Der Generalstaatsanwalt Fritz Bauer war einer der bedeutendsten Juristen der Nachkriegszeit. Im Nationalsozialismus wegen seiner jüdischen Abstammung und seiner Mitgliedschaft in der SPD verfolgt, kehrte er nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs nach Deutschland zurück, um beim Wiederaufbau der Demokratie in der Bundesrepublik zu helfen. Voraussetzung für seine Rückkehr war die strafrechtliche Auseinandersetzung mit dem im NS-Staat begangenen Unrecht. Er forderte aber auch eine gesellschaftliche Auseinandersetzung mit den Ursachen, um eine Wiederholung auszuschließen. Bauer verortete den NS-Staat in der Tradition des deutschen Obrigkeitsstaates, dessen Ursprünge aus seiner Sicht bis in die Zeit des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation zurückreichten. Bei der Aufarbeitung setzte Bauer seine Hoffnung vor allem auf die nachwachsende Generation, die die menschenverachtende Ideologie der Nationalsozialisten und deren Entfaltung nicht mitzuverantworten hatte.

Die Würde des Menschen ist unantastbar

Fritz Bauer (© Fritz Bauer Institut)

Fritz Bauer Institut

Das Bekenntnis zu den Menschenrechten war für Fritz Bauer die Grundlage seines Handelns. Deshalb wurde auf seine Initiative hin sowohl in Braunschweig als auch in Frankfurt am Main an Justizgebäuden der Satz angebracht, mit dem unser Grundgesetz beginnt: "Die Würde des Menschen ist unantastbar." Vor diesem Hintergrund verstand Bauer auch den Beruf des Staatsanwalts. 1955 merkte er an, dass die aus autoritären Zeiten stammende Bezeichnung "Staatsanwalt" heute nicht mehr zutreffe, denn „der Staatsanwalt vertritt nicht den Staat, er ist nicht der Anwalt irgendwelcher Staatsräson oder irgendwelcher Staatsinteressen, sondern des Rechts der Menschen und ihrer sozialen Existenz gegen private und staatliche Willkür. Er ist an Gesetze gebunden, deren wichtigste die Menschenrechte sind.“

Der Begriff Unrechtsstaat

Als Generalstaatsanwalt in Braunschweig erwirkte er, dass die Attentäter des 20. Juli 1944 nicht länger ungestraft als "Landesverräter" verunglimpft werden konnten. Das Gericht folgte damit der Argumentation Bauers, dass das NS-Regime ein „Unrechtsstaat“ gewesen sei, weil es Massenmord betrieben habe. Dagegen sei aktiver Widerstand bis hin zu dem Bombenattentat auf Hitler gerechtfertigt gewesen.

Zur treibenden Kraft in der strafrechtlichen Auseinandersetzung mit dem NS-Unrecht wurde Fritz Bauer ab 1956 in seiner Funktion als hessischer Generalstaatsanwalt. Dies geschah zu einer Zeit, als ein Großteil der deutschen Bevölkerung gerne einen Schlussstrich unter die Vergangenheit gezogen hätte und die Juristen, die bereits im NS-Regime tätig gewesen waren, bis auf wenige Ausnahmen in die Justiz zurückgekehrt waren. Dieser Umstand erklärt auch Bauers bekannten Ausspruch: "Wenn ich mein Dienstzimmer verlasse, betrete ich feindliches Ausland!"

Die Frankfurter Auschwitzprozesse

Dennoch gelang es Bauer mit jungen unbelasteten Staatsanwälten eine Vielzahl von Verfahren gegen Täter des NS-Regimes einzuleiten, von denen das bedeutendste der erste Frankfurter Auschwitzprozess war, in dem am 19. August 1965 die Urteilsverkündung begann. Obwohl in dem Prozess der ganze Schrecken der Konzentrationslager deutlich wurde, nahm die deutsche Öffentlichkeit davon nicht in dem Umfang Kenntnis, wie Bauer es sich erhofft hatte. Ebenfalls enttäuschte ihn, dass nicht einer der Angeklagten ein Wort der Reue für seine Taten fand.

Der Staat gegen Fritz Bauer, Szene (© Alamode)

Die Frankfurter Rechtswissenschaftlerin Ilse Staff, eine Vertraute Fritz Bauers, hat dessen Lebenswerk vor allem in der "Arbeit für mehr Humanität im gesellschaftlichen und politischen Leben" und im Kampf für eine Reform des Strafrechts und des Strafvollzugs gesehen. Sie charakterisiert Bauer als Juristen, der "den Menschen zugetan war, obgleich er erfahren hatte (und täglich neu erfuhr), was Menschen an Bösem einander anzutun fähig sind". Er habe stets versucht, die Trauer über dieses Wissen um den Menschen mit Güte im aktiven Handeln zu überwinden. Dabei war seine Ausstrahlungskraft auf junge Menschen ebenso auffällig wie seine Integrität, seine Vorurteilsfreiheit und Offenheit. Was hingegen Diskussionen über fachliche Fragen betraf, bediente sich Bauer durchaus eines schroffen Sprachgebrauchs. Dann konnte er polterig und brummig werden.

Das Andenken an Fritz Bauer

Nach seinem Tod, dessen Umstände nie vollständig aufgeklärt wurden, geriet Fritz Bauer bald in Vergessenheit, denn die große Mehrheit seiner Zeitgenossen hatte ihn stets als Störenfried empfunden. Dies gilt vor allem für seine Berufskollegen, die mit der Pflege der Erinnerung an Bauer auch die Erinnerung an ihr eigenes Versagen während der NS-Zeit wachgehalten hätten. Seine Rückkehr ins kollektive Bewusstsein setzte erst verstärkt mit der 2009 erschienenen Biografie von Irmtrud Wojak und dem 2010 auf der Berlinale vorgestellten Dokumentarfilm „Fritz Bauer –Tod auf Raten“ ein. Bereits seit 1995 existiert das Fritz Bauer Institut, das heute als Forschungszentrum zur Geschichte und Wirkung des Holocaust an die Goethe-Universität Frankfurt am Main angegliedert ist. Zum 50. Jahrestag des Urteils im ersten Auschwitzprozess hat Bauers mediale Präsenz ihren bisherigen Höhepunkt erreicht. Seine Verdienste für die Auseinandersetzung mit dem dunkelsten Kapitel deutscher Geschichte und der Demokratisierung der jungen Bundesrepublik erfahren nun die verdiente Anerkennung.