Nach ihrem Studium der Germanistik, Biologie und Philosophie in Bonn arbeitete Birgit Schulz als Print-Redakteurin und freie Fernsehautorin. 1993 gründete sie die Firma Bildersturm, die Dokumentarfilme für das öffentlich-rechtliche Fernsehen sowie Kinodokumentationen produziert. Sie ist Regisseurin zahlreicher Porträts und TV-Dokumentationen, darunter etwa "Geistesgegenwart - Porträt der deutschen Psychoanalytikerin Margarete Mitscherlich" (2005) oder der mit dem Niedersächsischen FrauenMedienPreis ausgezeichneten Film "A right to live - Aidsmedikamente für Millionen" (2006). Zum Filmarchiv: "Die Anwälte - Eine deutsche Geschichte" ist ihr erster Kinofilm.

Wie haben die drei Protagonisten anfangs auf Ihr Projekt reagiert?

Zuerst wollte keiner der drei an meinem Film mitwirken. Vor allem Schily hatte sich jahrzehntelang geweigert, über diese Zeit zu sprechen, weil er nicht länger als der RAF-Anwalt abgestempelt werden wollte. Es hat sehr lange gedauert, bis ich sie von meinem Projekt überzeugen konnte. Mahler war der erste, den ich umstimmen konnte. Vermutlich war er froh, dass sich seit langem wieder jemand mit ihm beschäftigt. Es gab allerdings Absprachen, dass wir nicht seine Holocaust-Leugnungen thematisieren. Das war nicht ganz einfach. Ströbele hatte Berührungsängste mit Mahler, willigte aber ein, nachdem ich an seine Verantwortung appellierte, die eigene Geschichte einer Öffentlichkeit preiszugeben. Am schwierigsten zu bewegen war Schily. Ich drehte den Film zunächst ohne ihn und zeigte ihm den Rohschnitt. Danach war er dabei.

Wäre es auch möglich gewesen, alle drei gemeinsam vor die Kamera zu bekommen?

Ströbele und Schily hätte man sicherlich gemeinsam befragen können. Im Bunde mit Mahler wäre das unmöglich gewesen.

Dass Schily und Ströbele sich so dezidiert von Horst Mahler abgrenzen, kommt nicht von ungefähr. Er war Mitglied der NPD und sitzt zurzeit wegen Volksverhetzung und Holocaust-Leugnung im Gefängnis. Wie sind Sie mit seiner politischen Ausrichtung umgegangen?

Mahler ist seit 2003 kein Parteimitglied der NPD mehr, er hat die Partei im Verbotsverfahren verteidigt, will aber von keiner Partei vereinnahmt werden. Er ist ein Rechter und Antisemit und natürlich wollte ich wissen, wie es zu dieser Entwicklung gekommen ist. Ab einem bestimmten Punkt musste ich allerdings einsehen, dass man sie nicht nachvollziehen kann, weil sie irrational ist.

Mahler leugnet seine radikale Veränderung. Warum lassen Sie das unkommentiert stehen?

Es gab anfangs durchaus die Überlegung, Interviewpartner hinzuziehen, zum Beispiel den Zeitzeugen Gerhart Baum, der schon früher lange Interviews mit Mahler geführt hat. Aber in den Vorgesprächen hat sich mit Blick auf Mahler herausgestellt, dass niemandem klar ist, wie er sich so entwickeln konnte. Weitere Personen einzubinden, hätte folglich nicht allzu viel gebracht.

Im Film sagt Schily mit Blick auf den Fall Benno Ohnesorg, dass damals viel Beweismaterial verschwunden sei. Kürzlich wurde bekannt, dass Karl-Heinz Kurras, der Ohnesorg damals tötete, bei der Stasi war. Diese Informationen lagen Ihnen vermutlich während der Dreharbeiten noch nicht vor?

Ich habe diese Informationen erhalten, als der Film im Kopierwerk war. Das war ein Schreckmoment, wo ich dachte, ich müsse alles ändern. Doch nachdem Schily und Ströbele meinten, dass es keiner Revision ihrer Aussagen bedarf, war das vom Tisch.

Wie haben Sie selbst die jüngere deutsche Vergangenheit erlebt?

Ich bin noch ein bisschen zu jung, um die 68er-Geschichten bewusst mitbekommen zu haben, aber ich erinnere mich an die 70er-Jahre-Atmosphäre mit den Entführungen, an diese bleierne Zeit. Es ist mir durch die Dreharbeiten viel bewusster geworden, was für ein Polizeistaat das damals war. Schily hat den entscheidenden Satz gesagt: "Damals habe ich den Rechtsstaat gegen den Staat verteidigt.".

Wie haben die Protagonisten den Film aufgenommen?

Mahler hat den Film noch nicht gesehen, er ist im Gefängnis. Den beiden anderen habe ich den Film schon gezeigt. Schily meinte spontan, der Film sei hart, und das bezog sich eindeutig auf die Geschichte von Mahler, weil der am Ende mittellos ist und wieder im Gefängnis sitzt. Insgesamt waren Schily und Ströbele nachdenklich und still. Ich denke, wenn man 90 Minuten lang sein eigenes Leben vorgehalten bekommt, dann ist man wahrscheinlich auch nachdenklich.