Der Mondmann – Titelfigur des Zum Filmarchiv: "gleichnamigen Zeichentrickfilms" von Stephan Schesch (Deutschland, Frankreich, Irland 2012) nach dem Kinderbilderbuch von Tomi Ungerer – sitzt Nacht für Nacht in seiner silbernen Kugel. Er hinterfragt diesen Umstand nicht, er grübelt nicht über die Gründe dafür nach. Er sitzt und schaut und schläft und gähnt und langweilt sich. Ob er wohl weiß, wer er ist? Und was die Welt? Oder die Erde? Eher nicht. Der Mondmann ist wie ein Kind und daher zunächst einmal einfach nur da. Und neugierig. Und unternehmungslustig. Eines Nachts tut der Mondmann etwas durchaus Unerwartetes, ja geradezu Abenteuerliches: Offenbar einer spontanen Eingebung folgend, ergreift er den Schweif eines vorüberfliegenden Kometen und lässt sich davontragen.

Mit den Augen eines Kindes

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Der Komet schlägt auf der Erde ein und der Mondmann purzelt auf eine Waldlichtung, neugierig bestaunt von Kauz und Elch, die gemeinsam beim Weiden sind. Neugierig und staunend, murmelnd und grunzend macht sich auch der Mondmann, noch etwas schwankend, daran, seine Umgebung zu erkunden. Er schnuppert den Duft der Blumen, betastet das Gras, bewundert einen Schmetterling und lauscht einer Nachtigall, deren Gesang er sogleich nachzuahmen versucht. Auf diesem anregenden Waldspaziergang erprobt der Mondmann erstmals alle seine Sinne, verträumt und mit Hingabe für die auf ihn einstürmenden Eindrücke, unschuldig und naiv, aller Verantwortung enthoben, wie ein Kind eben. Und ebenso neugierig und darauf erpicht, Neues zu erleben und dabei zu lernen.

Das Ende der Unschuld

Weitgehend unartikuliert und von allem, was ihm begegnet, schwer beeindruckt, wird der Mondmann noch eine ganze Weile bleiben. Die Erdenschwere allerdings holt ihn ziemlich bald schon ein, sorgt seine Ankunft doch beim örtlichen Machthaber, dem Weltpräsidenten, für beträchtlichen Aufruhr und Mond-Eroberungspläne. Ein Straßenfest, auf dem der Mondmann unbeschwert mit Kindern tanzt, wird wegen der vom Präsidenten gemutmaßten "Außerirdischen-Invasion" abgebrochen und plötzlich steht der kleine Mann alleine da. Ein Straßenfeger sagt ihm, er solle nach Hause gehen. "Nach Hause", murmelt der Mondmann – es sind seine ersten Worte – und blickt zum Mond. Da wird ihm klar, dass das mit dem Nach-Hause-Gehen schwierig werden könnte, dass sein Zuhause in sehr weite Ferne gerückt ist, und eine erste leise Wehmut keimt in ihm auf.

Gemeinsam ist man stark

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Bald darauf landet der Mondmann am weitläufigen Laboratoriumshaus des Erfinders Bunsen van der Dunkel. Neugierig betrachtet er dort sein Spiegelbild, erkennt sich jedoch nicht selbst, sondern schaut nach, wer sich wohl hinter der spiegelnden Platte verbirgt. Als Bunsen, der – nachdem alles erforscht und erfunden war – sich in einen Stupor hineingelangweilt und die letzten 300 Jahre verschlafen hat, das fremde Wesen entdeckt, ist er für die Abwechslung dankbar. Naturgemäß sieht Bunsen im Mondmann ein bis dato noch nicht erforschtes, wenngleich ihm "irgendwie" bekannt vorkommendes "Phänomen", das es gilt, allen nur möglichen Tests und Untersuchungen zu unterziehen. Die wissenschaftliche Neugier des singulären Erwachsenen trifft auf die neugierige Wissbegierde des singulären Kindlichen und gemeinsam treiben sie sich gegenseitig voran, getreu Bunsens Motto: "Allein ist man schneller, aber zu zweit kommt man weiter."

Die Entdeckung des Ichs

Bunsen lehrt den Mondmann das Sprechen – und siehe da! –, bei der Betrachtung eines Bildes vom Mond klärt sich die Herkunft des "Phänomens". Bunsen erinnert sich an sein eigenes kindliches Vertrauen in den Hüter seines Schlafes oben in der silbernen Kugel, und so erhält endlich auch der Mondmann einen ersten Begriff von sich und seiner Bedeutung. Da steht mit einem Mal der Präsident in der Tür, verkündet Eroberungspläne, ruft nach Raketen und damit im Mondmann ein sehr ausgeprägtes Gefühl für die Gefahr wach, in der seine Heimat schwebt. Nun wird es rasant, der Mondmann wechselt vom eher passiven in einen sehr aktiven Modus, er läuft davon, er will zum Mond zurückkehren. Doch das ist leichter gesagt als getan.

Freundschaft und Vertrauen

Foto: Neue Visionen Filmverleih

Erneut trifft der etwas hoffnungs- und ratlose Mondmann, in dem inzwischen sichtlich die Gedanken rattern, nun auf die Kinder vom Straßenfest, die freilich immer noch nicht schlafen können. Sie klagen ihm ihr Leid. Da begreift der Mondmann endgültig die Größe seiner Verantwortung, von der er bislang gar nichts wusste. Er erkennt, dass er in seiner silbernen Kugel, in der er sich so sehr langweilte, keineswegs allein und verlassen war, dass er eine wichtige Aufgabe hatte und dass ohne ihn am rechten Fleck die Ordnung in der Welt der Kinder aus dem Gleichgewicht geraten ist. Kaum trifft ihn die Erkenntnis, schlagen auch schon die Schergen des Machthabers zu und der Mondmann findet sich mit einer Kanonenkugel am Fuß im Kerker wieder. Doch Bunsen van der Dunkel erweist sich, ebenso wie die Mondphasen, als Retter in der Not. Vom Neumond unsichtbar gemacht, flieht der Mondmann aus dem Gefängnis. Auf der Flucht wird er fast von einem Auto überfahren, in dem ein Vater just die von seiner kleinen Tochter behauptete Existenz des Mondmannes anzweifelt. Da sieht der Vater sich mit einem Mal an sein früheres kindliches Vertrauen ins Wunderbare erinnert, während seine Tochter sehr zufrieden sich bestätigt fühlt. Die beiden bringen den Mondmann zu Bunsen, der mittlerweile den Bau seiner Rakete abgeschlossen hat. Dort kulminiert der einem Entwicklungsroman folgende Film: Zu allem, was der Mondmann auf der Erde gelernt hat über die Schönheiten der Natur und die Tücken der Politik treten nun noch die beiden komplexen Konzepte Freundschaft und Vertrauen. Denn der Mondmann muss seinem Freund Bunsen blind vertrauen, der ihn in seiner Rakete ins Ungewisse, zum derzeit unsichtbaren Mond, schießen wird. Endlich wieder daheim angekommen, wird dem Mondmann der Stoff zum Nachdenken so schnell nicht ausgehen. Und langweilig wird ihm einstweilen auch nicht. Schließlich hat er von seinem Abenteuer einen guten Freund, eine wichtige Aufgabe und ein Herz voller Gefühl mitgebracht. Was will man mehr?

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