Likarion Wainaina wurde in Moskau geboren und wuchs in Kibera auf, einem Slum im Südwesten der kenianischen Hauptstadt Nairobi. Er arbeitet als Regisseur und Kameramann. Nach mehreren erfolgreichen Zum Inhalt: Kurzfilmen ist Zum Filmarchiv: "Supa Modo" der erste Langfilm von Wainaina. Der Film entstand im Rahmen des von Tom Tykwer und Marie Steinmann-Tykwer gegründeten Programmes ONE FINE DAY FILMS. Unter der Mentorenschaft erfahrener Filmschaffender ermöglicht es afrikanischen Regie-Talenten, ihre eigenen Geschichten umzusetzen und einem weltweiten Publikum zugänglich zu machen. "Supa Modo" hatte Weltpremiere auf der Berlinale 2018 und wurde mehrfach prämiert, unter anderem als Bester Kinderfilm der ECFA (European Children's Film Association).

kinofenster.de: Herr Wainaina, "Supa Modo" erzählt feinfühlig von der Krankheit und dem Tod eines Kindes. Mich interessiert, wie haben denn die mitwirkenden Kinder reagiert?

Likarion Wainaina: Es war für uns alle sehr herausfordernd, dieses schwere Thema anzupacken. Aber es war auch überraschend, zu sehen, welche emotionale Tiefe Kinder haben. Wir denken immer, dass Kinder den Tod nicht verstehen und wir vermeiden, mit ihnen darüber zu sprechen. Aber sie verstehen ihn. Während der Zum Inhalt: Szene, in denen Jo stirbt, haben wir am Zum Inhalt: Set viel zusammen geweint. Es sind auch ein paar Kinder während der Aufnahmen in Ohnmacht gefallen, weil die Stimmung sie überwältigt hat. Getröstet hat uns alle, dass es am Ende trotzdem nur ein Filmdreh war, den wir gerade durchlebten.

kinofenster.de: Wie sind Sie auf diese Geschichte für einen Kinderfilm gekommen?

Likarion Wainaina: Ich hätte nicht damit gerechnet, jemals einen Zum Inhalt: Kinderfilm zu drehen. Meine ursprüngliche Intention war, einen Film basierend auf den Erinnerungen an meine Mutter zu realisieren. Der Fokus bei der Entwicklung des Zum Inhalt: Drehbuches lag zunächst auf der Mutterfigur. Für die Recherchen haben wir auch Kinder in einem Krankenhaus besucht. Alle diese Kinder waren unheilbar krank. Ich habe damals realisiert, dass ich egoistisch bin, wenn ich nur daran denke, wie mich der Tod als Kind beeinflusst hat. Ich hatte mich vorher nicht damit beschäftigt, dass es Kinder gibt, die selbst durch den Sterbeprozess hindurch gehen müssen.

kinofenster.de: Haben Sie die Kinder in die Entwicklung des Filmes mit einbezogen?

Likarion Wainaina: Aus unserer Erwachsenenperspektive heraus war die Handlung zunächst sehr düster und bedrückend angelegt: die Figur des Kindes, die Stimmung. Durch den Kontakt mit den kleinen Patienten in diesem Krankenhaus haben wir erkannt, dass sie trotz allem voller Leben und Freude sind. Der Humor im Film stammt nahezu vollständig von den Kindern. Ich sehe mich eigentlich nicht als Regisseur mit Talent zur Zum Inhalt: Komödie, ich neige eher zum Drama. (lacht)

kinofenster.de: Sie sprachen von Ihrer eigenen Biografie als Ausgangspunkt. Was ist davon noch im Film zu finden?

Likarion Wainaina: Der Moment, der den ganzen Film inspiriert hat, war ein Erlebnis, dass ich als Kind hatte. Ich ging am Schlafzimmer meiner Mutter vorbei und hörte sie heftig weinen. Nach einer Weile kam sie heraus und lächelte. Erst viel später habe ich begriffen, wie viel meine Mutter verborgen hat, um dafür zu sorgen, dass ich als Kind alles hatte, was ich brauchte. Die Figur der Mutter im Film ist genauso stark und beschützend. Aber auch die Szene, in der Jo den Film im Kino schaut, ist direkt meiner Erinnerung entnommen. In genau so einem Bretterverschlag habe ich meinen ersten Film gesehen. Ich bin in einem Slum mit dem Namen Kibera [im Südwesten von Nairobi; Anm. d. Red.] aufgewachsen. Dort kannte jeder jeden und alle haben sich gegenseitig geholfen. Es gab einen Sinn für Gemeinschaft, der mit der Entstehung der modernen Städte verloren gegangen ist. Das vermisse ich und wollte es in den Film einbringen.

kinofenster.de: Ist das Dorf im Film ein echtes Dorf oder ein gebautes Set?

Likarion Wainaina: Es ist ein richtiges Dorf – Kabuku – und liegt in der Nähe der Stadt Limuru, ungefähr zwei Stunden von Nairobi entfernt. Wir hatten großes Glück, denn die Menschen dort haben uns wirklich ihr ganzes Dorf für die Dreharbeiten zur Verfügung gestellt: Geschäfte, viele Laiendarsteller/-innen, einfach alles. Das war für uns sehr inspirierend, denn im Film hilft die Dorfgemeinschaft Jo dabei, ihren Traum zu erfüllen, einen Film zu drehen. Und uns hat dieses Dorf geholfen, unseren Film zu verwirklichen. Genau diese Authentizität wollte ich haben, ein Set hätte sich für mich falsch angefühlt. Der Kern der Geschichte liegt ja in der Gemeinschaft.

kinofenster.de: Wie ist Ihre persönliche Verbindung zu Superheldengeschichten?

Likarion Wainaina: Ich bin ein Riesenfan von Superheldenfilmen und Comics. Als Erwachsener ist mir aber aufgefallen, dass alle Inhalte – ob Filme, Comics oder Fernsehserien – aus der westlichen Welt kommen, hauptsächlich der westlichen Mainstreamkultur. Wir haben keinen einzigen afrikanischen Superhelden, den wir teilen, über den wir sprechen können. Ich wollte unbedingt einen Superheldenfilm in Kenia drehen, hatte aber nicht das Budget für VFX, riesige Sets oder aufwendige Actionszenen. In Gesprächen mit Freunden bekam ich dann die Inspiration, dass ein Superheld dadurch zum Helden wird, weil er die Gemeinschaft rettet. Wenn es keine Gemeinschaft gibt, braucht es keinen Superhelden. Wir wollten mit "Supa Modo" auch eine Diskussion darüber eröffnen, dass es möglich ist, sich in Afrika seine eigenen Superhelden zu erschaffen.

kinofenster.de: Haben Sie auch versucht, eine kenianische Erzählform in den Film zu bringen, die sich absetzt von einer westlichen Art des Geschichten-Erzählens?

Likarion Wainaina: Wir haben eine sehr reiche Kultur des Erzählens, die sich allerdings nicht so leicht auf eine mediale Ebene übertragen lässt. In unseren Märchen und Mythen spielen Hexenkraft und spirituelle Motive eine große Rolle. Die Superhelden aus der westlichen Welt erlangen ihre Superkräfte meist durch fiktive technologische Entwicklungen. Unsere Superheldin hingegen ist mit ihrer eigenwilligen Form der Realität verbunden.

kinofenster.de: Sie haben die Gestaltung der Zum Inhalt: Spezialeffekte in Ihrem Film sehr kreativ gelöst. Wie sind Sie dabei vorgegangen?

Likarion Wainaina: Mike, der Charakter, der im Film den Filmvorführer und später den Regisseur gibt, repräsentiert mich. Jemanden, der als Filmemacher mit dem arbeitet, was er vorfindet. Ich bin an keine Filmschule gegangen und habe mir alles selbst beigebracht. Dazu muss man wissen, dass das Dorf, in dem wir gedreht haben, voller sehr praktisch veranlagter Menschen ist. Also musste auch das Filmemachen ganz pragmatisch ablaufen. Die Zum Inhalt: Kostüme und Zum Inhalt: Requisiten haben wir aus recyceltem Material hergestellt, aus gebrauchten Stoffen, zerschnittenen Bierdosen, Kartons, leeren Flaschen. Außerdem wollten wir während der Dreharbeiten möglichst viel Spaß haben. So kamen wir darauf, die Zum Inhalt: visuellen Effekte gewissermaßen zu parodieren. Alle hatten vorher gesagt, ihr könnt doch keinen Superheldenfilm ohne Spezialeffekte machen. Also haben wir einfach ganz absurde Effekte gedreht, die aber funktionieren. Film muss ja nicht immer laut sein! Ich sehne mich nach guten Geschichten, die mit einfachen Mitteln erzählt werden – und trotzdem lustig und ergreifend sind.

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