Sechs junge Menschen Anfang der 1980er-Jahre in der DDR: Sie waren unangepasst und rebellisch, sie waren nicht Willens, die vorgegebenen Möglichkeiten realsozialistischer "Freizeitgestaltung" in Anspruch zu nehmen. Sie waren Punks. Ihr Auftreten wurde im "Arbeiter- und Bauernstaat" genau als die Provokation verstanden, als die sie auch gedacht war. Hatte bei Jugendfunktionären und Sicherheitskräften zunächst noch Ratlosigkeit gegenüber den Punks geherrscht, setzte sich spätestens ab 1983 eine restriktive Position durch: Bands wurden verboten, Punks auf offener Straße verhaftet, Freundeskreise vom Ministerium für Staatssicherheit (MfS) systematisch unterwandert. Binnen weniger Monate wurde die erste Generation von bekennenden Punk-Anhängern in der DDR kriminalisiert und aus der Öffentlichkeit verdrängt. Die Erzählungen von Colonel, Mike Göde, Daniel Kaiser, Mita Schamal, Cornelia Schleime und Bernd Stracke kulminieren in Erinnerungen an die staatlichen Repressionen, denen sie alle ausgesetzt waren. Von den sechs Interviewpartnern/innen waren vier zeitweilig inhaftiert, fünf verließen unter dem anhaltenden politischen Druck die DDR Richtung Westen, leiden teilweise bis heute unter Traumatisierungen.

Der Film befragt die ehemaligen Aktivisten/innen nach ihren Motivationen und Erlebnissen, montiert die aktuellen Gespräche mit einer Fülle historischen Materials und unterlegt sie mit viel Musik. Dabei bedient sich "ostPunk! too much future" von Beginn an einer Filmsprache, die an den nervösen Stil des Punk erinnert. Statt mit einer herkömmlichen Exposition werden die Zuschauenden mit einem turbulenten Mix aus Bild- und Musikfragmenten konfrontiert, der weitgehend auf Orientierungshilfen (beispielsweise einen ergänzenden Kommentar) verzichtet. Diese bruchstückhafte Collage resultiert auch aus der schlechten Materiallage. Aus der Not des Mangels wird eine Tugend: Schmalfilmsequenzen, verfremdete DDR-Propagandafilme, statische und animierte Fotografien sowie Fragmente von MfS-Überwachungsmaterial rekonstruieren über weite Strecken das einstige Lebensgefühl. Teils wird jedoch die Zeitreise allzu stark aufs Anekdotische verkürzt. Insgesamt vermag der Film jedoch Neugierde auf ein weithin unbekanntes Kapitel ostdeutscher Jugend- und Protestkultur zu wecken.

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