Kategorie: Interview
"Die Realität folgt keiner filmgeeigneten Dramaturgie"
Ein Gespräch mit Beate Langmaack über das Schreiben von Krimi-Drehbüchern.
Ein Gespräch mit Beate Langmaack über das Schreiben von Krimi-Drehbüchern.
Nach einem Studium der Germanistik, Theaterwissenschaften und Philosophie arbeitete Beate Langmaack, 1957 in Hamburg geboren, zunächst als Szenenbildnerin, bevor sie 1987 ihr erstes Spielfilmdrehbuch schrieb. Langmaack, die gemeinsam mit Richard Reitinger den Studienbereich Drehbuch an der Hamburg Media School leitet, hat zahlreiche Drehbücher für Kriminalfilme geschrieben und 2005 für ihre Entwicklung der Schweriner "Polizeiruf 110" -Reihe den Adolf-Grimme-Preis erhalten.
Was unterscheidet ein gutes Kriminalfilm-Drehbuch von einem schlechten?
Das kann man so pauschal nicht sagen. So viel nur: Ein gutes Krimi-Drehbuch muss spannend geschrieben sein. Gut ist, wenn ein Thema die Kommissare persönlich berührt. Dann gibt es plötzlich einen emotionalen Motor, den Fall aufzuklären.
Gibt es eigentlich eine Art Schema, um einen Kriminalfilm zu schreiben?
Nein. Meiner Erfahrung nach sind die Zuschauer schlau, deshalb sollte man sie überraschen, ohne dabei ihre Intelligenz zu beleidigen. Sie sollten rätseln können und am Ende belohnt werden. Deshalb funktionieren keine aus dem Hut gezauberten Lösungen. Zudem sollten die Zuschauer immer einen Schritt weiter sein als der Kommissar. Wichtig ist auch, das mag jetzt banal klingen, ist aber nicht selbstverständlich, dass das Verbrechen am Schluss aufgeklärt wird. Das ist wie bei einem Märchen: Die Geschichte kann grausam sein, aber am Ende ist alles wieder gut.
Muss man schon wissen, wie der Fall gelöst wird, bevor man mit dem Schreiben eines Krimis beginnt?
Unbedingt. Sie müssen sich das so vorstellen wie beim Kochen: Man muss wissen, was auf den Tisch kommt. Sie können das auch mit einem Hausbau vergleichen, bei dem Sie die Statik berechnen müssen. Ein Krimi sollte eine intellektuelle Herausforderung sein – nicht nur für die Kommissare, sondern auch für die Zuschauer. Das macht das Genre auch so beliebt.
Was ist wichtig bei der Konzeption einer Täterfigur?
Es wird niemand die Tat billigen, aber als Zuschauer müssen Sie nachvollziehen können, wie es dazu gekommen ist. Wichtig ist also vor allem Nachvollziehbarkeit aus dem Lebenskontext des Täters heraus.
Gibt es eigentlich dramaturgische Unterschiede zwischen Krimi-Drehbüchern, die fürs Kino geschrieben werden, und solchen fürs Fernsehen?
Ganz sicher. Das liegt daran, dass man im Kino nicht so schnell weg kann und sich deshalb eher auf eine langsamere Erzählweise einlässt. Beim Fernsehen muss sich der Zuschauer einen schnellen Eindruck davon machen können, was für einen Film er sehen wird. Er muss beispielsweise verstehen, ob er ihn mit seinen Kindern anschauen kann. Er braucht ein konkretes Angebot: Guck Dir diesen Film zu Ende an, es lohnt sich.
Was macht die Besonderheit des Thriller als Subgenre des Kriminalfilms aus?
Im Krimi gibt es einen Toten und einen Fall, den es aufzuklären gilt. Ein Thriller hingegen erzeugt einen Schrecken, der sich nicht auf den Kriminalfall beschränken lässt. Hier kann die Bedrohung auch aus einer ganz anderen Richtung kommen. Zudem gibt es im Thriller unterschiedliche Perspektiven: Mal ist man beim Opfer, mal beim Täter, während im Krimi hauptsächlich aus der Ermittlerperspektive erzählt wird.
Wie viel Realität steckt in einem Kriminalfilm?
Zuerst einmal: Die Realität folgt keiner filmgeeigneten Dramaturgie. Ein Krimi entsteht im Kopf eines Autors, muss jedoch mit der Realität abgeglichen werden. Denn aufgrund dieser ganzen CSI-Geschichten wissen die Zuschauer mittlerweile sehr viel über Polizeiarbeit. Konkret sieht das bei mir so aus: Ich denke mir eine Geschichte aus und gebe sie dann der Polizei zum Gegenlesen. Da bekomme ich schon öfters zu hören: Das geht so nur im Film. Die Polizei ist da sehr entgegenkommend. Wie alle Berufsgruppen möchte sie, dass ihr Beruf authentisch wiedergegeben wird. Allerdings sind bestimmte Tätigkeiten nicht wirklich filmisch, das Gegenchecken von Fakten etwa oder das lange Warten auf Testergebnisse.