Kategorie: Filmbesprechung
"Kneecap"
Irisch statt englisch: die halb-fiktionale Geschichte eines Hip-Hop-Trios aus Belfast, die mit ihrer Musik die eigene Sprache stärken wollen
Unterrichtsfächer
Thema
Bildungsrelevant, weil "Kneecap" originell inszeniert ist und eine Lanze für die politische Dimension des Hip-Hops und den Wert indigener Sprachen bricht.
Die Geschichte: Hip-Hop gegen das Establishment
Weil die Polizei ihn mit Drogen erwischt hat, sitzt Liam in einem Belfaster Verhörraum. Aussagen will der Jugendliche aber partout nur auf Irisch – weil das und nicht Englisch seine Sprache ist. Der als Dolmetscher hinzugerufene Musiklehrer JJ erweist sich direkt als Verbündeter, als er das LSD aus Liams Notizbuch versteckt. Die darin aufgeschriebenen wütenden Texte wenden sich unter anderem gegen die britische Dominanz in Nordirland. Davon angetan, motiviert JJ Liam und dessen Kumpel Naoise dazu, aus den Lyrics Hip-Hop-Musik zu machen. In der Garage des Lehrers entstehen die ersten Beats, der erste Auftritt folgt in einem kleinen Pub. Bald rufen der politische Sprengstoff der Texte und das provokante Auftreten der Gruppe resolute Gegner auf den Plan.
Filmische Umsetzung: ein dynamischer Belfast-Trip
Im Zum externen Inhalt: autofiktionalen (öffnet im neuen Tab) "Kneecap" spielt sich das gleichnamige Rap-Trio aus Belfast selbst. Der Clou ihrer Musik sind die überwiegend auf Irisch-Gälisch gerappten Texte, die der Film in an Musikvideos erinnernden Zum Inhalt: Sequenzen mit Untertiteln übersetzt. Rich Peppiatt inszeniert den Durchbruch als dynamisches Kinoerlebnis, das das hedonistische Image der Band ins Filmische transferiert. Nicht zuletzt die häufigen Drogentrips der Rapper bieten Gelegenheit zur wilden Durchmischung filmischer Stilformen – darunter ein launiges Zum Inhalt: Voiceover, Squenzen in Zum Inhalt: Zeitraffer und Zeitlupe, Splitscreens, Zum Inhalt: Farbfilter und ein mit Knetfiguren animierter Rausch (Glossar: Zum Inhalt: Animationstechniken). Thematisiert wird neben dem Selbstverständnis nordirischer Jugendlicher auch das Verhältnis zu älteren Generationen, die stark vom Nordirlandkonflikt geprägt sind. Von klein auf hat der als IRA-Mann untergetauchte Vater Liam Irisch beigebracht, denn: "Jedes gesprochene Wort Irisch ist eine Kugel für die Freiheit Irlands."
Thema: Sprache und Identität
Zusammengehalten wird "Kneecap" von der Musik und seinem übergeordneten Thema Sprache und Identität (auch deshalb ist es dringend angeraten, die Originalversion zu sichten.) "Ein Land ohne Sprache ist keine richtige Nation", überspitzt ein Dialog die Wichtigkeit, die die Protagonisten der Sprache für ihre kulturelle Identität beimessen. Zur Zeit der britischen Kolonialherrschaft wurde das Irisch-Gälische systematisch unterdrückt; mit ihrer Rap-Musik trägt das Trio Kneecap zur Stärkung der Landessprache bei. Der Film zeigt aber auch eine konventionelle Alternative, sich für indigene Sprachen einzusetzen: JJs Ehefrau engagiert sich politisch für die gesetzliche Gleichstellung des Irischen mit dem Englischen. Der Abspann weist darauf hin, dass dieses Anliegen 2022 mit dem Identity and Language (Northern Ireland) Act umgesetzt wurde.
Kritischer Aspekt: bedenkenloser Drogenkonsum
Im Voiceover bezeichnet Liam Drogen als "Scheiß-Berufung". Entsprechend unkritisch feiert der Film den bedenkenlosen Konsum diverser Drogen, was in einem nachbereitenden Gespräch eingeordnet werden sollte.
Fragen für ein Filmgespräch
"Kneecap" zeigt Hip-Hop als Akt der Rebellion. Welche weiteren Beispiele kennt ihr, bei denen Musik politische oder gesellschaftliche Kritik formuliert?
Regisseur Rich Peppiatt nutzt eine breite Palette filmischer Stilmittel. Welche davon sind euch besonders aufgefallen? Wie hängt die Form mit dem Inhalt zusammen?
Der Film stellt die Bedeutsamkeit der irischen Sprache heraus. Kennt ihr weitere indigene Sprachen? Wie hängen Sprache und Identität zusammen?