Andreas Dresens Zum Filmarchiv: "Rabiye Kurnaz gegen George W. Bush" Film basiert auf dem realen Fall des Bremers Murat Kurnaz, der ohne Anklage unschuldig fünf Jahre lang im US-Gefangenenlager Guantanamo inhaftiert war. Die Videoanalyse untersucht, wie der Regisseur und seine Zum Inhalt: Drehbuchautorin Laila Stieler das bedrückende Thema auf komödiantische Weise umgesetzt haben.

Humor im Film RABIYE KURNAZ GEGEN GEORGE W. BUSH (© kinofenster.de, 2022)

Im Folgenden können Sie die Videoanalyse auch im Textformat nachlesen:

Bernhard Docke: "Hier ist eine Mutter, die hat ihren Sohn seit dreieinhalb Jahren nicht gesehen." Sprecher: Insgesamt fünf Jahre war der Bremer Türke Murat Kurnaz ohne Anklage im US-Gefangenenlager Guantanamo interniert. Rabiye Kurnaz: "Camp X-Ray."

Diesem realen Fall widmen sich der Regisseur Andreas Dresen und die Autorin Laila Stieler in komödiantischer Form. Bernhard Docke: " … symbolisch haben wir ihm die Petition überreicht." – Rabiye Kurnaz: "Aber wir sind ja nicht mal bis Pförtner gekommen!" – Bernhard Docke: "Genau hier ... hat Martin Luther King seine berühmte "I Have a Dream"-Rede gehalten."

Sprecher: Die Besetzung der Titelrolle mit der Stand-up-Komikerin Meltem Kaptan gibt die Richtung vor. Rabiye Kurnaz: "Ich bin gleich vorm Fernseher. Ich verdecke jetzt."

Sprecher: Die Basis für den Humor ist der Wechsel der Perspektive. Es geht nicht um die Schilderung der Gefangenschaft und Folter von Murat, sondern um dessen Mutter Rabiye. Bernhard Docke: "Es geht darum, dass wir die Öffentlichkeit auf unsere Seite kriegen. Sie müssen nichts zahlen. Die Menschenrechtsorganisation übernimmt alle Reisekosten." – Rabiye Kurnaz: "Aber was soll ich dabei?"

Sprecher: Im Kampf um die Freilassung ihres Sohns steht der deutschtürkischen Hausfrau der norddeutsche Anwalt Bernhard Docke zur Seite. Bernhard Docke: "Ach, wir haben telefoniert?" – Rabiye Kurnaz: "Nicht direkt, von Telefonbuch, ich... ich hab..." – Bernhard Docke: "Ach, Sie haben mich im Telefonbuch gefunden?" Sprecher: Die figurenzentrierte Komik speist sich aus der Gegensätzlichkeit der Charaktere. Bernhard Docke: "Lassen Sie sich doch bitte nen Termin geben." – Rabiye Kurnaz: "Bitte, Sie müssen mein Sohn helfen. Er sitzt Gefängnis, ganz weit weg, aber ich glaub nicht, dass er was gemacht hat. Der Sedad wars, der hat sein ganze..." – Bernhard Docke: "Ja ja, das können wir alles zeitnah, sobald Sie sich einen Termin..." – Rabiye Kurnaz: "Heute kommt Brief von ihm, wissen Sie, von Rotes Kreuz. Endlich. So schön schreibt er, aber traurig auch." – Bernhard Docke: "Bitte, lassen Sie sich einen Termin geben."

Sprecher: Der Fokus auf die Figuren zeichnet den Film als Charakterkomödie aus. Bernhard Docke: "Sie hätten ja auch ruhig mal vorgehen und auch mit den Journalisten sprechen können." – Rabiye Kurnaz: "Was hätt ich denn da sagen sollen?" – Bernhard Docke: "Naja, wer Sie sind, und warum Sie hier sind und..." – Rabiye Kurnaz: "Das weiß ich ja selbst nicht." – Bernhard Docke: "Und das ist Abraham Lincoln, einer der bedeutendsten Präsidenten der Vereinigten Staaten …"

Sprecher: Der Humor entsteht auch durch das Spiel mit Klischees, wenn Rabiye außerhalb ihres gewohnten Umfelds agiert. Dazu gehört Sprachwitz. Rabiye Kurnaz:: "Und was heißt Rabiye Kurnaz vs. George W. Bush?" – Bernhard Docke: "Na, dass du gegen den Präsidenten der Vereinigten Staaten klagst." – Rabiye Kurnaz:"Wer, ich?" – Bernhard Docke: "Ja, du." – Rabiye Kurnaz: "Und da sagt Nuriye immer zu mir: Auch wenn das Kamel vierzigmal nach Mekka geht, wird es kein Haji" – Bernhard Docke: "Schuster, bleib bei deinen Leisten." – Rabiye Kurnaz: "Schuster?" – Bernhard Docke: "So ist das deutsche Sprichwort." – Rabiye Kurnaz: "Wie Schuhe, ja? Auch gut." – Bernhard Docke: "Naja, ich halte so viel davon nicht." – Rabiye Kurnaz: "Ach, ich auch nicht, Bernhard. Manches Kamel wäre sicher ein besserer Haji … oder Präsident."

Sprecher: Die komödientypisch helle Ausleuchtung (Glossar: Zum Inhalt: Licht und Lichtgestaltung) und die Zum Inhalt: Musik prägen die positive Grundstimmung. Rabiye Kurnaz: "Bernhard, echt jetzt!"

Sprecher: Bei den Reisen in die USA wird der Film zur "fish-out-of-water"- Zum Inhalt: Komödie mit Rabiye auf ungewohntem Parkett. Rabiye Kurnaz: "Gefällt mir, ab jetzt flieg ich immer Business." Rabiye Kurnaz: "Ist gratis? Dankeschön." Sprecher:

Rabiyes Verhalten verursacht immer wieder Situationskomik. Rabiye Kurnaz: "Wieso flüstern Sie überhaupt?" – Bernhard Docke: "Weil das hier ein Schweigemarsch ist." Sprecher: Allerdings ist "Rabiye Kurnaz gegen George W. Bush" keine reine Komödie, sondern tragikomisch. Die Figuren wachsen über ihren Humor ans Herz. Die spätere Dramatik wirkt deshalb umso eindringlicher, verstärkt durch melancholische Gitarrenmusik (Glossar: Zum Inhalt: Filmmusik). Im Ergebnis wird die Zum Inhalt: Inszenierung der Tragik des wahren Falls durchaus gerecht.