Als im Jahr 1998 der Film von Tony Scott herauskam, war der US-amerikanische Geheimdienst NSA einer breiteren Öffentlichkeit noch weitgehend unbekannt. Die Anschläge vom 11. September 2001 lagen noch in der Zukunft, ebenso der sogenannte Patriot Act, ein US-amerikanisches Bundesgesetz, das in Reaktion auf den Terrorismus die Kompetenzen der Geheimdienste zur Überwachung von Menschen und Kommunikation stark ausweitete. In vielerlei Hinsicht nahm der Zum Inhalt: Actionthriller eine Situation vorweg, die dann in den 2000er-Jahren immer stärker ins allgemeine Bewusstsein rückte: dass nämlich der schützende Staat eben auch ein zudringlicher sein kann und dass die technischen Möglichkeiten zur Überwachung potenziell auf eine gefährliche Einschränkung der Bürgerrechte hinauslaufen.

Im Visier des Überwachungsapparats

In dem Zum Inhalt: Drehbuch von David Marconi werden die verschiedenen Zugriffsmöglichkeiten mit fast schon ironischer Deutlichkeit kontrastiert: Die entscheidende Aufnahme, auf der ein Mord an einem Politiker zu sehen ist, findet sich zufällig auf dem Video eines Ornithologen. Dieses wichtige Objekt und der Anwalt, der es in die Hände bekommt, geraten nun selbst ins Visier eines Überwachungsapparats, der geradezu allmächtig wirkt. Regisseur Tony Scott macht dies vor allem mit Zum Inhalt: Satellitenaufnahmen deutlich, deren hohe Auflösung zum Entstehungszeitpunkt des Films noch relativ neu war und deren Effekt des " Zum Inhalt: Hineinzoomens" perfekt den aggressiven Kontrollblick auf unbotmäßige Individuen widerspiegelt.

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In den Filmen der -Serie (USA 2002-2016) wurde dieser Effekt dann regelrecht ausgereizt, vor allem zu Beginn des vierten Teils "Das Bourne Vermächtnis" (USA 2012), wenn der Agent Aaron Cross in Alaska vor einer Drohne davonzulaufen versucht, die ihn vor allem deswegen so hartnäckig verfolgen kann, weil sie ihn als Wärmebild sieht. In den Bourne-Filmen ist es der US-Auslandsgeheimdienst CIA, der rechtsstaatliche Grundsätze überschreitet und mit den neuesten technischen Möglichkeiten Zugriff auf widerspenstige Agenten oder unbescholtene Bürger sucht.

Verdachtsmomente im fotografischen Bild

Das Kino hat sich schon häufig mit seinem eigenen "durchdringenden" fotografischen Blick beschäftigt. Besonders berühmt ist Zum Filmarchiv: "Blow Up" von Michelangelo Antonioni geworden, weil sich hier die Zufälligkeit einer Aufnahme mit den Ambivalenzen des Hineinlesens verknüpft. Ein Bild aus einem Park, auf dem (vielleicht und verschwommen) ein Mord zu sehen ist, muss so lange vergrößert werden, bis es beinahe abstrakte Kunst ist. Das Vergrößern (auf Englisch: blow-up) ist die Entsprechung zum Zoom – beides gerät irgendwann an die Grenzen der Auflösung. Noch bevor man aber auf diese Weise in die Bilder eindringt, ist dem fotografischen Bild auch schon eine Dimension des Verdachts eigen, wie man am besten an dem unvergesslichen Beginn von Michael Hanekes sehen kann: Ein Unbekannter richtet hier eine Kamera auf das Haus einer Pariser Familie. In den Bildern ist nichts Besonderes zu sehen, aber man sieht sie sich unwillkürlich mit Argwohn an. Irgendetwas Auffälliges müssen die Bilder doch zeigen, andernfalls ergeben die Aufnahmen keinen Sinn.

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Verbrechensprävention als Dystopie

Überwachungsbilder sind in der Regel Aufnahmen auf Vorrat, die hinterher etwas zeigen sollen, was dann eines Beweises oder eines genaueren Aufschlusses bedarf. Schon lange aber gibt es die Vorstellung, dieses Verfahren umzudrehen, also Bilder zu produzieren, die etwas schon vorher wissen lassen, was dann gegebenenfalls zu verhindern ist. In den Geschichten des US-amerikanischen Science-Fiction-Autors Philip K. Dick tauchen vielfach sogenannte "Precogs" auf, also Menschen mit hellseherischen Fähigkeiten. Eine dieser Geschichten mit dem Titel "The Minority Report" aus dem Jahr 1956 hat Steven Spielberg 2002 mit Tom Cruise in der Hauptrolle Zum Inhalt: verfilmt. In der Welt von hat man aus den Fähigkeiten der Precogs das staatliche System Precrime gemacht, das präventiv gegen vorhergesehene Morde vorgeht. Wie so oft im Zum Inhalt: Science-Fiction-Film ist dieses System vor Missbrauch nicht gefeit und nimmt totalitäre Züge an.

Digitale Gesellschaft, totale Transparenz

Der Übergang von solchen Zukunftsfantasien in eine technische Realität, in die wir heute mit unserer Datenproduktion laufend eingebunden werden, vollzieht sich wie von selbst in der digitalen Kultur: Diese zeichnet sich zwar durch "Disruptionen" (also grundlegende Umbrüche im Lebensstil und in den Geschäftsmodellen) aus, lässt die permanente revolutionäre Veränderung unserer Informationsökosysteme aber kaum merklich wirken. Der Film Zum Filmarchiv: "The Circle" auf Grundlage des gleichnamigen Buches von Dave Eggers versucht nicht weniger, als all diese Phänomene möglichst anschaulich zusammenzufassen: Eine junge Frau namens Mae, die eine Stelle bei einem Silicon-Valley-Giganten (einer Art Super-Google) antritt, wird schnell zur Botschafterin des Unternehmens für digitale Transparenz, indem sie ihr ganzes Leben per Live-Stream in die sozialen Netzwerke überträgt. Zudem schlägt sie vor, dass durch ein neues Tool selbst demokratische Wahlen noch mit dem Datengiganten kurzgeschlossen werden sollen. Und selbst das Verfahren "Soul Search" – ein durch die Social-Media-Öffentlichkeit gesteuertes Überwachungs-Instrument, mit dem der Film die Verletzungen der Privatsphäre stark überspitzt – erscheint Mae zufolge in erster Linie für mehr Sicherheit vor Kriminalität zu sorgen. "The Circle" ist zweifellos eine etwas plakative Satire über die Gefahren der Digitalisierung, endet aber mit einer klugen Pointe: Warum sind eigentlich immer nur die User "gläsern", während die Executives der Internet-Firmen sich unangreifbar machen?

The Circle, Filmszene (© Universum)

Genetische Kontrolle und "perfekte" Menschen

Bei allen diesen Beispielen geht es letztendlich um die Fehlbarkeit technischer Systeme und um die Bewahrung menschlicher Spielräume. Einen Spezialfall der präventiven Informationsverarbeitung stellt die Genetik dar, die inzwischen in der Lage ist, das Erbmaterial auf Faktoren wie Krankheiten, die potenzielle Leistungsfähigkeit und Lebenserwartung hin zu untersuchen (und entsprechende Selektionen vorzuschlagen). Der Science-Fiction-Film von Andrew Niccol aus dem Jahr 1997 ist in diesem Zusammenhang auf eine ähnliche Weise prognostisch wie "Der Staatsfeind Nr. 1" . Die Hauptfigur Vincent gehört aufgrund ihres genetischen Profils einer Gruppe an, die als "Invaliden" bezeichnet werden. Die Lektüre von Vincents Genom deutet darauf hin, dass er später einmal Probleme mit dem Herzen bekommen wird. Außerdem ist sein Sehvermögen nicht perfekt. Vincent möchte Astronaut werden, was durch seine Disposition aber ausgeschlossen ist. Er verschafft sich eine alternative genetische Identität, um das System zu überlisten. "Gattaca" plädiert auf romantische Weise für eine Humanität, die in einer nach Perfektion und vorausschauender Selektion von nicht-perfekten Menschen ("Invaliden" sind eben nichts "wert") strebenden Welt notwendig dissident wird. So sehr sich das Kino in vielen Filmen inzwischen selbst den durchdringenden Blick der Überwachungsapparaturen zu Eigen gemacht hat, bleibt es doch an den menschlichen Faktor gebunden: Über unfehlbare Figuren lässt sich nicht viel erzählen.

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