Mit seinen Blicken, Berührungen und Komplimenten verwöhnt Gigolo Joe die Frauen auf so perfekte Art und Weise, dass sie sich auf niemand anderen mehr einlassen wollen. Wir befinden uns in einer Zukunft, in der New York aufgrund geschmolzener Polkappen untergegangen ist und die wohlhabenden Überlebenden hochentwickelte Roboter geschaffen haben, sog. "Mechas", die den Menschen zum Verwechseln ähnlich sehen und je nach Fabrikat ganz verschiedene Funktionen ausführen können. Gigolo Joe ist ein "Love Mecha", der auf Liebesdienste programmiert wurde.

Das ideale Kind?

Noch höher entwickelt ist der kleine Mecha-Junge David – er kann fühlen und lieben wie ein echtes Kind. Da der leibliche Sohn des jungen Ehepaares Monica und Henry schwerkrank und bis auf Weiteres eingefroren ist, entschließen sich beide für die Aufnahme Davids in die Familie. Nach anfänglicher Annäherung zwischen Monica und David wird dieser wieder ausgesetzt, als er für den inzwischen genesenen Sohn ein zu hohes Risiko darstellt. Im weiteren Verlauf begibt David sich auf eine abenteuerliche Reise, bei der er alles daran setzt ein "richtiger Junge" und somit von Monica doch noch geliebt zu werden.

Was ist "echt"?

<kursiv_import>A. I. – Künstliche Intelligenz</kursiv_import> ist das bewegende Resultat eines von Stanley Kubrick vor 20 Jahren begonnenen Projektes, das Steven Spielberg nach dem Tod seines Freundes nun verwirklicht hat. Der Film entwirft eine steril wirkende Zukunft und kann als nachdenklicher Kommentar auf heutige soziale und ökologische Verhältnisse verstanden werden. Die Dialektik von Echtheit versus Künstlichkeit durchzieht das Werk wie ein roter Faden. So entscheidet sich Monica trotz der entstandenen emotionalen Beziehung für ihren leiblichen Sohn und gegen David. In ihrem Gewissenskonflikt ist sie mit der Frage konfrontiert, inwieweit David trotz seiner künstlichen Beschaffenheit Mensch genug ist, um beschützt und geliebt zu werden.

Mensch-Maschinen

Der Konflikt beschränkt sich nicht auf den persönlichen, familiären Bereich, er durchzieht die ganze Gesellschaft: Als David auf seiner Flucht zusammen mit anderen Mechas gefangen wird und in einer Arena "hingerichtet" werden soll, entscheiden sich die anwesenden Besucher aufgrund seiner sensiblen Gefühlsäußerungen gegen die beschwörenden Worte des Manegendirektors. Dieser möchte mit Davids Hinrichtung die Würde der Menschheit verteidigen. Die problematische Trennungslinie zwischen "echt" und "künstlich" stellt die Menschen vor eine schwierige Aufgabe: Einerseits bleibt ein Roboter eine Maschine, was durch die Darstellung der seriellen Produktion Davids unterstrichen wird. Andererseits erscheinen die Mechas beängstigend menschlich und die Menschen verlangen von ihnen Zuwendung, die sie unter ihresgleichen offenbar nicht mehr genügend erhalten.

Künstliche Realitäten

Die stark irritierende Schlussszene, in der David mit Monica einen Tag lang in einer virtuellen Realität verbringen darf, ruft erneut widerstreitende Gefühle hervor: Formal wie ein Happy-End angelegt, weiß der Zuschauer, dass die nicht virtuelle Monica in der Realität David verstoßen hat. Aber spielt das für den virtuell glücklichen David noch eine Rolle? Spielberg reflektiert die Dualität von Echtheit und Künstlichkeit ironisch noch in anderer Hinsicht: Gekonnt erschafft er Filmkulissen, wie das dekadente "Rouge City", als digitalen, also künstlichen Hintergrund für reale Schauspieler, und hinterfragt gleichzeitig artifizielle Realitäten auf ihren Bedeutungsgehalt für die Menschen.

Menschliche Gefühle

Nicht nur die vermeintliche Liebesfähigkeit Davids bleibt im Film ein unbeantwortetes Rätsel sondern auch die Gefühlswelt der Menschen, auf die Spielberg seine Aufmerksamkeit lenkt: Werden diese auch einen Roboter lieben können? Selbst wenn David sehr nützlich ist, wird er in letzter Instanz trotz vollständig menschlichen Verhaltens allein durch seinen Mangel an Fleisch und Blut als "anders" kategorisiert und als minderwertig abgelehnt. Da Mechas in dieser Welt zur Befriedigung menschlicher Bedürfnisse notwendig scheinen, macht der Film präzise Aussagen über die Qualität menschlicher Beziehungen.

Soziale Beziehungen

Es ist ein aufrüttelndes Paradoxon, wenn die Gigolo Joe aufsuchende Frau ihr Liebesglück nur mit einem Roboter erfährt, wo emotionale Wärme eigentlich nur zwischen "echten" Menschen möglich scheint. Und da sich die Menschen im Film nicht wesentlich von heutigen realen Personen unterscheiden, zeigt Spielberg mit diesem Beispiel auch emotionale Missstände in unserer Gegenwart auf. Der einzige Unterschied besteht darin, dass man sie mangels geeigneter Roboter nicht einfach kompensieren kann. Offen bleibt die Frage, ob es der im Film dargestellten Gesellschaft an verantwortlichem Handeln fehlt, wenn sich die darin hervorgebrachten Kreaturen, die Mechas, ihren gesellschaftlichen Platz verzweifelt erkämpfen müssen. Und obwohl David unsere Sympathien erweckt, verdeutlicht der Film auf der anderen Seite auch, dass das Verschrotten von Maschinen nicht per se moralisch abgelehnt werden kann, das Verhältnis zwischen Mensch und Maschine nicht grundsätzlich, sondern nur fallweise zu klären ist.

Komplexe Welten – komplexe Verwirrung?

Spätestens als nach einem Zeitsprung eine Gruppe neuer Erdbewohner erscheint und die Menschheit für ausgestorben erklärt, stellt sich ein Gefühl der thematischen Überfrachtung ein. Die Konzentration auf weniger Fragen, wie den Gewissenskonflikt Monicas, wäre einer tiefer gehenden Auseinandersetzung sicher förderlich gewesen. Andererseits scheint die Vielfalt der Handlungswendungen und aufgeworfenen Themen mindestens entschuldbar und bestenfalls angemessen angesichts der Komplexität künstlicher Wirklichkeit, die eigentlich nur ein Gefühl der Verwirrung hinterlassen kann. In der kreativen Kombination Kubrickscher und Spielbergscher Filmkunst wirft <kursiv_import>A.I.</kursiv_import> philosophische Grundfragen dennoch in einer Weise auf, dass man sich ihnen nicht entziehen möchte.