Kategorie: Filmbesprechung
"Königin von Niendorf"
Die zehnjährige Lea möchte in den Sommerferien unbedingt Mitglied der "Kartoffelbande" werden, aber diese nimmt nur Jungs auf. Schließlich kann das Mädchen aber zeigen, was in ihr steckt.
Unterrichtsfächer
Thema
Endlich haben die Sommerferien in Brandenburg angefangen, aber Lea kann sich nicht richtig darüber freuen. Eigentlich wollte sie mit Lara ins Ferienlager fahren, doch dann sagt ihre Freundin am letzten Schultag ziemlich schnöde ab. Nach der Schule hakt sich Lara bei einem anderen Mädchen unter - und Lea muss alleine nach Hause radeln. Nun liegen vor der Zehnjährigen sechs lange Wochen, deren Tage gefüllt werden wollen. Wenn Lea allein durch die Straßen ihres Heimatorts Niendorf fährt, sieht sie, wie ihre Klassenkameradinnen Tanzschritte einüben. Aber das ist nichts für Lea. "Irgendwie sind alle komisch geworden", findet sie. Die Mädchen interessieren sich nur noch für ihr Aussehen und für Jungen; die Jungen hingegen wollen nichts mehr mit Mädchen zu tun haben. Auch nicht Nico, Robert, Paul und die anderen von der "Kartoffelbande", die sich immer in einem Baumhaus treffen. Ständig hecken sie etwas aus, machen Lagerfeuer oder bauen aus leeren Fässern ein Floß. Lea würde zu gerne mitmachen, aber die Jungen sind davon überzeugt, dass Mädchen "immer vor allem Angst haben" und wollen nichts mit ihr zu tun haben. Doch weil die "Kartoffelbande" wissen möchte, was der Feuerwehrmann jeden Abend Rätselhaftes in seinem Keller tut, denkt sie eine Mutprobe für Lea aus. Jetzt kann sie den Jungen endlich beweisen, was in ihr steckt.
Ein Mädchen, keine Prinzessin
Mit Lea etabliert die Regisseurin und Zum Inhalt: Drehbuchautorin Joya Thome in ihrem Debütfilm "Königin von Niendorf" eine Heldin, die in ihrer Natürlichkeit überaus authentisch wirkt. Lea ist eine stille und verträumte Zehnjährige, die sich einsam fühlt und nach Anschluss sucht. Wenn das Mädchen anfangs allein, später mit der "Kartoffelbande" durch die Gegend streift, fängt der Film die flimmernde Stimmung ländlicher Sommertage ein. Wie der spanische Klassiker "Der Geist des Bienenstocks" (Víctor Erice, 1973) über eine Kindheit in der kastilischen Provinz hat "Königin von Niendorf" einen Blick für die kleinen Momente, etwa wenn Lea einen Käfer über ihre Hand krabbeln lässt oder in den Himmel schaut. Immerzu ist das Zirpen der Grillen, das Zwitschern der Vögel zu hören. Zeitlich entrückt wirkt das Dorf wie auch das Bild, das der Film von Kindheit auf dem Lande entwirft, kommen doch selbst die Teenager im Dorf völlig ohne Handy oder andere digitale Medien aus. Nur Nico, der Anführer der Bande, spielt einmal am Computer ein Ballerspiel. Allein der Einsatz bekannter Zum Inhalt: Popsongs, etwa von der Band Tocotronic, schafft eine Verbindung zum Gegenwärtigen. Gedreht im fast quadratischen 4:3-Format öffnet der Film nicht den Blick für die weite Landschaft, sondern für die Kinder und deren Perspektive. Lea und die Jungs leben in ihrer eigenen Welt und nach eigenen Regeln und so diskutieren sie etwa mit großer Ernsthaftigkeit, ob die Mitgliedsbeiträge der Bande in Cola investiert werden sollen.
Eine Welt fast ohne Erwachsene
Joya Thome, die als Kind selbst viel Zeit in Niendorf verbracht hat, zeichnet eine Kinderwelt, in der Erwachsene nur am Rande vorkommen. Wenn Lea zu Mittag isst, ist das Bild so Zum Inhalt: kadriert, dass man die Mutter nie vollständig sieht. Die Bürgermeisterin des Dorfes, stets in Zum Inhalt: Rosa gekleidet, ermahnt Lea zwar einmal an das Einhalten von Verkehrsregeln, aber meist sind die Kinder sich selbst überlassen. So kann sich Lea auch auf eine zweite, überaus gefährliche Mutprobe am Bahngleis einlassen. Und doch sind es die Geheimnisse und Probleme der Erwachsenen, denen die Kinder wie Detektive nachspüren, ohne dass diese Erzählstränge dramaturgisch je ins Zentrum geraten. So kommt Lea zwar dem Geheimnis des Feuerwehrmanns auf die Spur, der einen anderen Mann liebt. Doch integer wie Lea ist, plaudert sie ihre Entdeckung nicht aus. Ebenso engagiert versuchen die Kinder, dem Außenseiter Mark Wagenburg zu helfen, der auf einem verwilderten Bauernhof lebt und die einzige präsente Erwachsenfigur in Niendorf ist. Für Lea ist der unangepasste Musiker eine wichtige erwachsene Bezugsperson. Regelmäßig besucht sie ihn, weil sie sich von ihm ernstgenommen fühlt. Doch nun droht er hochverschuldet seinen Hof zu verlieren und die "Kartoffelbande" versucht gewieft, dies zu verhindern. Auch hier unterläuft "Königin von Niendorf" gängige Erzählmuster, denn die Kinder müssen erkennen, dass sie die Probleme der Erwachsenen nicht lösen können.
Ein etwas anderer Kinderfilm
"Königin von Niendorf" , mit einem Crowdfunding-Budget von 20.000 € produziert, ist ein gelungenes Beispiel für einen Zum Inhalt: Kinderfilm, der seinem jungen Publikum sowohl inhaltlich als auch formal etwas zutraut. Hier sind die Protagonistinnen und Protagonisten Kinder vom Dorf, die gemeinsam für alltägliche Konflikte Lösungen suchen und manchmal auch finden. Statt inhaltlich auf Abenteuerliches und dramaturgisch auf Spannungsbögen zu setzen, fängt die Filmemacherin in szenischer Erzählweise Impressionen eines Sommers ein, der in seiner Unberührtheit zuweilen etwas überhöht wirkt. Wenn die Bande am Ende, musikalisch untermalt von dem ausgelassenen Popsong "Lollipop", auf Fahrädern unterwegs ist, dann sieht man Lea an, dass sie sich weiterentwickelt hat und aus dem anfänglich melancholischen Mädchen eine kleine Königin geworden ist.