Pablo Berger begann seine Regielaufbahn mit Kurzfilmen, Video- und Werbeclips, bevor er 2003 sein Spielfilmdebüt ablegte. "Robot Dreams" ist der erste Zum Inhalt: Animationsfilm des Spaniers. Im Interview mit kinofenster.de spricht er über die Unterschiede zur Vorlage, die Bedeutung der Songs, den von anthropomorphen Tieren bevölkerten Schauplatz New York – und wie Kinder den Film erleben.

kinofenster.de: "Robot Dreams" ist eine Zum Inhalt: Adaption der gleichnamigen Graphic Novel von Sara Varon. Ihre bisherigen Filme waren Live-Action-Filme. Wie kam es dazu, dass Sie genau dieses Buch verfilmt haben?

Pablo Berger: Eigentlich hatte ich nie gedacht, dass ich mal einen Animationsfilm drehen würde. Ich habe das Buch 2010 gelesen, weil ich Graphic Novels ohne Dialoge sammle. Acht Jahre später habe ich es zufällig wieder aus dem Regal genommen, und als ich am Ende des Buches ankam, war ich so bewegt, dass mir die Tränen kamen. Ich dachte, wenn ich an so viele vergangene Freundschaften erinnert werde, wird es auch ein Filmpublikum geben, dass an eigene Erlebnisse anknüpfen kann.

kinofenster.de: Welche Änderungen haben Sie bei der Adaption vorgenommen?

Pablo Berger: Mir war es wichtig, den Geist des Buches zu bewahren, besonders die Themen Freundschaft, Beziehungen, Einsamkeit, Verlust und Erinnerung. Aber eine Graphic Novel entsteht durch eine Künstlerin, die ein Jahr lang arbeitet, und ein Film durch hunderte von Künstler/-innen, die fünf Jahre lang arbeiten. Die Handlung ist immer noch die gleiche, aber der Detailreichtum ist unglaublich viel größer. Zum Beispiel beginnt das Buch direkt mit der Ankunft des Roboters. Für mich brauchte es davor eine Einführung: "Es war einmal ein einsamer Hund in New York". Man sieht, dass er isst, fernsieht, allein spielt. Auch das Ende besteht im Buch aus nur acht Zeichnungen, ich habe acht Minuten Film daraus gemacht.

kinofenster.de: Wie wichtig war Ihnen dabei der Schauplatz New York und die Zeit der 1980er-Jahre?

Pablo Berger: In der Graphic Novel gibt es kein New York, es ist nur irgendeine nordamerikanische Stadt. Ich wollte unbedingt New York zur Protagonistin zu machen, weil ich zehn Jahre dort gelebt habe. Die Vielfalt der Menschen mit unterschiedlichem sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Hintergrund macht die Stadt zu einem besonderen Ort. Wie in der Zum Inhalt: Szene an der U-Bahn-Station: Es gibt Obdachlose, Student/-innen, einen "Wolf of Wall Street", alle an einem Ort. Zudem sind alle meine Filme historische Filme. Ich mag die Idee, dass das Kino wie eine Zeitmaschine ist. Man bezahlt ein Ticket, die Lichter gehen aus und man wird in die Leinwand und an einen anderen Ort gezogen. Mir gefällt es, dass das Publikum mit "Robot Dreams" für eineinhalb Stunden im New York der 80er verweilen kann.

kinofenster.de: Durch die anthropomorphen Tierfiguren wirkt die Stadt sehr divers und lebendig. In Einzelfällen könnten bestimmte Menschengruppen die Wahl und Darstellung der Tierart aber als klischeehaft oder diskriminierend verstehen – ich denke da an den Gorilla als Sicherheitsmann, der als Schwarzer gelesen werden könnte, oder an den Geier als jüdischen Pfandleiher. Nach welchen Kriterien haben Sie die Tierarten ausgewählt?

Pablo Berger: Menschengruppen bestimmten Tieren zuzuordnen, wäre ein stereotypes Klischee. Unsere Mission war genau das Gegenteil. Die afroamerikanischen Charaktere werden beispielsweise durch sehr unterschiedliche Tiere verkörpert, mal ein Hase, mal ein Hund und so weiter. Der Gorilla-Sicherheitsmann am Pier beispielsweise ist für mich nicht unbedingt ein Afroamerikaner. "Gorilla" sagt man auch zu Bodyguards, er ist also einfach ein starker Typ. Für die Figuren im Hintergrund hatten wir ein Team von zehn Charakterdesigner/-innen, die tausende von Zeichnungen angefertigt haben. Manchmal gibt es einige Figuren im Hintergrund, über die ich nicht die Kontrolle hatte. Den Pfandleiher habe ich zum Beispiel nicht als jüdisch wahrgenommen.

kinofenster.de: Die Charaktere kommunizieren nicht durch Worte, aber durch Sounds, Blicke und Musik. Wie kam es zu dieser Entscheidung?

Pablo Berger: Ich habe mit "Blancanieves" (ES/FR 2012) schon einen Film ohne Dialoge gedreht. Ich mag es, mit Bildern zu schreiben und Geschichten visuell zu erzählen. Das macht den Film zu einer einzigartigen Kunstform. Wichtige Dinge im Leben werden auch nicht immer mit Worten, sondern durch Taten gesagt. Die Musik ist dabei die Stimme der Charaktere und vermittelt Emotionen auf eine tiefgreifende Art. Ich liebe es, wenn Musik und Bilder zusammenkommen und starke Gefühle hervorrufen, in "Robot Dreams" ist es besonders eine Kombination aus Lachen und Weinen. Wenn Dog und Robot September von Earth, Wind und Fire hören, denken sie aneinander, so wie Musik auch in jeder anderen Beziehung unmittelbar als Gedächtnis der Seele funktioniert.

kinofenster.de: Erzählungen über fühlende und träumende Roboter gibt es schon lang in Literatur und Film – aktuell wird aber auch jenseits von Zum Inhalt: Science-Fiction-Erzählungen viel über soziale Maschinen gesprochen. Ist Ihr Film auch ein Kommentar zu der Diskussion um künstliche Intelligenz?

Pablo Berger: Als Sara Varon das Buch 2007 geschrieben hat, und auch als wir vor fünf Jahren angefangen haben, den Film zu drehen, war künstliche Intelligenz noch lange kein Trendthema so wie heute. "Robot Dreams" ist ein humanistischer Film, eine Fabel und kein Film über die Zukunft der Technologie. Robot wurde nicht mit einer bestimmten Software ausgestattet, er ist einfach eine Metapher für den idealen Freund. Ich möchte, dass Kinder und auch Erwachsene, die den Film sehen, nicht an künstliche Intelligenz denken, sondern an einen bestmöglichen Gefährten.

kinofenster.de: Die Graphic Novel Robot Dreams stand auf der Kinderleseliste von Zum externen Inhalt: Oprah Winfreys Book Club für Kinder von 6 bis 9 Jahren (öffnet im neuen Tab). An wen richtet sich der Film aus Ihrer Sicht?

Pablo Berger: Ich denke, dieser Film hat ein sehr weites Publikum: Cineast/-innen auf Filmfestivals genauso wie junge Kinder, die das erste Mal ins Kino gehen. Das Besondere ist, dass der Film Kinder ernst nimmt und in gewisser Weise als Erwachsene behandelt. Ich denke, Kinder können auch mit dem umgehen, was wir ernste Themen nennen. Sicher wird das Ende für sie überraschend sein, weil es unerwartet ist. Das ist es aber auch, was diesen Film von anderen Kinderbüchern oder -filmen mit Einhörnern, Regenbögen und "rosaroten Enden" hervorhebt.

kinofenster.de: Welchen Beitrag kann Filmbildung dabei leisten?

Pablo Berger: Aus meiner Sicht sollten Filme Fragen aufwerfen, keine Antworten geben. Wenn Eltern oder Lehrer/-innen den Film jungen Kindern zeigen, wird das sicher zu Diskussionen führen. Filmbildung hat da eine Verantwortung, ein junges Publikum an diese bestimmte Art von Filmen heranzuführen – und es dazu zu bringen, dass sie das Kino lieben.