Zum Filmarchiv: "Romys Salon" ("Kapsalon Romy" , Mischa Kamp, NL/DE 2019) erzählt die Geschichte der zehnjährigen Romy und ihrer Großmutter Stine, die mit fast 70 Jahren noch ihren eigenen Friseursalon betreibt, als sie an Demenz erkrankt. Konsequent aus Romys Perspektive erzählt, befasst sich der Film mitfühlend und humorvoll mit einer unheilbaren Krankheit, die für die Erkrankten wie für die Angehörigen mit großen Lebensveränderungen verbunden ist und macht die Gefühle der Enkelin ebenso nachvollziehbar wie die Empfindungen und Bedürfnisse ihrer Oma. Der Blick des Kindes ist kein naiver Blick, der ausspart oder verharmlost. Es ist kein mitleidender Blick, der dramatisiert und auch kein diskreditierender Blick, der die kranke Frau vorführt. Dem Film gelingt eine feinfühlige und aufgeschlossene Herangehensweise, die auf die belastenden wie die stärkenden Erlebnisse schaut, nachfragt und Mut macht. Für Kinder wie Erwachsene wird dabei erlebbar, dass Demenzkranke bald schon nicht mehr "die Alten" sind, aber auch, dass sich in der Krankheit neue Wege im menschlichen Zusammenleben eröffnen können.

Demenz wird in "Romys Salon" am Beispiel der Alzheimer-Krankheit vermittelt. Der Film bindet die Krankheit mit ihren drei Phasen in die Dramaturgie der Geschichte und die Beziehungsentwicklung zwischen Romy und ihrer Oma ein.

"Manchmal ist mein Kopf voll und dann ist er plötzlich leer." – Wenn sich die Krankheit bemerkbar macht

Alzheimer beginnt schleichend. Betroffene haben zunächst kleine Gedächtnislücken, verlegen immer häufiger Gegenstände und suchen nach ihnen. Einfache alltägliche Aufgaben im gewohnten Umfeld werden aber noch gut gemeistert. So ist Romy zunächst amüsiert, als sich Oma Stine mit dem Wechselgeld verzählt, die neue Kasse nicht bedienen kann und eine Verabredung vergisst. Erst mit der Zeit merkt sie, dass mit ihrer Oma etwas nicht stimmt.

Romys Salon, Szene (© Farbfilm Verleih)

Je vergesslicher Stine wird, desto öfter geht ihr Romy zur Hand. Im frühen Stadium nehmen Betroffene die Krankheit noch selbst wahr. In Romy hat Stine eine Verbündete, der sie sich anvertrauen und mit deren Hilfe sie ihre beginnende Demenz vor anderen verbergen kann. Romy wiederum freut sich, die Nachmittage nicht mehr alleine zu verbringen und Verantwortung übertragen zu bekommen. Die Anerkennung und wachsende Beziehung zu ihrer Oma stärken das Mädchen.

Auch durch Oma Stines Erzählungen über ihre Vergangenheit kommen sich die beiden näher. Während Stines Kurzzeitgedächtnis schwindet, sind ihre Erinnerungen an die Kindheit und Jugend noch präsent. Sie träumt von dem Strand ihrer Kindheit, erzählt, wie sie ihren Mann Henk kennenlernte und mischt plötzlich Worte aus ihrer Muttersprache Dänisch in die Sätze. Neugierig hört Romy zu und lernt ihre Oma besser kennen. In einer Phase, in der sich der Alltag für die Erkrankten und ihre Familien allmählich verändert, kann das Beziehungen festigen.

"Gut, dass mein Kopf festsitzt, sonst würde ich den auch noch vergessen." – Humor im Film

Ebenfalls entlastend wirkt für Romy wie die Zuschauenden, dass Oma Stine eine lebensfrohe, humorvolle Frau ist, die sich auch mal selbstironisch zu ihrem Verhalten äußert, das immer mehr jeder Logik entbehrt. So lacht man nicht über sie, sondern mit ihr. Diese Haltung setzt sich im humorvollen Erzählton des Films fort, der es ermöglicht, schwierigen Alltagssituationen zu begegnen, ohne dabei jedoch nur an der Oberfläche zu bleiben. Denn gerade der bewusst intensivierte Umgang mit Problemen hilft, diese in ihrem Kern aufzuzeigen. Wenn Stine Wechselgeld in ihrem BH verschwinden lässt oder einen Teller in den Toaster steckt, wenn Romy und ihre Mutter ein Buch im Kühlschrank entdecken oder erleben, wie Stine Romys Vater Willem mit Henk verwechselt, lädt das zum Schmunzeln ein. Diese Leichtigkeit wappnet zugleich für die nächsten Zum Inhalt: Szenen, die auch anders ausgehen können.

Romys Salon, Szene (© Farbfilm Verleih)

"Was denkst du, was ich habe? Ich hoffe, ich bin nicht dement." – Schrittweiser Kontrollverlust

Auf Romys anfängliche Amüsiertheit über Stines komisches Verhalten, folgt immer größere Sorge. In der Phase der mittelschweren Demenz lassen sich die Symptome irgendwann nicht mehr übersehen. Erkrankte wie Stine verlieren immer mehr das Zeit- und Ortsgefühl, haben Wortfindungsschwierigkeiten und benötigen im Alltag Unterstützung. Stine verliert zunehmend die Fähigkeit, ihren Beruf auszuüben, sie vergisst Termine und taucht eines Tages im Nachthemd im Salon auf. Als sie ihrer Enkelin ihren Ladenschlüssel anvertraut, erlebt Romy das als großen Vertrauensbeweis. Es wird klar, dass sie nun vielmehr auf ihre Oma aufpasst, als umgekehrt. Der Film beschreibt auch in dieser Phase auftretende Stimmungsschwankungen: Dem übermütigen Frohsinn, mit dem Stine und ihre Enkelin mit dem zwischen den Sofakissen gefundenen Geld zum Einkaufsbummel losziehen, stehen auch Stines Traurigkeit und Antriebslosigkeit in anderen Szenen entgegen.

Schließlich nimmt auch Romys Mutter die Veränderungen wahr und drängt auf einen Arztbesuch. Stine fällt es schwer, die Diagnose Alzheimer zu akzeptieren und schickt die Tagespflegerin mehrfach fort – erst noch aus Unwillen, dann aus Misstrauen und Unwissenheit.

"Was ist wichtiger: Schule oder Oma?" – Leben mit der Krankheit

Mit einem versehentlich verursachten Brand im Friseursalon und dem Umzug in ein Pflegeheim, greift der Film die Entwicklung hin zu einer schweren Demenz auf. Erkrankte sind ab diesem Stadium auf vollständige Betreuung angewiesen. Das Sprachverständnis geht verloren, Familienmitglieder werden bald nicht mehr erkannt. Romy will unbedingt, dass es ihrer Oma besser geht und fährt mit ihr heimlich nach Dänemark. Dort angekommen weiß Stine plötzlich nicht mehr, wo sie ist. Aufgebracht weist sie Romy von sich und macht sich in die Hose. Romys Salon spart auch hier die wachsenden Herausforderungen nicht aus: Romy hat Angst um ihre Oma und gelangt an ihre Grenzen. Sie muss lernen, dass sie die Krankheit nicht aufhalten kann und dass Verantwortung und Fürsorge auf viele Schultern verteilt werden muss.

Aufgefangen werden derartig belastende Erlebnisse von der im Verlauf der Geschichte gefestigten Beziehung zwischen Großmutter und Enkelin. Der natürliche Umgang mit ihrer Oma lässt Romy unbefangen auf deren Verhaltensänderungen eingehen und die passende Kommunikationsebene finden. So wie Romy wissen am Ende auch die Zuschauenden: Auch mit einem vertrauten Lied oder einer festen Umarmung lässt sich über Gefühle sprechen. Und trotz unheilbarer Krankheit kann Romy mit ihrer Oma immer noch eine schöne Zeit verbringen.

Wichtiger Hinweis:

Demenz (lat. demens "ohne Geist", "ohne Verstand") ist eine degenerative Erkrankung des Gehirns, die dazu führt, dass Menschen nach und nach ihre erworbenen kognitiven, emotionalen und sozialen Fähigkeiten verlieren. Erkrankte leiden zunächst unter Beeinträchtigung des Kurzzeitgedächtnisses, später unter Verlust des allgemeinen Denk- und Urteilsvermögens sowie der Sprach- und Orientierungsfähigkeit. Damit einhergehend sind Stimmungsschwankungen zu beobachten. Bei manchen Demenzkrankten kann es auch zu Persönlichkeitsveränderungen kommen.

Demenz zählt zu den häufigsten Krankheiten im Alter. Weltweit sind schätzungsweise mehr als 47 Millionen Menschen an Demenz erkrankt (WHO, 2015). In Deutschland liegt die Zahl bei etwa 1,7 Millionen Erkrankten (DAlzG, 2018). Allgemein wird unter verschiedenen Formen von Demenz unterschieden. Die häufigste Demenzform ist die Alzheimer-Krankheit, an der über 60 Prozent aller Demenzkranken leiden. Auch Stine Rasmussen in "Romys Salon" ist von dieser Form der Demenz betroffen. Der Verlust der kognitiven Fähigkeiten ist unter anderen auf das fortschreitende Absterben der zerebralen Nervenzellen und ihrer Verbindungen untereinander (Nervenzellkontakte) zurückzuführen. Bei etwa 20 bis 30 Prozent der Erkrankten wird eine vaskuläre Demenz diagnostiziert, die durch eine Gefäßverengung und Durchblutungsstörung des Gehirns entsteht. Sie ist, wie auch die Alzheimer-Krankheit und andere primäre Demenzen, nicht heilbar.

Die Ursachen der meisten Demenzformen sind bislang nicht ausreichend erforscht. Genetische Faktoren können eine Rolle spielen. Man geht davon aus, dass geistige Aktivität, aktive soziale Teilhabe und regelmäßige körperliche Bewegung vorbeugend wirken können.