Kategorie: Filmbesprechung
"Milchzähne"
Eine junge Frau und ihre Mutter versuchen ein Kind zu retten, das von der Dorfgemeinschaft als Eindringling abgelehnt wird.
Unterrichtsfächer
Thema
Irgendwo in Deutschland in nicht allzu ferner, möglicherweise postapokalyptischer Zukunft: Skalde und ihre Mutter Edith leben in einer Waldsiedlung, deren Bewohner/-innen sich bewusst von der Außenwelt isoliert haben. Eines Tages steht ein kleines Mädchen "im Garten, wie hingezaubert": Meisis, von der niemand weiß, wo sie herkommt. Edith, die im Dorf als "Hexe" geächtet ist, nimmt das Kind auf – sehr zum Missfallen ihrer Tochter, denn die Gemeinschaft duldet keine Fremden und ahndet unerbittlich jeden Regelverstoß, auch um das Dorf vor vermeintlichen Gefahren zu schützen: Erst kürzlich wurde wieder ein Schaf gerissen. Was wenn Meisis ein "Wolfsmädchen" und dafür verantwortlich ist? Als Skalde ihre Vorbehalte aufgibt, kann sie die Anwesenheit des Mädchens jedoch nicht lange geheim halten. Auch ihre Versicherung, Meisis werde sicher bald ihre Milchzähne verlieren und sich damit als "eine von uns" erweisen, kann die Nachbar/-innen nicht besänftigen. Edith rät zur Flucht über den breiten Fluss, doch Skalde will nicht fortgehen. Als zwei Mädchen spurlos verschwinden, eskaliert die Situation.
"Milchzähne" , der auf dem gleichnamigen Roman von Helen Bukowksi basiert, erzeugt eine bedrückende Stimmung: Die Menschen streifen auf der Jagd durch weite Wälder, die Häuser scheinen jeweils für sich im Nirgendwo zu stehen, die Strecken werden mit alten Autos gefahren – dennoch kann jederzeit die halbe Nachbarschaft bedrohlich vor der Tür stehen. Kontakt zu einer äußeren Welt gibt es nicht, nur Geraune, das von der anderen Seite des Flusses zu hören ist. Betont wird das Gefühl des Eingeengt-Seins auch durch die Kameraführung mit vielen Detailaufnahmen (Glossar: Zum Inhalt: Einstellungsgrößen), die dunkle Zum Inhalt: Lichtgestaltung und erdige Zum Inhalt: Farbgebung sowie eine unheilvoll klingende und zugleich zurückhaltende Zum Inhalt: Filmmusik. Durch die weitgehende Abwesenheit moderner Technologie sowie durch die Verortung im Wald (Glossar: Zum Inhalt: Drehort/Set) wirkt die Handlung zeitlich und örtlich unspezifisch – wie ein in einem modernen Märchen, in dem Aberglauben und archaische Weltvorstellungen vorherrschen. Aus diesen aber entstehen die strengen, willkürlich erscheinenden und oft unausgesprochenen Gemeinschaftsregeln, die im Lauf des Films die Generationen Edith – Skalde – Meisis zunehmend unter Druck setzen.
Der Film bietet verschiedenartige Anknüpfungspunkte im Deutschunterricht: Zum einen zeigt er beispielhaft, welche Änderungen in Stoff, Inhalten, Perspektiven und Erzählweisen bei der Verfilmung eines Romans (Glossar: Zum Inhalt: Adaption) vorgenommen werden können. So spielt im Vergleich zum Roman das Thema Klimakatastrophe im Film nur unterschwellig eine Rolle, während die Beziehung zwischen Tochter und Mutter mehr Raum erhalten hat. Hier lässt sich überlegen, warum diese und andere Änderungen im Zum Inhalt: Drehbuch gesetzt wurden. Darüber hinaus lässt sich über Form und Funktion von Märchen und Mythen diskutieren. Spannend ist hier auch, Parallelen zwischen der Geschichte des Films/des Romans und unserer krisenreichen Gegenwart zu entdecken und zu diskutieren. Die spezifische Form der in "Milchzähne" gezeigten Gemeinschaft, ihre Regeln und (Selbst-)Verwaltungsstrukturen bieten Stoff für die Fächer Politik, Ethik und Sozialkunde: Nach welchen Prinzipien funktioniert die dargestellte Gemeinschaft? Wie verhalten sich die einzelnen Figuren zueinander? Welche Konflikte entstehen und wie wird ihnen begegnet?