Professor Keil, Sie haben auf Ihrer Studienreise auch Charleston in South Carolina besucht – ein wichtiger Ort, wenn es um die afroamerikanische Bürgerrechtsbewegung geht.

Ja, dort haben wir einen schwarzen Bundesrichter getroffen, der uns den Gerichtssaal zeigte, in dem 1951 die Vorverhandlung zu dem berühmten Fall "Brown vs. Board of Education" stattfand, bevor er 1954 vom Obersten Gerichtshof final entschieden wurde. Verhandelt wurde, ob Rassentrennung in öffentlichen Schulen verfassungswidrig ist. Alle Protagonisten, die später vor dem Obersten Gerichtshof ausgesagt haben, waren dort. Unter anderem Thurgood Marshall, der später der erste schwarze Oberste Bundesrichter wurde.

Formaljuristisch, also auf dem Papier, war damals "Gleiches Recht auf Bildung" garantiert. Wie ist der Bildungszugang von Afroamerikanern heute?

Das hängt stark vom sozio-ökonomischen Status ab. Man muss sagen – und das wird auch von allen Seiten beklagt –, dass das öffentliche Schulwesen in manchen Gegenden wie beispielsweise South Carolina qualitativ unzureichend ist. Gerade die weiße Bevölkerung tendiert dazu, ihre Kinder auf Privatschulen zu schicken. Dies hat zur Konsequenz, dass keine Bereitschaft da ist, die öffentlichen Schulen besser auszustatten. Davon sind dann die Kinder von Afroamerikanern aber auch von Minderheiten wie den Hispanics am meisten betroffen. Und gerade sie sind auf öffentliche Schulen angewiesen.

Die schwarze Bürgerrechtsbewegung der USA hatte ihre Hochzeit in den 1950er- und 1960er-Jahren. Namen wie Martin Luther King, Malcom X und Jesse Jackson sind mit ihr verbunden. Welche Ziele hatte die Bürgerrechtsbewegung damals?

Es ging um die grundsätzliche rechtliche Gleichstellung. Ich glaube nicht, dass damals die "Integration" im Vordergrund stand. Ich würde eher von De-Segregation sprechen. "Die rechtlichen Schranken müssen fallen" – das war eine Hauptforderung und die Bürgerrechtsbewegung hat dies mit der entscheidenden Gesetzgebung durchgesetzt. Mitte der 1960er-Jahre gab es einen Wandel unter den jungen Afroamerikanern hin zu "Black Power". Man wollte seine eigenen Ansprüche und Interessen durchsetzen. Dies überschritt die rein rechtlichen Forderungen, die ja bereits auf dem Papier erfüllt waren. Diese Bürgerrechtsbewegung forderte "Gleichberechtigung" im Sinne einer sozialen und ökonomischen Chancengleichheit.

Wofür setzen sich Bürgerrechtsbewegungen wie die National Association for the Advancement of Colored People (NAACP) oder die National Urban League heute ein?

Die Bekämpfung der ökonomischen Diskriminierung ist bis heute das wesentliche Ziel der Bürgerrechtsbewegungen. Die National Urban League zum Beispiel hat von Anfang an versucht, die sozialen und wirtschaftlichen Probleme der Afroamerikaner in den Großstädten zu lösen. Auch die Diskriminierungen am Arbeitsplatz oder bei der Wohnungssuche sind noch immer ein Thema. Natürlich wird nicht offen diskriminiert, das ist verboten. Aber wenn Wohnungen bevorzugt an Weiße vergeben werden und man Afroamerikaner dadurch systematisch aus bestimmten Wohnvierteln verdrängt, so ist dies auch eine Art der Diskriminierung.

Barack Obama ist seit fast drei Jahren der erste schwarze Präsident der USA. Was bedeutet dies für das Selbstverständnis der Afroamerikaner?

Er ist einerseits eine ganz wichtige Symbolfigur dafür, dass man Einfluss gewinnen und etwas erreichen kann. Andererseits ist jedoch die Enttäuschung sehr groß, weil Obama nicht umgesetzt hat, was sich viele erhofft haben. Vielleicht konnte er das auch gar nicht – ich bin da sehr vorsichtig. Meiner Meinung nach ist vieles einem versteckten Rassismus geschuldet – aber auch der Teaparty-Bewegung und der totalen Verweigerung der Republikaner. Für sie ist erste Priorität: Obama muss weg. Dabei hat er sich nie als der "schwarze" Präsident präsentieren wollen, sondern als Präsident für alle. Obama gehört einer neuen Generation schwarzer Politiker an. Diese Generation steht für ein sozialpolitisches Programm, dem sich andere Interessengruppen anschließen können.