In Dakar bereitet ein Schlepperring die nächste Überfahrt von Migranten/innen aus dem Senegal und Guinea vor, sucht aber noch einen Kapitän. Der erfahrene Fischer Baye Laye übernimmt widerwillig die Aufgabe, die Flüchtlinge in einer Piroge, einem einfachen offenen Fischerboot, zu den Kanarischen Inseln zu bringen. An Bord befinden sich 30 Männer, darunter auch sein jüngerer Bruder Abou, und eine Frau, die als "blinder Passagier" mitreist. Die Passagiere/innen haben teuer bezahlt für die Überfahrt und hoffen auf ein besseres Leben im vermeintlichen Paradies Europa. Als unterwegs immer mehr Probleme auftauchen und der Motor ausfällt, wird die Reise zu einem Albtraum.

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Im Unterschied zur Zum Inhalt: Exposition mit einem folkloristischen Ringkampf auf einem quirligen Marktplatz spielt der größte Teil des episodisch strukturierten Flüchtlingsdramas auf dem engen Boot. Das kammerspielartige Ambiente und die glühende Sonne verstärken die Spannungen unter den Insassen/innen, die aus unterschiedlichen Ethnien und Religionsgruppen stammen, und zum Teil nicht einmal schwimmen können. Eine ähnlich klaustrophobische Situation hatte Touré in seinem zweiten Spielfilm "TGV-Express – Der schnellste Bus nach Conagry" (Frankreich, Senegal 1998) als Basis für eine süffisante Komödie über die Odyssee einer afrikanischen Busreisegruppe genutzt. Mit Nahaufnahmen (Glossar: Zum Inhalt: Einstellungsgrößen) von den Gesichtern der entwurzelten Migranten/innen bleibt die Kamera dicht an deren Sehnsüchten: Einer möchte in Europa als Fußballer reüssieren, ein anderer will auf einer Gemüseplantage arbeiten. Als die Piroge antriebslos dahintreibt, unterstreichen lange Kameraeinstellungen das endlose ohnmächtige Warten, das zunehmend in Resignation oder Verzweiflung mündet.

Der Abspann des dritten Langspielfilms des senegalesischen Regisseurs Moussa Touré erklärt, dass zwischen 2005 und 2010 rund 30.000 Westafrikaner versucht haben, über das Meer zu den Kanarischen Inseln zu gelangen. Jede/r Sechste von ihnen kam dabei ums Leben. Mit seinem Film "Die Piroge" hat Touré eine überzeugende Parabel gefunden, um die Risiken anschaulich zu machen, die Armutsflüchtlinge in einer Welt ungleich verteilter Güter im Kampf um Lebenschancen auf sich nehmen. Ihre vielfältigen Träume und Visionen liefern reichlich Ansatzpunkte, um mit Jugendlichen die tieferen Motive der Migration zu ergründen. Die Figur des Kapitäns und Familienvaters, der wider besseres Wissen die gefährliche Mission antritt, kann im Ethikunterricht den Anstoß geben, die besondere Verantwortung für Menschenleben zu erörtern. Andererseits legt der Charakter des geldgierigen Schleppers Lantana nahe, die ökonomischen Interessen der Zurückgebliebenen und Phänomene wie Korruption und Landflucht zu beleuchten, die große Migrationsbewegungen aus verarmten Weltregionen nach Europa mit sich bringen.

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