kinofenster.de: Wie muss man sich die Arbeit einer Entwicklerin oder eines Entwicklers vorstellen?

Nesch'et Al-Zubaidi: Der Arbeitsprozess beginnt mit einem Zum Inhalt: Plot, einem Script, (Glossar: Zum Inhalt: Drehbuch) einer Idee. Wenn die Geschichte und die Charaktere existieren, machen wir uns Gedanken über die "Sets", die Welt der Figuren. Danach beginnen das "Casting" und das Charakter-Design.

Miriam Fritz: Das kann unterschiedlich lange dauern. Manchmal gelingt eine Figur gleich beim ersten Zeichenentwurf, manchmal ist man lange auf der Suche nach ihr.

Nesch'et Al-Zubaidi: Wenn Script und "Look" grob stehen, wird das Storyboard entworfen, genau wie beim Realfilm.

Miriam Fritz: Das sind einzelne Bildfolgen – wie in einem Comic. Die werden abgefilmt, um zu überprüfen, ob das Timing stimmt. Dann folgen erste Sprachaufnahmen. Die erste Grobfassung des Films nennen wir "Leica Reel". Wir legen hier unter anderem fest, wie die Figuren von verschiedenen Seiten betrachtet ausschauen. Eine Figur muss ja immer gleich aussehen, auch wenn mehrere Animatoren an ihr arbeiten.

kinofenster.de: Worin liegen die Unterschiede, um eine Figur im 2D- oder 3D-Verfahren zu animieren?

Mario Kuchinke-Hofer: Angenommen wir haben eine Zum Inhalt: Szene, in der eine Figur gegen einen Baum rennt. Im 2D-Verfahren muss jedes wichtige Stadium der Aktion gezeichnet werden. Diese Bilder werden in den Computer eingescannt, um zu bestimmen, wie lange eine Szene dauert und um die Zwischenbilder zu ermitteln. Der Animator zeichnet ja nicht jede Bewegungsphase, sondern vielleicht jede zehnte Phase. Eine Figur im 2D-Verfahren herzustellen ist kompliziert, ich muss sie bewegen, in vielen Posen darstellen. Der Hintergrund kann gleich bleiben, die Bewegungsphasen der Figur müssen gezeichnet werden. Früher wurde der Hintergrund auf den Tricktisch gelegt und darüber kamen die Animationsfolien. Das geschieht mittlerweile per Computerprogramm: Auf der untersten Ebene von Photoshop ist der Hintergrund, darüber liegen dann die 2D-Animationen – zwar digitalisiert, aber immer noch in Handarbeit hergestellt (Glossar: Zum Inhalt: Digitalisierung)

Nesch'et Al-Zubaidi: Bei der 3D-Animation (Glossar: Zum Inhalt: 3D-Technik/Stereoskopie)zeichnet keiner mehr. Da wird die Figur als Drahtgittermodell digital definiert und auf "3D-Pfaden" frei bewegt, wenn bestimmte Schlüsselpositionen festgelegt worden sind. Der Film spielt in einer dreidimensionalen Parallelwelt. Ist das Set einmal gebaut, die Figur modelliert, kann man darin, ähnlich wie eine Kamera beim Realfilm, "herumschwenken". Bei 3D-Filmen wie Zum Filmarchiv: "Madagaskar 2" kann niemand die Figur zerstören, sie ist fest, hat ein unveränderbares "Skelett".

Miriam Fritz: Eine 3D-Figur zu bauen ist aufwendig, spart aber später Arbeitsschritte und Zeit.

Nesch'et Al-Zubaidi: Programmierer spielen eine größere Rolle, die ganze Technik, beispielsweise wie ein "Skelett" gebaut wird, ist sehr wichtig. Die Studios haben alle ihre eigenen Systeme entwickelt, nur die Grundtechnik ist gleich.

kinofenster.de: Wie lange dauert die Realisierung eines Animationsfilms?

Miriam Fritz: Drei bis vier Jahre. Allerdings wird es immer schwerer, Gelder für 2D-Filme aufzutreiben – alle wollen 3D-Animationen.

Nesch'et Al-Zubaidi: Die Kosten sind hoch, beispielsweise die Serververbindungen. Ein Studio allein kann einen Film aufgrund der riesigen Datenmengen kaum stemmen.

Der technische Aspekt spielt bei 3D-Animationen eine große Rolle. Bleibt die Kunst auf der Strecke?

Nesch'et Al-Zubaidi: Viele Programmierer haben kein künstlerisches Gefühl, so wirkt das Ganze manchmal etwas unbeseelt. Beim Zeichnen sind automatisch Asymmetrien in den Bildern – eine Unperfektion, die Leben einhaucht. Bei 3D muss in die Perfektion des mathematischen Körpers eine solche Asymmetrie künstlich hinein gebracht werden.