Kategorie: Interview
"Die Leute wollen eine Geschichte sehen, die sie emotional packt."
Die Schimpansen-Regisseure Mark Linfield und Alastair Fothergill über die Entwicklung der Filmgeschichte und die Herausforderungen der Filmarbeiten im Dschungel.
Die "Schimpansen" -Regisseure Mark Linfield und Alastair Fothergill über die Entwicklung der Filmgeschichte und die Herausforderungen der Filmarbeiten im Dschungel.
Wie ist die Geschichte von "Schimpansen" entstanden?
Alastair Fothergill:
Wir wollten von Anfang an die Geschichte eines neugeborenen Schimpansen erzählen. Zum einen, weil sie sehr süß aussehen und eine emotionale Bindung zu ihnen für den Zuschauer einfach ist. Und weil es in der Natur immer einen natürlichen Spannungsbogen gibt. Wir wissen ja nicht, ob unsere Protagonisten die ersten Jahre überleben werden. Wir wussten, dass Teile der Geschichte automatisch passieren werden, wie das Knacken der Nüsse, das Angeln nach Ameisen. Das sind spezifische Verhaltensweisen. Was wir allerdings definitiv nicht ins Drehbuch geschrieben haben, ist die Adoption. Das hat uns genauso überrascht wie den Zuschauer. Aus filmischer Sicht war das natürlich großartig. So hatten wir für den Film plötzlich ein sehr emotionales Herzstück.
Ihr Film deckt die ersten sechs Lebensjahre des Schimpansen Oskar ab. Sie haben aber nur knapp zweieinhalb Jahre gedreht. Wie haben Sie das gemacht?
Alastair Fothergill:
Zum größten Teil geht es in den Film um die Adoption des kleinen Schimpansen. Wir wollten aber mit einem neugeborenen Affenbaby anfangen. Der kleine Affe in der Eröffnungssequenz ist also ein anderer. Genauso wie der etwas ältere Affe gegen Ende.
Im Film wird nicht deutlich, dass die Figur Oskar sich aus verschiedenen Affen zusammensetzt.
Alastair Fothergill:
Der Film ist zu hundert Prozent wissenschaftlich korrekt. Die Schlüsselfigur in dem Film ist ein Affe namens Viktor, den wir einfach Oskar genannt haben. Wenn die Leute ins Kino gehen, wollen sie eine Geschichte sehen, die sie emotional packt. Im Kino ist einfach kein Platz, um sämtliche Entstehungsumstände zu erklären. Wir verschleiern nichts. Ich bin sehr stolz auf den Film. Es liegt in der Natur des Tierfilmemachens, dass man Geschichten nicht immer nur mit einem Protagonisten erzählen kann. Ich habe mit dieser Art kein Problem.
Was waren die größten Herausforderungen der Dreharbeiten?
Mark Linfield:
Im Regenwald ist es unglaublich dunkel, weil das Blätterdach jedes Tageslicht abschirmt. Erst eine sehr gute Videotechnik mit digitalen Kameras und leistungsstarken Objekten für die Zum Inhalt: Nahaufnahmen erlaubte es uns, so tief im Dschungel zu filmen. Zudem ist es sehr nass und digitale Kameras mögen das nicht. Obwohl es im Dschungel ohnehin sehr feucht ist, gibt es eine Regenzeit. Unglücklicherweise ist dies genau die Zeit, in der die Affen am vitalsten sind. Das dritte große Problem ist die dichte Vegetation. Während es für die Schimpansen ein Leichtes ist, durch die Blätterwand hindurch zu kommen, war es für uns fast unmöglich. Jeder von uns hatte rund 25 Kilo Gepäck auf dem Rücken. Es war dunkel, es war nass, wir blieben im Dickicht stecken und konnten nur vermuten wo die Affen sind. Und das waren nur die technischen Herausforderungen.
Und die anderen?
Mark Linfield:
Wir mussten sehr vorsichtig sein, dass die Affen keine ansteckenden Krankheiten von uns bekommen. Wir haben uns nie mehr als sieben Meter angenähert und hatten ständig einen Mundschutz an. Das Problem ist allerdings im Dschungel: Wenn man sieben Meter von etwas entfernt ist, kann man so gut wie nichts erkennen.
Wie haben Sie das Problem gelöst?
Mark Linfield:
Auch Schimpansen haben einen Alltag. Während der Nuss-Saison haben sie die Nüsse im Wald gesammelt und sich dann immer an einem bestimmten Ort zum Essen niedergelassen. Diese Plätze kannten wir irgendwann und wir haben dann dort auf sie gewartet. Den Rest der Zeit sind wir ihnen durch den Regenwald gefolgt und haben gehofft, sie nicht aus den Augen zu verlieren.
Warum haben Sie den Kampf zwischen den rivalisierenden Schimpansen-Clans als dramatischen Höhepunkt gewählt?
Mark Linfield:
Weil es zum Leben eines jeden Schimpansen dazugehört. In der Entstehung einer Dramaturgie braucht man "Gut" und "Böse". Die Guten brauchen ein paar Hürden. Es ist natürlich ein dramaturgisches Mittel, aber es entspricht auch der Wahrheit. Schimpansen haben fast täglich Kämpfe mit anderen Clans. Eines der wichtigsten Elemente im Leben einer Schimpansengruppe ist die Verteidigung des eigenen Territoriums. Es gehört für sie zum Überlebensinstinkt.
Mit welchen filmischen Methoden haben Sie die Geschichte spannender gemacht?
Mark Linfield:
Da es in diesem Film keine Dialoge gibt, haben wir Zum Inhalt: Musik benutzt. Der Zuschauer braucht manchmal ein bisschen Hilfe, um zu sehen in welche Richtung ein Film sich entwickelt. Ohne Musik würde der Film nicht funktionieren, wäre langweilig und damit wäre unsere Arbeit umsonst gewesen.
Das Interview hat im April 2013 zunächst nur mit Mark Linfield stattgefunden. Nachdem Anfang Mai das Nachrichtenmagazin Der Spiegel in einem Bericht darauf hingewiesen hatte, dass der Film nicht die Geschichte eines einzigen Affen erzählt, zeigte sich, dass einige Aussagen von Mark Linfield dazu im Widerspruch standen. Das betraf vor allem die Entwicklung der Story sowie die Machart des Films. Anna Wollner konnte für kinofenster.de in einem zweiten Gespräch mit Alastair Fothergill Unklarheiten klären. Mark Linfield stand für ein zweites Interview nicht zur Verfügung.