Die US-Amerikaner Bill und Turner Ross sind gefeierte Regisseure des Independent-Kinos. In ihren Zum Inhalt: Spielfilmen haben die beiden Brüder einen ganz eigenen, Zum Inhalt: dokumentarisch wirkenden Stil entwickelt. kinofenster.de hat sich mit ihnen über ihren neuen Film "Gasoline Rainbow" unterhalten, in dem fünf Teenager einen Roadtrip an den Pazifik unternehmen.

kinofenster.de: Was war Ihre Ausgangsidee für den Film?

Turner Ross: Die erste Idee hatten wir zu Beginn der Corona-Pandemie. Wir kamen von der Berlinale, wo wir unseren letzten Film "Bloody Nose, Empty Pockets" (USA 2020) vorgestellt hatten, und über Nacht wurde die komplette Welt runtergefahren. Wir erinnerten uns an unsere Jugend, wir wollten damals einfach nur raus – die Welt, die wir kannten, hinter uns lassen und eine neue entdecken.

Bill Ross: Genau die Generation, die das jetzt nicht mehr konnte, wollten wir in den Fokus stellen. Den Roadtrip haben wir als Vehikel für ihre Sehnsüchte angelegt. Wichtig war uns dabei aber, dass wir nicht über sie sprechen, sondern mit ihnen.

kinofenster.de: Wie lief die Arbeit mit den Laiendarsteller/-innen am Zum Inhalt: Drehbuch und seiner Struktur ab?

Turner Ross: Wir haben ihnen nur die Vorlage geliefert, ein bisschen wie eine Art Malbuch – sie mussten das Ganze mit Farbe ausfüllen. Wir hatten die grobe Richtung des Films, die Zum Inhalt: Drehorte, den Rhythmus. Den Rest mussten sie machen. Es war ihre Erfahrung.

Bill Ross: Wir wollten, dass alles erst vor der Kamera entsteht – damit es weitestgehend natürlich ist. Jeden Morgen haben wir die möglichen Szenarien für den Tag besprochen, aber nichts stur festgelegt. Jedes Wort, jede Handlung kommt von den Jugendlichen selbst.

Turner Ross: Die Jugendlichen sollten nicht nur physisch auf einer Reise sein, sondern auch emotional. Mit allen Höhen und Tiefen. Alles sollte zum ersten Mal passieren.

kinofenster.de: Wie haben Sie die Jugendlichen gefunden und die Figuren entwickelt?

Turner Ross: Drei Monate vor Drehbeginn hat eine befreundete Casting-Agentur angefangen zu suchen. Ganz klassisch, mit Flyern in Schulen, Cafés und Skateparks. Wir wussten am Anfang gar nicht, ob wir fünf Jugendliche in der Geschichte haben oder nur zwei. Das erste Video, das uns umgehauen hat, war das von Makai. Danach haben wir überlegt, wer seine Freunde sein könnten. Es hat sich nach und nach ergeben, wie ein Puzzle. Als sich alle das erste Mal getroffen haben, war es sofort so, als würden sie sich schon eine Ewigkeit kennen. Sie haben ihr eigenes Ding gemacht – uns haben sie gar nicht gebraucht.

kinofenster.de: Die Landschaft im Film ist wie eine eigene Hauptfigur. Welche Bedeutung hat sie für Sie?

Turner Ross: Die Landschaft war zuerst da, noch vor der Geschichte. Der Nordwesten der USA ist sehr speziell, sehr vielfältig. Wir wollten, dass die Landschaft die emotionale Reise der Jugendlichen spiegelt. Sie ist ein epischer Zum Inhalt: Western-Raum. Sie ist schön anzusehen, verändert sich aber ständig. Genau wie unsere Figuren.

kinofenster.de: Welche filmischen Vorbilder hatten Sie?

Turner Ross: Wir sind filmisch ganz anders sozialisiert als unsere Darsteller/-innen. Agnès Varda ist eine unserer Heldinnen. "My Private Idaho – Das Ende der Unschuld" ("My Own Private Idaho" , Gus Van Sant, USA 1991) ist eine Referenz, genauso wie "Stand By Me – Das Geheimnis eines Sommers" ("Stand by Me" , Rob Reiner, USA 1986) oder "Die Goonies" ("The Goonies" , Richard Donner, USA 1985) – Filme, die uns als Kinder geprägt haben. Aber auch die Gemeinschaft in "Muppet Movie" ("The Muppet Movie" , James Frawley, USA/UK 1979). Klingt merkwürdig, ist aber eine Referenz.

kinofenster.de: Wie würden Sie das Lebensgefühl ihrer Darsteller/-innen beschreiben?

Bill Ross: Mir liegt es fern, diese Generation zu definieren, aber zumindest die, die wir kennen gelernt haben, haben ein großes Herz. Sie haben sich sehr gut umeinander gesorgt, sie waren unglaublich nett und neugierig.

Turner Ross: Ich fand ihre emotionale Präsenz beeindruckend. Sie waren wissbegierig, haben alles wie ein Schwamm aufgesogen.

kinofenster.de: Was sind denn ihre Sorgen und Sehnsüchte?

Turner Ross: Das lässt sich gar nicht über einen Kamm scheren. Jede und jeder hat ganz individuelle. Klar gibt es die Ambiguität des Moments, wenn man seine bekannte Welt verlässt. Alles ist neu, alles scheint ein Hindernis zu sein. Die Jugendlichen haben ein Ur-Vertrauen, das ihnen hilft, alles zu überstehen. Jede/-r hat seinen eigenen familiären Hintergrund, sein eigenes Päckchen zu tragen. Sie alle aber sind mit der Frage konfrontiert, wer sie sein sollen und wer sie selbst gerne wären. Diese besondere Zeit der Transformation legt den Grundstein für das, was sie wirklich werden. Jede unserer Figuren gibt ein Stück von sich. Nicht alles, was sie erlebt haben, ist schön, trotzdem haben sie die Hoffnung noch nicht verloren.

kinofenster.de: Sind diese Themen universell, von Generation zu Generation beständig?

Turner Ross: Ja und nein. Wir können uns vermutlich alle an diese ganz spezielle Zeit im Leben erinnern. Aber wir waren definitiv anders. Einfach weil die Zeit eine andere war. Die Perspektive der Jugendlichen heute ist nicht so rosig wie unsere damals. Egal ob man Amerika als Ganzes oder die Region im Speziellen betrachtet.

kinofenster.de: Allein die mediale Sozialisation ist eine ganz andere. TikTok, Instagram, andere soziale Medien. Hatte das Einfluss auf die Geschichte?

Turner Ross: Ja, denn der Referenzrahmen der Jugendlichen ist ein ganz anderer. Sie sind mit einer medialen Rund-um-die-Uhr-Versorgung aufgewachsen. Alles ist immer und jederzeit verfügbar. Altes genauso wie Neues. Allein die unterschiedlichen Kommunikationskanäle, die sie haben.

Bill Ross: Wir wollten, dass sie ihre eigenen Bilder kreieren, ihren Style, ihre Musik in den Film einfließen lassen. Aber sie wollten sich nicht hinter Bildern verstecken, sie wollten in Kontakt treten mit der echten Welt.

kinofenster.de: Haben Sie auch gemeinsam die Musik ausgewählt?

Turner Ross: Die Musik haben die Jugendlichen komplett alleine ausgesucht. Das war manchmal auch schockierend für uns – denn sie haben Musik ausgewählt, mit der wir selbst groß geworden sind. Guns N‘ Roses zum Beispiel haben wir echt nicht kommen sehen.

kinofenster.de: Zum Schluss unsere obligatorische Frage: Warum ist Filmbildung wichtig?

Bill Ross: Film ist ein Fenster der Empathie. Eine Möglichkeit, anderer Leute Erfahrung teilen zu können. Film als Fenster zur Welt ist unverzichtbar.

Turner Ross: Film ist wie eine Zeitkapsel. In hundert Jahren guckt sich vielleicht jemand unseren Film an und versteht, wie es war im Jahr 2024 Teenager zu sein. Im Nordwesten der USA.