Der Regisseur Adam McKay hat lange als politischer Kolumnist (u. a. für die "Huffington Post") sowie als Autor für Michael Moores Satireshow "The Awful Truth" und die US-amerikanische Comedy-Sendung "Saturday Night Live" gearbeitet. Bekannt wurde er durch seine Zusammenarbeit mit dem Komiker Will Ferrell in Filmen wie "Anchorman – Die Legende von Ron Burgundy" , "Ricky Bobby – König der Rennfahrer" und "Stiefbrüder" . McKay schreibt die Drehbücher zu seinen Filmen selbst. Seit Kurzem moderiert er auch den populärwissenschaftlichen Podcast "Surprisingly Awesome". "The Big Short" ist sein erstes Filmdrama.

Mr. McKay, wie gingen Sie bei der Adaption von Michael Lewis’ Sachbuch vor?

Ich mochte die Charaktere in Michael Lewis’ Buch auf Anhieb, sie waren wie fürs Kino gemacht. Der schwierige Teil bestand darin, die Informationen, die Fachbegriffe und die Hintergründe der Finanzkrise in die Handlung einzuarbeiten. Ich musste diese Fakten mit den Geschichten der Protagonisten verzahnen. Zwei Entscheidungen waren hierfür maßgeblich: Ich beschloss einerseits, die Charaktere in die Kamera sprechen zu lassen. Das gab mir die Möglichkeit, so viele Informationen wie nötig im Film unterzubringen. Der andere wichtige Schritt war die Wahl von Ryan Goslings Figur als Erzähler. Sobald diese beiden Entscheidungen gefällt waren, bekam der Film eine Struktur.

Gab es auch einen dramaturgischen Grund, Ryan Gosling in die Kamera reden zu lassen?

Ich wollte, dass der Film in einen Dialog mit dem Publikum tritt. Speziell in den USA nimmt die Diskrepanz zwischen den sogenannten Experten und den Bürgern immer weiter zu. Wenn dieser Graben erst unüberwindbar geworden ist, wird es gefährlich. Die Amerikaner haben blind darauf vertraut, dass die Regierung wüsste, warum wir in den Irak einmarschierten. Mit der Finanzkrise verhielt es sich ähnlich. Es stellte sich heraus, dass die Banken und die Regierung keine Ahnung hatten, was sie taten. Mein Film soll diese Spaltung überbrücken.

Wer ist das moralische Zentrum des Films?

Das wäre wohl Mark Baum. Mark und sein Team glauben an den Markt und müssen am Ende feststellen, dass das System vollkommen korrupt ist. Ein ziemlicher Schock für sie. Aber niemand in "The Big Short" triumphiert am Ende, diese Geschichte kennt keine Helden. Im Grunde ist es eine Tragödie. Ich habe einige der Personen getroffen, auf denen die Charaktere im Film basieren, und sie fühlen sich bis heute hintergangen. Der Finanzcrash stürzte sie in eine existenzielle Krise, auch wenn sie am Ende einen Riesenprofit machten.

Sie nannten Ihren Film gerade eine Tragödie. Wie haben Sie im Zum Inhalt: Drehbuch Drama und Komödie ausbalanciert?

Für mich besteht der Film aus zwei Hälften. Wir lernen die Figuren kennen, als sie herausfinden, dass die Banken einem Irrtum aufgesessen sind. Es ist eine geschäftige Aufregung zu spüren, die Szenen sind komisch und man fiebert mit den Figuren mit. Und etwa während der Konferenz in Las Vegas beginnen sie zu realisieren, dass das System die Weltwirtschaft zum Einsturz bringen könnte. An diesem Punkt nimmt der Film eine tragische Wendung. Ich hatte beim Schreiben am Drehbuch kein Genre im Hinterkopf, das ist das Schöne an wahren Geschichten. Das Leben existiert nicht innerhalb von Genre-Konventionen.

Und warum haben Sie sich als Fan von Zum Inhalt: Dokumentarfilmen dann für das Spielfilm-Format entschieden?

Ich fand die dramatische Form interessanter als einen Dokumentarfilm. Ein großer Reiz bestand für mich darin, die Charaktere zu fiktionalisieren. Dadurch funktioniert der Film erst. Außerdem hat ein Dokumentarfilm eine ganz andere Reichweite als ein Filmdrama mit Stars. Ich wollte mit diesem Thema ein möglichst großes Publikum erreichen.

Trotzdem spielt Ihr Film mit dokumentarischen Stilmitteln.

Es gab bereits einige Filme zum Thema Finanzkrise, die sehr streng und wichtig gefilmt waren. Aber "The Big Short" handelt nicht von der Sorte Banker, die in Büros mit Marmorwänden saßen. Das waren Außenseiter. Darum war es mir wichtig, dass der Film eine gewisse Nervosität ausstrahlt. Diese Leute standen ständig unter Hochspannung: Zwei der realen Vorbilder im Film entwickelten Panikattacken, Michael Burry wurde der halbe Darm entfernt. Diese Energie sollte der Film zeigen. Ich habe mich dafür an "California Split" von Robert Altman, einem Spielerfilm, und "Die Unbestechlichen" von Alan J. Pakula orientiert. Diese Filme sind roh, sie leben von der Spannung der Bilder.

Es war also eine bewusste Entscheidung, sich ästhetisch von einem Film wie abzugrenzen?

Ich verehre "Margin Call" und Oliver Stones "Wall Street" , aber wir wollten einen anderen Film machen. "The Big Short" spielt nicht in der Chefetage, diese Leute haben ihre Boni nicht in Stripclubs verbraten. Sie glaubten an die Mathematik des Marktes. Einen Dokumentarfilm fand ich während meiner Vorbereitungen allerdings sehr inspirierend, der Titel ist . Ein beeindruckender Film, sehr minimalistisch inszeniert.

Sie bringen stattdessen Selena Gomez und eine halb nackte Margot Robbie vor die Kamera, um den Zuschauenden Begriffe aus der Finanzwelt zu erklären.

Das war mehr als Witz auf Kosten der Popkultur gedacht. Brauchen wir heutzutage Pop-Ikonen, die uns die Welt erklären? Ich denke, die zentrale Frage des Films lautet: Warum sahen gerade mal 20 Menschen die Bankenkrise voraus? Was sagt das über unsere Kultur, unsere Politiker, unsere Medien? Um diese Fragen beantworten zu können, müssen wir verstehen, was damals vor sich ging. Und Tatsache ist: So kompliziert die ganze Angelegenheit auch klingen mag, es ist letztlich sehr einfach. Die Banken handelten mit Schulden und gaben ihnen verwirrende Bezeichnungen.

Und was können jüngere Zuschauende aus Ihrem Film mitnehmen?

Sie sollen sich nicht so schnell einschüchtern lassen. Und nie aufhören, Dinge zu hinterfragen. Warum informieren uns die Nachrichten nicht richtig? Warum unternehmen Politiker nichts dagegen, dass Banken bis zum heutigen Tag too big to fail sind? Vielleicht kann der Film wenigstens dabei helfen, eine Diskussion anzustoßen.