Kategorie: Interview
"Wir können von den Bienen lernen, das Gesamtwohl im Auge zu behalten."
Ein Gespräch mit dem Regisseur Markus Imhoof zum Start seines neuen Dokumentarfilms More than Honey.
Ein Gespräch mit dem Regisseur Markus Imhoof zum Start seines neuen Dokumentarfilms "More than Honey" .
Markus Imhoof, geboren 1941 in Winterthur, besuchte die Filmschule an der Schule für Gestaltung Zürich. Seine Filme "Fluchtgefahr" (1974) und "Tauwetter" (1977) verschafften dem Schweizer Film in den 1970er-Jahren internationale Beachtung. Seine Literaturverfilmung "Das Boot ist voll" (1980) wurde bei den Internationalen Filmfestspielen Berlin 1981 mit dem Silbernen Bären ausgezeichnet. Neben seiner Filmarbeit ist Markus Imhoof für seine Opern- und Schauspielinszenierungen bekannt.
Herr Imhoof, die Begeisterung für Bienen liegt bei Ihnen in der Familie: Schon Ihr Großvater war Imker. Was war der aktuelle Anlass, sich dem Thema zuzuwenden?
Mich hat das weltweite Bienensterben beunruhigt, das seit einigen Jahren zu beobachten ist. Und da meine Tochter und mein Schwiegersohn als Bienenforscher arbeiten, saß ich direkt an der Quelle der Information. In unserer Familie sind Bienen ein zentrales Thema und das Bienensterben ein oft diskutiertes Problem. Vielen anderen Menschen ist das Ausmaß dieses Problems bisher aber gar nicht bewusst. Das wollte ich ändern.
Sie sind für Ihren Film um die ganze Welt gereist und zeigen die relativ intakte Natur der Schweizer Alpen genauso wie öde, chemieverseuchte Landstriche in China, in denen es gar keine Bienen mehr gibt und die Menschen die Obstbäume per Hand bestäuben.
Ich wollte zeigen, dass man das nicht trennen kann. Außerdem ist das Schweizer Idyll ja auch gar nicht so idyllisch, denn dort sterben die Bienen auch – an Inzucht. Mir ging es um die Frage, ist der Mensch ein Bestandteil der Natur oder ist er der Diktator oder im schlimmsten Fall sogar der Parasit der Natur? Nur der dümmste Parasit bringt seinen Wirt um. Sogar ein Parasit würde achtsamer umgehen mit der Welt als die Menschen es seit vielen Jahren tun. Wenn wir uns als Teil der Natur verstehen würden, dann wäre das mit dem Zusammenspiel von verschiedenen Solisten in einem Orchester zu vergleichen. Jeder muss hören, was der andere spielt, damit daraus gemeinsame Musik wird. Das ist die Vision, die ich habe, und ein Denkanstoß, den der Film geben möchte.
Sie haben ganz unterschiedliche Menschen getroffen, die alle mit und von Bienen leben. Wer ist Ihnen am nachdrücklichsten im Gedächtnis geblieben?
Am meisten fasziniert hat mich der Imker, der mit den Killerbienen arbeitet. Killerbienen sind das Ergebnis einer Kreuzung oder eines Laborunfalls. Sie sind aggressiver als die normalen Bienen, aber auch selbstständiger und sie haben den großen Vorteil, dass sie nicht krank werden, also nicht von dem Bienensterben betroffen sind. Die Killerbienen werden uns alle überleben. Mir gefällt an ihnen, dass sie sich nicht alles gefallen lassen. Um ihre großartigen wilden Nester wie das an der steilen Felswand zu filmen, haben wir einen großen Aufwand getrieben.
Ihre Kameraführung ist beeindruckend. Es gelingt Ihnen tatsächlich, das Publikum mit hinein in den Bienenstock zu nehmen und sogar die Bienen im Flug zu filmen. Wie haben Sie diese Aufnahmen gemacht?
Wir hatten Minihelikopter mit ferngesteuerten Kameras. Viele haben gesagt, das ist viel zu kompliziert, ich sollte doch lieber eine Zum Inhalt: animierte 3D-Biene nehmen, die kann alles und sticht nicht. Aber das wollte ich auf keinen Fall, ich wollte echte Bienen. Und das macht natürlich Arbeit. Für die Szene, in der man die Begattung der Königin im Flug sieht, haben wir einen Turm für die Kamera an einem Drohnensammelplatz gebaut. Eigentlich findet die Begattung auf 30 Meter Höhe statt, aber das war kaum zu schaffen, also haben wir einen 10 Meter hohen Turm gebaut und die Drohnen dann mit einem Wetterballon mit Königinnenduftstoffen herunter gelockt und so konnten wir diese Begattung filmen. Das war über eine Woche Arbeit für 36 Sekunden Film.
Einerseits kritisieren Sie, dass die die Menschen die Bienen zum eigenen Nutzen manipulieren, andererseits haben sie das teilweise auch getan, um diesen Film drehen zu können. Wie gehen Sie mit diesem Spagat um?
Es ist wirklich ein Spagat. Ich reise ja auch in der ganzen Welt herum, um dann allen zu sagen, man sollte ein bisschen weniger fliegen. Aber das ist ja genau das Thema: Jeder ist beteiligt, man kann nicht einfach sagen, der böse amerikanische Imker ist schuld! Wir alle sorgen mit unserem Verhalten dafür. Wir sind alle ein Teil des Problems, dass sich nur lösen lässt, wenn alle mitmachen.
Was können die Menschen Ihrer Meinung nach von den Bienen lernen?
Das kann man nicht so Eins-zu-eins übersetzen. Bienen handeln teilweise auch sehr grausam, sie töten zum Beispiel vor dem Winter die Drohnen, weil sie nur nutzlose Esser wären. Aber die grundsätzliche Richtung, eher das Gesamtwohl als das Individualwohl im Auge zu behalten, da könnten wir schon ein bisschen was lernen.