Philipp Stölzl, 1967 in München geboren, ist ausgebildeter Kostüm- und Bühnenbildner. Nachdem er mehrere Jahre freiberuflich in diesem Metier gearbeitet hatte, begann er 1996 für die Wiener Film- und Videoproduktionsfirma DoRo Musikclips zu drehen, unter anderen für Rammstein, Mick Jagger und Madonna. Mit Baby (Deutschland 2003) legte er seinen ersten abendfüllenden Spielfilm vor. 2008 folgte das mit zwei Deutschen Filmpreisen ausgezeichnete Bergsteigerdrama "Nordwand" (Deutschland, Österreich, Schweiz 2008.) Neben seiner Filmarbeit inszeniert er zudem Opern und Operetten wie etwa 2009 Der Fliegende Holländer für das Theater Basel, 2010 Rienzi für die Deutsche Staatsoper Berlin und aktuell Die Fledermaus für das Staatstheater Stuttgart. Philipp Stölzl lebt mit seiner Familie in Berlin. Zum Filmarchiv: "Goethe!" (Deutschland 2010) ist sein dritter Spielfilm.

Was verbinden Sie mit dem Namen Goethe?

Ganz ehrlich: nur Gutes! Ich hatte einen super Deutschlehrer. Der war ein Hippie und Goethe-Fan und hat uns diesen Johann Goethe in seinem Genie, seinem Witz und auch seinen menschlichen Schwächen wunderbar nahegebracht. Den Faust haben wir uns dann in den Kammerspielen in München angesehen, mit Helmut Griem in der Titelrolle. Es hat geknallt und geraucht und Mädchen in Strapsen sind auf Besen geritten – ich fand's toll und wollte danach zum Theater ...

Warum im Jahr 2010 ein Film über Goethe?

Das Gute an einem zeitlosen Künstler wie Goethe: Man kann IMMER einen Film über ihn machen. Mir als Regisseur war das gute Drehbuch mit seiner frischen Sicht auf den jungen Sturm und Drang-Goethe absolut Grund genug. Außerdem gibt es über Goethe wunderlicherweise noch keinen guten Film – das weckt natürlich einen gewissen filmemacherischen Ehrgeiz.

Hätte Sie ein Film über den ehrbaren Weimarer Dichterfürsten weniger gereizt?

Käme auf die Geschichte an. Aber zum Weimarer Goethe fällt einem, glaube ich, auf Anhieb erstmal weniger ein, weil der so arm an Konflikten ist: total etabliert, kerngesund, ein gut besoldeter Minister, der nebenbei nicht nur ein philosophisches Literaturgenie, sondern dann auch noch ein wegweisender Naturwissenschaftler ist. Wo ist da das Problem? Im Kino will man ja eher immer einen scheinbar chancenlosen Helden, mit dem man mitkämpfen und mitleiden kann.

Zum Filmarchiv: "Goethe!" ist Zum Inhalt: Biografie/BiopicBiopic, Liebesgeschichte, Gesellschaftsstudie und Literaturverfilmung zugleich. Was stand für Sie im Vordergrund?

Der Film ist ein Gewebe aus diesen Elementen. Jedes für sich muss stimmen, sonst funktioniert das Gesamtgebilde nicht. Aber die Lovestory ist am Ende natürlich das, was den Film für ein breites Publikum attraktiv macht.

Wie haben Sie sich der historischen Figur genähert?

Ich hab mich in zahlreiche Aufzeichnungen von Zeitzeugen über den jungen Goethe in Wetzlar eingelesen. Ich wollte ein Gefühl dafür bekommen, was für ein Mensch er war. Diesem Bild, das da entstanden ist – ein schöner, einnehmender junger Mann, wach und schnell im Kopf, hochsensibel, im vollen Bewusstsein des eigenen großen Talents –, sind wir beim Schreiben und Machen des Films treu geblieben. Was die historischen Umstände betrifft, die zum Schreiben des Werther führten, haben wir uns große fiktionale Freiheiten erlaubt. Goethe hat im Werther-Roman ja gleich zwei seiner komplizierten Liebesgeschichten, die mit Charlotte Buff und die mit Maximiliane von La Roche, verarbeitet und verschmolzen. In beiden Fällen hat er sich letztlich in eine existierende Beziehung eingemischt und sich hinterher aus dem Staub gemacht. Liegt auf der Hand, dass das für eine klassische Heldengeschichte, wie wir sie erzählen wollten, nicht ganz brauchbar ist – Goethe kommt schlicht zu schlecht weg.

Haben Sie keine Angst vor dem Vorwurf der "Geschichtsfälschung"?

Warum? Der Film, so wie auch und "Shakespeare in Love" , ist eine Fantasie über eine historische Figur und nimmt für sich nicht in Anspruch, eine historisch korrekte Biografie zu sein. Außerdem ist es für mich sehr fraglich, ob man der "Wahrheit" über eine historische Person unbedingt mit dem Herunterbeten von Fakten nahekommt. Niemand wird wahrscheinlich abstreiten wollen, dass der Film ist, wo man am meisten über Mozart kapiert und ihn als Charakter spürt. Und dieser Film ist total fiktional.

Ist Zum Filmarchiv: "Goethe!" ein Film, mit dem Sie vor allem ein junges Publikum ansprechen wollen?

Auch, aber nicht nur. Der Film ist ja primär ein romantischer Liebesfilm und wird auch so vermarktet. Das heißt, dass er erstmal auf ein weibliches Publikum über 25 zielt. Ich glaube aber, dass er über die Schulklassen auch die Chance hat, ein junges Publikum zu erreichen, das sonst nie in einen historischen Kostümfilm gehen würde.