Für seine vierte Regiearbeit adaptierte der Schauspieler und Oscar-Preisträger Sean Penn den auf Tatsachen beruhenden Reportageroman Into the Wild (1996) des Bergsteigers und Reisejournalisten Jon Krakauers. Penn, der auch das Drehbuch schrieb, rekonstruiert die Odyssee eines 22-jährigen Aussteigers in Nordamerika und gestaltet sie zu einem komplexen Abenteuer-Epos mit grandiosen Naturbildern und einem exzellenten Darstellerensemble. Ausgangspunkt des Films ist ein ausrangierter Bus in der rauen Bergwelt Alaskas, der Christopher McCandless auf der letzten Etappe seiner Reise als Unterschlupf dient. Von hier aus werden in Rückblenden Wendepunkte der familiären Vorgeschichte sowie Stationen der zweijährigen Wanderschaft des Protagonisten erzählt, aber auch Episoden des viermonatigen Überlebenskampfs in Alaska. Die Bildsequenzen werden von Christophers jüngerer Schwester Carine, die als einziges Familienmitglied seinen Ausbruch nachvollziehen kann, aus dem Off kommentiert.

Christopher McCandless hat das College mit Auszeichnung abgeschlossen. Doch statt, wie von den gutbürgerlichen Eltern gewünscht, ein Jurastudium aufzunehmen, zerschneidet er Kreditkarten und Sozialversicherungsausweis, verbrennt sein letztes Bargeld und macht sich auf die Reise nach seinem Sehnsuchtstort Alaska. In Anlehnung an eine Romanfigur aus William Henry Davies' Autobiographie eines Vagabunden (1908) nennt sich Christopher, der sich für die Bücher von Henry David Thoreau und Jack London begeistert, in "Alexander Supertramp" um und trampt kreuz und quer durch Nordamerika. Während "Supertramp" seine Familie im Unklaren lässt, schließt er unterwegs rasch Freundschaften.

Das Schicksal des jungen Außenseiters Christopher McCandless, sein ungestümer Idealismus und sein bitteres Ende, bieten ein breitgefächertes Spektrum von Anknüpfungspunkten für die filmpädagogische Arbeit. Insbesondere Fragen zur gesellschaftlichen Anpassung und Zivilisationskritik, zu den Möglichkeiten und Grenzen der Selbstverwirklichung sowie zur Entwicklung von Lebensperspektiven lassen sich anhand des Films thematisieren. Problematisch an Penns romantischer Ballade erscheint die konsequente Heroisierung des zivilisationsmüden Helden, der in seinem selbst zerstörerischen Egoismus nicht nur eine markante persönliche Unreife zeigt, sondern auch ohne Rücksicht auf Verluste seine Eltern in die Verzweiflung treibt und seine Weggefährten vor den Kopf stößt. Dennoch ist Penn ein meisterhafter Film gelungen, der mit großer Subtilität die Motive des Außenseiters auszuloten versucht, aber am Ende einräumen muss, dass letzte Fragen nach Sinn und Grenzen der menschlichen Individualität und Existenz offen bleiben müssen.

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