Markus Dietrich, 1979 in Strausberg bei Berlin geboren, studierte zunächst Theaterwissenschaften und Neuere Geschichte an der Freien Universität Berlin und dann ab 2002 Mediengestaltung an der Bauhaus-Universität in Weimar. 2006 gewann er mit seinem Kurzfilm "Outsourcing" (Deutschland 2006) den Murnau Kurzfilmpreis. Von 2009 bis 2011 war Markus Dietrich als Regisseur am Thalia Theater in Halle tätig. Zum Filmarchiv: "Sputnik" (Deutschland 2013), der auf seinem Kurzfilm "Teleportation" (Deutschland 2008) basiert, ist sein Langfilmdebüt.

Herr Dietrich, Sie haben acht Jahre lang an Ihrem Kinodebüt "Sputnik" gearbeitet. Warum wollten Sie den Film unbedingt realisieren?

Ich bin in einem kleinen brandenburgischen Dorf aufgewachsen und war zehn Jahre alt, als die Mauer fiel. Im Wendeherbst 1989 haben die Erwachsenen aber irgendwie vergessen, mit uns Kindern über die Ereignisse zu sprechen. Irgendwann kamen dann immer mehr Filme zum Thema Mauerfall ins Kino und ins Fernsehen. Doch die Kinderperspektive, die fehlte. Und so kam ich schließlich auf die Idee zu erzählen, wie wir Kinder damals mit alledem umgegangen sind. Wir waren ja nicht blöd, wir haben das schon mitbekommen. Nur eben anders.

Wie haben Sie die Ereignisse damals wahrgenommen?

Mein Schlüsselerlebnis hatte ich im Sommer 1989. Seit ich mich erinnern kann, sind meine Eltern in der Evangelischen Kirche aktiv und in diesem Sommer waren wir auf einer Kirchenfreizeit in Mötzow. Aber irgendetwas war anders als sonst: Man sah nur Erwachsene mit hängenden Gesichtern herumlaufen. Im Nachhinein weiß ich, dass sie damals vor einer existentiellen Entscheidung standen: Soll man das Land verlassen oder nicht? Damals wusste ich das nicht. Und plötzlich war eine der Familien weg. Da haben wir Kinder eben angefangen, nach Erklärungen zu suchen und haben uns die unglaublichsten Verschwörungstheorien ausgedacht.

Warum haben Sie Ihren Film "Sputnik" genannt?

In der ursprünglichen Fassung meiner Geschichte gab es noch einen Sputnik, der in das Dorf stürzt. Außerdem wollte ich als Kind Kosmonaut werden und habe alles gesammelt, was damit zu tun hatte. Wenn man über den echten Sputnik-Satelliten nachdenkt, ist das ja auch unglaublich: Da fliegt ein kleiner Ball um die Erde und macht ein bisschen "Piep" – und alle sind gebannt, wie kleine Kinder. Insofern steckt da auch eine gewisse Metaphorik darin: Mit Hilfe von Wellblech und einem Radiosender kann man die Welt verändern.

Mit Devid Striesow, Ursula Werner und Yvonne Catterfeld haben sie zentrale Erwachsenenrollen mit Schauspielern besetzt, die in der DDR gelebt haben. Zufall?

Meine Casterin Simone Bär hat zu mir gesagt: "Du musst ein paar Schauspieler dabeihaben, die die DDR noch selbst erlebt haben". Gleichzeitig ist es für das Marketing eines Kinoprojekts immer auch wichtig, dass namhafte Schauspieler involviert sind.

Wie sind Sie vorgegangen, um die DDR in Ihrem Film wieder lebendig zu machen?

Ich hatte ja acht Jahre Zeit, um zu recherchieren. Aber im Ernst: Am wichtigsten waren die Gespräche mit meinen Eltern. Viele Probleme in der DDR waren ja universell. Wichtig waren auch die Details beim Dreh. Nehmen wir den Beamer: Zum einen musste er so aussehen, als ob er wirklich funktionieren könnte. Zum anderen sollte es die meisten Bauteile tatsächlich so in der DDR gegeben haben, damit die Kinder die Möglichkeit gehabt hätten, an sie heran zu kommen.

Was für ein Bild von der DDR wollten Sie vermitteln?

Mir war schon im Vorfeld klar, dass das Thema "DDR im Film" sehr oft kontrovers und vor allem emotional diskutiert wird. Deshalb waren mir zwei Sachen wichtig. Erstens: Das Abenteuer der Kinder steht immer im Vordergrund. Zweitens: Die historischen Ereignisse bilden den Hintergrund und sollen nicht auf ein DDR-typisches Drama heruntergebrochen werden. Ich wollte eine DDR zeigen, die nicht nur von Stasi und Flucht geprägt ist, sondern auch von Menschen, die etwas verändern wollen. Die im Land bleiben, auch wenn sie Probleme haben – so wie beispielsweise meine Eltern damals.

Sie haben im Theater bereits für Kinder inszeniert. Was macht Ihrer Meinung nach nun einen guten Kinderfilm aus?

Ich denke gar nicht so sehr in Kategorien wie "Kinderfilm" oder "Erwachsenenfilm". Ein guter Kinderfilm sollte dementsprechend nicht nur für Kinder, sondern auch für Erwachsene funktionieren. Das Wichtigste ist aber: Man muss seine Protagonisten ernst nehmen. Nehmen wir wieder das Beispiel des Beamers in Sputnik. Wir haben uns gefragt: Wie würde man da als Kind herangehen, um sich zu erklären, wie so ein Ding funktioniert.

Es heißt, mit Kindern zu drehen, sei eine Herausforderung. Wie sind Ihre Erfahrungen?

Die Arbeit mit Kindern ist völlig anders als die mit Erwachsenen: anstrengend, aber auch total gut. Wir hatten das Glück, einen sehr guten Kindercoach zu haben. Man braucht auch einen soliden Drehplan, da man mit Kindern ja keine zehn Stunden am Stück drehen kann. Außerdem muss man sich genau überlegen, wie man szenisch auflöst, damit die Drehtage – wir hatten 36 – möglichst effizient genutzt werden können. Und man muss bereit sein, komplett auf die Bedürfnisse der Kinder einzugehen. Das Credo am Set war: Alles ordnet sich den Kindern unter, die Technik kommt erst an zweiter Stelle. Die Kamera hat sich also immer an dem orientiert, was die Kindern gemacht haben und nicht umgekehrt.

Wie verlief die Vorbereitung?

Wir haben den Kindern das Drehbuch vorab nicht zum Lesen gegeben. Stattdessen haben sie es von uns als Geschichte erzählt bekommen. Sie sollten es auch nicht zu Hause mit ihren Eltern einstudieren, sondern haben am Drehtag gemeinsam mit ihrer Betreuerin den Text gelernt. Man muss sich am Set einfach die Zeit nehmen, immer wieder alles zu erklären. Beispielsweise habe ich Flora, die im Film Friederike spielt, genau beschrieben, wie es für mich war, meine Tante zu verlieren, die damals in den Westen gegangen ist.

Wann kam es zur Idee, Archivmaterial vom Mauerfall in den Film einzubauen?

Das Archivmaterial war von Anfang an ein fester Bestandteil. Wir erzählen ja einen Film über den Mauerfall, ohne jemals wirklich an der Mauer und in Berlin zu sein. Und da der Film immer streng in der Perspektive der Kinder bleibt, die ja das Dorf nicht verlassen, mussten wir einen Weg finden, die sehr bekannten Bilder einfließen zu lassen. Da bieten sich Fernseher an. Außerdem hilft das Material zu visualisieren, in welch einer absurden Situation wir damals lebten. Und da man nach 1989 mit dem Rückbau und der Spurenverwischung sehr schnell war, braucht man heute einfach Archivmaterial, um sich die Bilder von damals wieder vor Augen zu führen.