Vorbei sind die Zeiten, in denen Tierdokumentarfilme nur aus weiter Entfernung und mit statischer Kamera ihre Bilder einfangen konnten. Insbesondere die stetige Entwicklung leichter und kleiner digitaler Kameras hat dieses Genre des Dokumentarfilms mittlerweile gehörig entstaubt und daraus geradezu das Gegenteil gemacht: Eventkino, das so nahe an Tiere heranführt, wie es vorher kaum möglich war. Exemplarisch führt Zum Filmarchiv: "More than Honey" von Markus Imhoof vor, welcher Techniken sich die Kameraarbeit in aktuellen Tierdokumentarfilmen bedient und welche Wirkung sich daraus ergibt.

Wie im Flug

Klingt das Leitthema "Bienensterben" von Zum Filmarchiv: "More than Honey" noch nach trockenem Sachbuch oder Unterrichtsstoff, so gelingt es dem Film nicht zuletzt durch spektakuläre Aufnahmen, das Leben der Insekten aus einer ganz anderen, ungewöhnlichen Perspektive zu zeigen. Parallel zu den Bienen fliegt die entfesselte Kamera durch die Luft – und zeigt dabei nicht etwa nur winzige Punkte am Himmel, sondern gestochen scharfe Zum Inhalt: Großaufnahmen. Eine auf einem ferngesteuerten Minihelikopter montierte Kamera hat manche dieser Bilder eingefangen. Und die Zum Inhalt: Montage der Luftaufnahmen erweckt schließlich den Anschein, als seien die Zuschauer/innen live dabei, mitten im Schwarm der Bienen.

Jungfernflug einer Bienenkönigin, © Senator Film Verleih

So erweist sich vor allem jene Szene als besonders eindrucksvoll, in welcher der Jungfernflug einer Bienenkönigin gezeigt wird, die im Flug von Drohnen begattet wird. Die Kamera wechselt dabei von der Perspektive der menschlichen Beobachterinnen am Boden hin zu einer neutralen Sicht der fliegenden Königin oder mischt sich wie in einem Actionfilm direkt in den Schwarm, wodurch sie vor den Bienen herzufliegen scheint. Dass die ungemein schnellen Bewegungen der Bienen dabei für das menschliche Auge überhaupt erkennbar sind, wurde durch eine Hochgeschwindigkeitskamera erreicht, die mit bis zu 300 Bildern pro Sekunde filmt. Werden diese in der üblichen Geschwindigkeit von 24 Bildern (Film, DCP und Blu-ray) oder 25 Bildern (PAL-DVD) wiedergegeben, so entsteht in diesem Fall für das menschliche Auge ein natürlicher Bewegungseindruck – obwohl es sich streng genommen um eine extreme Zum Inhalt: Zeitlupe handelt. Eine große Brennweite sowie ein lichtstarkes Objektiv mit großer Blendenöffnung führen wiederum dazu, dass die Biene wie in einer Portraitaufnahme "freigestellt" wird und sich von dem verschwimmenden Bildhintergrund deutlich abhebt.

Nicht manipuliert, aber inszeniert

So unglaublich sind die Bilder zunächst, dass man sich einen Moment lang fragt, ob hier nicht mit einem Zum Inhalt: Computertrick gearbeitet wurde. Tatsächlich wurde Imhoof angeboten, für solche Szenen auf digitale Bienen zurückzugreifen, die die Realität simulieren. Letztendlich aber lebt Zum Filmarchiv: "More than Honey" gerade davon, dass die Bilder an sich nicht manipuliert wurden. Auf dramaturgische Tricks jedoch verzichtet die Inszenierung dennoch nicht. In wenigen Szenen – etwa wenn die ausschwärmenden Killerbienen gezeigt werden – imitiert die Kamera den vermeintlichen Blickwinkel der Biene ( Zum Inhalt: point-of-view-shot). Damit verlässt sie ihren beobachtenden Standpunkt, erhöht jedoch die immersive Wirkung auf das Publikum beträchtlich.

Ein Killerbienenschwarm auf der Suche nach einer neuen Heimat, © Senator Film Verleih

Operation Bienenstock

Ganz ähnlich verhält es sich mit den aufwändigen Zum Inhalt: Kamerabewegungen, die auf engstem Raum in einer Bienenwabe entstanden sind. Hektisches Treiben herrscht darin, kurz bevor die Königin schlüpft. Die Kamera führt unterdessen eine Zum Inhalt: Kreisbewegung aus und dreht sich um die Weiselzelle. Dadurch entsteht eine Dynamik, die für das Auge ansprechend und elegant wirkt und zugleich symbolisch darstellt, wie sehr die Königin im Bienenstaat im Mittelpunkt steht. Die Kamera wartet nicht mehr nur, bis sich vor ihrer Linse etwas abspielt, sondern gestaltet die Szene aktiv mit. Erst als die Königin ihre Zelle verlässt, wird die Kameraführung ruhiger.
Makroobjektive und spezielle Endoskopkameras, wie sie vor allem in der Medizin verwendet werden und jüngst auch in (Jan Haft, Deutschland 2012) eingesetzt wurden, ermöglichen Zum Inhalt: Großaufnahmen der Bienen, die jegliche Details von deren Körpern zeigen können – von der Struktur der Facettenaugen über die Fühler und Mundwerkzeuge bis hin zu den Haaren, in denen sich Pollen verfangen haben. Doch zugleich werfen diese Kameras auch ein altbekanntes Problem auf, gerade weil sie den Tieren so nahe kommen und diese als Fremdkörper allein durch ihre Anwesenheit stören können. Um das natürliche Verhalten dennoch beobachten und dokumentieren zu können, ist daher besondere Umsicht notwendig – vor allem, wenn die gewünschten Aufnahmen nur unter Studiobedingungen möglich sind.

Dürfen Dokumentarfilme das?

Einige Szenen aus Zum Filmarchiv: "More than Honey" wurden aus diesem Grund in einem eigens gebauten Bienenstudio mit 15 Bienenvölkern und einer so genannten Manipulierwabe gedreht. In diesem entstand auch die Szene, die die Innenansicht einer Wabe während eines Transports durch die USA zeigen soll. Dramaturgisch ist dies durchaus gerechtfertigt, wird doch auch dadurch der Eindruck der Unmittelbarkeit verstärkt. Andererseits jedoch ordnet der Film die Bilder, die im strengen Sinne nicht dorthin gehören, damit seiner Erzählung unter. Die faszinierenden Aufnahmen haben somit auch ihren Preis.

Faszination statt belehrendem Zeigefinger

Respekt, Faszination und Ehrfurcht als Ersatz für den mahnenden Zeigefinger – nach diesem Prinzip funktionieren aktuelle Tierdokumentarfilme wie Zum Filmarchiv: "More than Honey". Sie setzen auf die Kraft und die Schönheit ihrer Bilder und sprechen nicht nur den Verstand des Publikums, sondern auch die Emotion an. Wer die Tiere einmal aus dieser Nähe gesehen hat, wer scheinbar live dabei war, wenn die Bienen in Zum Filmarchiv: "More than Honey" durch die Luft fliegen, die Löwen und Geparde in (Alastair Fothergill, Keith Scholey, USA 2011) in der Savanne jagen, die Meeresschildkröten in (Nick Stringer, Deutschland, Großbritannien 2008) durch den Ozean schwimmen, dessen Verhältnis zur Umwelt sollte sich auch verändert haben. Es wäre schön, wenn der Beitrag des Kinos zum Umwelt- und Artenschutz so aussehen könnte. Der Erfolg der Tierdokumentarfilme an den Kinokassen und die große Beliebtheit sprechen jedenfalls dafür, dass ihre Bilder nicht wirkungslos verpuffen.

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