Kategorie: Filmbesprechung
"Gundermann"
Poet und Spitzel – ein Spielfilm über den DDR-Liedermacher
Unterrichtsfächer
Thema
Mitte der 1990er-Jahre sucht der ostdeutsche Liedermacher und Baggerfahrer Gerhard Gundermann ehemalige Weggefährten auf. Was er ihnen zu sagen hat, wiegt schwer: In der DDR hat er als inoffizieller Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit Berichte über sie geschrieben. Einer seiner Kollegen gibt sich daraufhin ebenfalls als Spitzel zu erkennen, der wiederum auf Gundermann angesetzt war. In Zum Inhalt: Rückblenden wird die Naivität deutlich, mit der der damals Anfang 20-jährige Gundermann seinem Führungsoffizier zuarbeitete und zugleich selbst ins Visier des Geheimdienstes geriet: als querdenkender Idealist, der die mangelnde Effizienz im Lausitzer Braunkohletagebau, den fehlenden Umweltschutz und die Bigotterie der sozialistischen Funktionäre in schonungsloser Offenheit anprangert – in seinen Liedern wie auch in Dienstbesprechungen.
Regisseur Andreas Dresen hat mehr als zwölf Jahre gemeinsam mit Drehbuchautorin Laila Stieler (Glossar: Zum Inhalt: Drehbuch) an dem Projekt gearbeitet und an Originalschauplätzen (Glossar: Zum Inhalt: Drehort/Set) in Hoyerswerda und Umgebung gedreht. Obwohl es viele Überschneidungen zwischen der filmischen Hauptfigur und dem 1998 im Alter von 43 Jahren verstorbenen Liedermacher gibt, zeichnet der Film dessen Leben nicht detailgetreu nach oder erklärt gar dessen ambivalentes Verhalten. Während sich Gundermanns Lieder nämlich durch eine poetische Zärtlichkeit auszeichnen, zeugen seine Berichte für die Stasi von Akribie und seinem Glauben an die staatliche Ordnung. Dresen montiert (Glossar: Zum Inhalt: Montage) Zum Inhalt: Szenen, die in den 1970er- und 1990er-Jahren spielen, ineinander. So wird das Netz aus Realität und Fiktion, aus Erinnerung und Verdrängung deutlich. Damit ist "Gundermann" in erster Linie trotz zahlreicher, von Alexander Scheer neu eingesungener Songs (Glossar: Zum Inhalt: Filmmusik) weder Musikfilm noch Zum Inhalt: Biopic, sondern vielmehr ein Film, der das Leben in der DDR differenziert darstellt. Dies wird durch Andreas Höfers Kameraarbeit unterstützt, die den im Film thematisierten Fortschrittsglauben der DDR mit Einstellungen konterkariert, die die Enge in Plattenbauwohnungen ebenso verdeutlichen wie die Zerstörung der Natur durch den Braunkohletagebau.
Im Ethik- und Geschichtsunterricht kann anhand der Figur Gundermann hinterfragt werden, warum sich Menschen von der Stasi als Spitzel anwerben ließen. Eine mögliche Erklärung kann hier unter anderem in den dargestellten zerrütteten Familienverhältnissen gefunden werden. Während Gundermanns Vater seit Jahren nicht mehr mit seinem Sohn gesprochen hat, findet dieser im Führungsoffizier einen Vaterersatz. Im Sozialkundeunterricht bietet es sich an, die im Film präsentierten Ideen zur Nachhaltigkeit zu besprechen. Um Energie zu sparen baut Gundermann etwa eine Dusche, deren Wasser durch die Sonne erhitzt wird. Zentrales Moment des Filmes ist aber der Umgang mit der Vergangenheit, der unmittelbar am Werdegang des Protagonisten erörtert werden kann. Daran anschließend lässt sich diskutieren, auf welche Art und Weise die Aufarbeitung der DDR-Geschichte erfolgt und welche Bedeutung den Akten der Staatsicherheit zukommt. Im Geschichtsunterricht sollte die Aussagekraft derartiger Quellen erörtert werden. Die Auseinandersetzung mit der Musik und den Texten Gundermann bietet Stoff für Musik- und Deutschunterricht.