Jens Schanze, 1971 in Bonn geboren, studierte zunächst Forstwissenschaften an der LMU München, wechselte dann aber als freier Mitarbeiter in die Fernsehredaktion des Bayerischen Rundfunks. 1995 nahm er ein Studium an der Hochschule für Fernsehen und Film München (HFF) auf, das er mit dem Zum Inhalt: DokumentarfilmDokumentarfilm Winterkinder - Die schweigende Generation (Deutschland 2005) abschloss.

Was war der Auslöser für Ihre Beschäftigung mit dem Thema "Künstliche Intelligenz"?

Der Auslöser war ausschließlich Joseph Weizenbaum, den ich 2005 kennen gelernt habe. Zu dem Thema "Künstliche Intelligenz" hatte ich zunächst keinen Zugang. Weizenbaum hat es quasi mitgebracht. Wir haben uns danach entschlossen, kein reines Porträt über ihn zu drehen, sondern den ganzen thematischen Hintergrund einzuschließen.

Was hat Sie an Joseph Weizenbaum fasziniert?

Joseph Weizenbaum ist ein sehr guter Geschichtenerzähler, dem man gerne zuhört. Aber vor allem vertritt er seine Ideen, die mit seiner Lebensgeschichte und seinen Erfahrungen zu tun haben, mit einer natürlichen Autorität. Er strahlt eine sehr große Authentizität aus. Das heißt, es gibt eine Übereinstimmung, zwischen dem, was er sagt, und dem, was er als Mensch verkörpert. Das findet man nicht häufig.

Es gibt viele religiöse Anspielungen in Zum Filmarchiv: "Plug & Pray". Ist die Auseinandersetzung mit Maschinenmenschen für Sie ein religiöses Thema?

Weizenbaum selbst, die italienischen Forscher und andere Mitwirkende haben unabhängig von einander den religiösen oder spirituellen Aspekt in den Film hineingebracht. Aber auch Ray Kurzweil, wenn es um die Frage nach Leben und Tod oder um das ewige Leben geht: Seiner Meinung nach dient die Religion dazu, mit dieser Tragödie, die der Tod für ihn bedeutet, fertig zu werden. Im Zuge des wissenschaftlichen Fortschritts verliert der Tod laut Kurzweil an Bedeutung und auch die Religion wird überflüssig. In meinem Leben ist, wie wahrscheinlich bei jedem Menschen, die Frage nach dem Tod und nach der Schöpfung auch wichtig - und darum geht es letztendlich in meinem Film.

Gab es eine Technik, die Ihnen Angst gemacht oder Sie beunruhigt hat?

Das Potenzial dieser Technologien für die militärische Nutzung kann berechtigte Sorgen bereiten, zum Beispiel autonome Maschinen, die in Kriegssituationen Entscheidungen treffen sollen. Wenn man den Aussagen von Vertretern des Pentagons Glauben schenken darf, dann ist es nicht eine Frage, ob es diese geben wird, sondern wann. Nimmt man die Ideen von Ray Kurzweil ernst, dann sind auch diese für mich absolut nicht erstrebenswert. Ich finde das Ziel, den biologischen Tod zu überwinden, sehr bedrohlich.

Was müsste Ihrer Meinung nach in einem Kodex für Forscher stehen, die sich mit Künstlichen Intelligenzen beschäftigen?

Es ist sehr schwierig, für andere Regeln aufzustellen. Deswegen bezweifle ich zum Beispiel auch, dass es wirksame gesetzgeberische Maßnahmen geben kann, die gewährleisten, dass bestimmte ethische oder moralische Grenzen in der Wissenschaft nicht überschritten werden. Ich glaube, es geht letztendlich immer um eine Selbstbeschränkung desjenigen, der an etwas arbeitet - und zwar nicht im negativen Sinn. Die beste Formulierung, die ich bis jetzt gefunden habe, stammt von Studenten der Pugwash-Bewegung: Die Forscher geloben, darauf zu achten, ihre wissenschaftlichen Erkenntnisse immer zum Wohl der Menschheit einzusetzen, unabhängig davon, ob das Auswirkungen auf ihre Karriere hat oder nicht.

Welche Wirkung erhoffen Sie sich von dem Film, vor allem auf ein jugendliches Publikum?

Durch die Begegnung mit Weizenbaum ist mir der Einfluss klar geworden, den Wissenschaftler auf mein persönliches Leben haben. Alles, was ich tagtäglich benutze oder womit ich mich beschäftige - nicht nur Technik -, sind Produkte, die auf die Ideen von Wissenschaftlern zurückgehen. Ich wünsche mir, dass dieses Bewusstsein sich weiter verbreitet, dass kritisch hinterfragt wird, ob man an einer technischen Entwicklung partizipieren möchte oder nicht, dass man sich die Freiheit zurückerobert, ja oder nein zu sagen. Denn diese gibt es. Das Bewusstsein dafür ist in dem - jetzt fange ich an, dogmatisch zu werden - Konsumwahn verloren gegangen. Ich glaube, solche bewussten Entscheidungen würden unsere Welt vielfältiger machen und etwas mehr Raum für das humanistische Gedankengut geben. In dieser Hinsicht folge ich Weizenbaums großer Befürchtung: dass der Mensch anfängt, sich selber nicht mehr als Mensch, sondern als Maschine zu betrachten. Und die Basis dafür ist dieses unglaublich große Vertrauen darauf, dass es für die Probleme der Menschheit, egal auf welchem Gebiet, technische Lösungen gibt.