Kategorie: Filmbesprechung
"Das kalte Herz"
Wilhelm Hauffs Märchen in einer Neuverfilmung
Unterrichtsfächer
Thema
Der Schwarzwald am Beginn des 19. Jahrhunderts: Als mittellose Köhler genießen der junge Peter und sein Vater in ihrer Dorfgemeinschaft nur geringes Ansehen. Deswegen besteht trotz gegenseitiger Anziehung keine Hoffnung auf eine Hochzeit zwischen Peter und der wohlhabenden Glasmachertochter Lisbeth. In seinem Kummer bittet der Köhlerjunge das Glasmännchen aus dem Wald um die Erfüllung dreier Wünsche, was ihm jedoch nur kurze Besserung verschafft. Für langfristigen Erfolg nimmt Peter schließlich die Dienste vom Holländer-Michel an und lässt sein Herz durch einen Stein ersetzen, um die nötige Skrupellosigkeit eines Geschäftsmanns zu erhalten. Ohne Gewissen scheffelt Peter auf einer anschließenden Reise Unmengen an Gold, doch Lisbeth erkennt ihren Geliebten nach seiner Rückkehr kaum wieder.
Das 1827 veröffentlichte Kunstmärchen Das kalte Herz von Wilhelm Hauff wurde schon mehrfach für die Leinwand adaptiert, zum Beispiel 1950 als stilprägendes DEFA-Märchen. Die aktuelle Zum Inhalt: Adaption von Johannes Naber ("Zeit der Kannibalen" , DE 2014) nimmt sich viel Zeit, das Sozialgefüge in der Dorfgemeinschaft als Mikrokosmos der aufziehenden Industrialisierung zu etablieren. Während die Holzfäller zu Wohlstand kommen, verarmen Berufszweige wie die Köhler, da moderne Dampfmaschinen ihre Arbeit effizienter leisten. Durch die Waldgeister und den Holländer-Michel bricht die Fantastik in die frühkapitalistische Welt ein. Mit teils heftig inszenierten Gruselelementen, die den Film für jüngere Klassenstufen ausschließen, spitzt Naber die gesellschaftskritische Botschaft seines Zum Inhalt: Fantasyfilms zu.
In einer Filmanalyse lässt sich die aktuelle Adaption mit dem spätromantischen Originaltext und/oder dem DEFA-Klassiker von 1950 vergleichen. Welche Motive übernimmt die aktuelle Verfilmung, wo setzen die Macher neue Schwerpunkte? Die lebhafte Schilderung der sozialen Gegebenheiten eignet sich im Geschichts- und Sozialkundeunterricht als Anschauungsmaterial für eine Darstellung der frühkapitalistischen Zeit. Wie in der Literatur der Klassik üblich treffen die unterschiedlichen Klassen vom Bettler bis zum Unternehmer im Wirtshaus aufeinander. Für Peter sind Reichtum und Ruhm so erstrebenswert, dass er sich auf einen gefährlichen Handel mit dem Holländer-Michel einlässt, der als geprellter Holzfäller ebenfalls ein Verlierer des sozialen Wettbewerbs ist. Im Film klingen auch ökologische Fragestellungen an, wenn das Glasmännchen den Raubbau an der Natur betrauert, den eindrückliche Bilder illustrieren.