte in einer begleitenden Erklärung die Hoffnung, dass in Hollywood damit endlich eine Zeitenwende für afroamerikanische Künstler/innen anbrechen könnte. Ganz so positiv wurde die Vergabe jedoch nicht von allen Seiten bewertet. Halle Berry erntete für ihre Rolle einer Witwe, die mit dem rassistischen Vollstrecker ihres zu Tode verurteilten Mannes eine Liebesaffäre beginnt, auch heftige Kritik. Und der Kulturtheoretiker Amiri Baraka sprach dem afroamerikanischen Regisseur Antoine Fuqua jegliches schwarze Bewusstsein ab.
Latenter Rassismus
Auch wenn Hollywood gemeinhin als liberal gilt, ist der latente Rassismus in der Filmindustrie bis heute ein virulentes Thema. Das US-amerikanische Kino hat in den vergangenen Jahrzehnten herausragende afroamerikanische Persönlichkeiten hervorgebracht (Sidney Poitier, Harry Belafonte, Ossie Davis, Bill Cosby, Morgan Freeman, Will Smith). Doch so selbstverständlich Rassismus im amerikanischen Mainstreamkino inzwischen auch thematisiert wird – auch (Paul Haggis, 2004) ist ein preisgekröntes Beispiel –, mit einer historisch akkuraten beziehungsweise politisch expliziten Darstellung der afroamerikanischen Emanzipationsgeschichte tut Hollywood sich weiter schwer.
Frühe selbstbewusste Präsentation
Der Sänger und Schauspieler Paul Robeson war der erste afroamerikanische Unterhaltungskünstler, der seinen Einfluss auch gesellschaftlich geltend machte: als Jurist, Friedensaktivist und Bürgerrechtler. Dudley Murphys "The Emperor Jones" (1933) löste seinerzeit heftige Kontroversen aus. Mit freiem Oberkörper posierte Robeson als Kettensträfling und sang mit seinem dröhnenden Bariton Lieder der Unterdrückung. Aus seinem Mund hörte Nordamerika zum ersten Mal das Wort "Nigger" als stolzen Ausdruck von Selbstermächtigung. Nie zuvor hatte sich ein Schwarzer so selbstbewusst präsentiert. Robeson besaß die richtige Statur und Stimme für eine imposante Figur wie Brutus Jones, der sich vom servilen Diener zum rücksichtslosen Potentaten hocharbeitet und schließlich an seinem Größenwahn zugrunde geht.
Integrationsfigur der afroamerikanischen Bürgerrechtsbewegung
In den 1960er-Jahren stieg Sidney Poitier zur großen Integrationsfigur der afroamerikanischen Bürgerrechtsbewegung auf. Der Film "Rate mal, wer zum Essen kommt" (Guess Who's Coming to Dinner, Stanley Kramer, 1967) spielte als verkappte romantische Komödie mit den vorherrschenden Rassismen: Ein liberales Ehepaar in der Flower-Power-Hochburg San Francisco erfährt beim Besuch der Tochter, dass diese einen schwarzen Arzt (Sidney Poitier) heiraten wird. Die Entscheidung der Tochter bringt die alten Ressentiments wieder an die Oberfläche. Drei Jahre zuvor hatte der Kongress die berüchtigten Jim-Crow-Gesetze zur Rassentrennung aufgehoben, aber "Rate mal, wer zum Essen kommt" zeigte exemplarisch, wie weit selbst im liberalen Amerika der 1960er-Jahre der Weg hin zu einer Normalisierung der gesellschaftlichen Umgangsformen zwischen Weißen und Schwarzen noch war. Ebenfalls 1967 spielte Poitier in dem Drama "In der Hitze der Nacht" (In the Heat of the Night, Norman Jewison) den Polizisten Virgil Tibbs, der im Süden der USA zusammen mit einem rassistischen Sheriff den Mord an einem Weißen untersuchte. Sein Beharren auf der Anrede "Mr. Tibbs" blieb als selbstbestimmtes Statement für die afroamerikanische Emanzipation am nachhaltigsten in Erinnerung.
Zwischen Paradigmenwechsel und Konventionalität
Der Erfolg der Stand-Up-Comedians Richard Pryor und Eddie Murphy, die in ihren Performances offensiv mit rassistischen Stereotypen spielten, leitete einen langsamen Paradigmenwechsel im Hollywood-Kino ein. Pryor und Murphy richteten sich an ein jüngeres (auch weißes) Publikum, das die Zeit der Bürgerrechtsbewegung nur noch aus den Geschichtsbüchern kannte. Walter Hills Actionfilm "Nur 48 Stunden"
(48 Hrs., 1982) mit Nick Nolte und Eddie Murphy in den Hauptrollen machte das gemischte "Buddy Movie" mit selbstbewusst und gleichberechtigt agierenden schwarzen und weißen Figuren zur Erfolgsformel der 1980er-Jahre. Die Polizeifilme "Beverly Hills Cop – Ich lös den Fall auf jeden Fall"
(Beverly Hills Cop, Martin Brest, 1984) und "Zwei stahlharte Profis"
(Lethal Weapon, Richard Donner, 1987) mit Mel Gibson und Danny Glover schlossen an den Erfolg an.
An den grundsätzlichen Verhältnissen änderte sich jedoch wenig. Im Hollywood-Kino wurden afroamerikanische Figuren lange auf die Rolle des Zum Inhalt: Sidekicks, schlimmstenfalls auch die des wehrlosen Opfers reduziert. Dies war der zentrale Vorwurf an Alan Parkers Film "Mississippi Burning – Die Wurzel des Hasses"
(Mississippi Burning, 1988), in dem zwei weiße FBI-Agenten den Mord an drei Bürgerrechtsaktivisten in den Südstaaten der 1960er-Jahre aufklären müssen. Der Film beruht auf wahren Begebenheiten, verdreht jedoch an entscheidenden Punkten die Fakten: Parkers Film deutet an, dass sich das FBI damals im Alleingang dem Ku-Klux-Klan entgegenstellte, obwohl sich die Bundespolizei in Wahrheit nur widerwillig des Falles angenommen hatte. So führte "Mississippi Burning"
in gewisser Weise auch Hollywoods Tradition der Bevormundung der schwarzen Bürgerrechtsbestrebungen fort.
Historische Figuren und neue Sichtweisen
Das Problem des US-amerikanischen Mainstreamkinos brachte Anthony Hopkins in Steven Spielbergs Sklavendrama (1997) auf den Punkt: "Ihr fragt euch bloß, was diese Menschen sind", erklärte er. "Statt euch dafür zu interessieren, wer sie sind." schildert den ersten Sklavenaufstand auf einem spanischen Handelsschiff im Jahr 1839, der indirekt zum Auslöser des amerikanischen Bürgerkriegs wurde. Spielberg bedient sich der filmischen Mittel eines konventionellen Hollywood-Dramas, stellt aber die dominante Sichtweise des amerikanischen Kinos in Frage. Djimon Hounsou (als Führer des Sklavenaufstands), Morgan Freeman und Chiwetel Ejiofor treten als ebenbürtige Figuren neben weißen Anwälten auf und setzen sich für ihre eigenen Bürgerrechte ein.
Dreizehn Jahre später erzählt Regisseur Boaz Yakin in ""
(Remember the Titans, 2000) die wahre Geschichte des ersten gemischten High-School-Footballteams im Virginia der 1960er-Jahre.
Die Hauptrolle spielte Denzel Washington, der in Spike Lees Biopic (1992) schon die Rolle des kontroversen Black-Muslim-Sprechers übernommen hatte. Lee, ein vehementer Kritiker der amerikanischen Filmindustrie, verfolgte in eine etwas andere Strategie als das liberale Hollywood, das immer wieder die gesellschaftliche Gleichheit von weißen und schwarzen Amerikanern behauptet. Lee betonte hingegen die kulturelle Differenz von Afroamerikanern – beispielhaft an der Frisur Malcolms, der sich in jungen Jahren seine schwarzen Locken noch glättete, um "weiß" auszusehen, mit seiner Hinwendung zum Black Islam aber schließlich seinen Afro als Zeichen seines schwarzen Stolzes wachsen ließ. Bestätigung für seine kompromisslose Haltung fand Lee in den Rassenunruhen von Los Angeles ein Jahr zuvor. Damals gingen die Bilder von Polizisten, die auf den wehrlosen Rodney King einprϋgelten, durch die Medien. In laufen sie noch einmal ϋber die Eröffnungstitel, Zum Inhalt: parallel montiert zur brennenden amerikanischen Flagge.
Gesellschaftlicher Bewusstseinswandel
Neben solchen kompromisslosen Darstellungen sind jedoch auch Tendenzen zur "Entpolitisierung" einflussreicher historischer Persönlichkeiten erkennbar.
Michael Manns Biopic (2001) konzentriert sich primär auf den Sportler Muhammad Ali und diskreditiert dabei am Rande den politischen Aktivismus der Nation of Islam. Dabei wird Alis eigener Radikalismus in ein braves Zeitporträt eingebettet, das der gesellschaftlichen Brisanz eines Afroamerikaners, der sich zur Hochphase des amerikanischen Rassismus als "The Greatest" bezeichnete, kaum gerecht wird. Dennoch – seit der Zeit der Bürgerrechtsbewegung hat sich das gesellschaftliche Bewusstsein in den USA gewandelt. Dass Will Smith heute als mit Abstand erfolgreichster Schauspieler geführt wird, ist keine Frage der Hautfarbe mehr – ebenso wenig wie die Wahl Barack Obamas zum amerikanischen Präsidenten.