Auf dem Geburtstag ihrer großen Schwester feiert die 15-jährige Chiara mit ihrer Familie und tanzt mit ihrem Vater zu kitschigen Popsongs. In der Nacht wacht sie aus einem Alptraum auf. Schlaftrunken beobachtet sie, wie ihr Vater über den Zaun im Hinterhof verschwindet und wegläuft. Als sie ihm folgen will, geht das Familienauto plötzlich in Flammen auf. Ihr Vater ist spurlos verschwunden. Verzweifelt und wütend sucht Chiara nach einer Erklärung, die ihr niemand geben will. Sie sei noch zu jung und könne das alles nicht verstehen, hört sie immer wieder auf ihre bohrenden Fragen. Als sie schließlich erfährt, dass nach ihrem Vater als Mitglied der kalabrischen Mafia gefahndet wird und er auf der Flucht ist, beginnt für Chiara nicht nur eine Suche nach der Wahrheit über ihre Familie, sondern auch nach ihrem eigenen Platz in der Welt. Je tiefer sie in die Ereignisse verstrickt wird und je näher sie den ersehnten Antworten kommt, desto schwieriger werden die Entscheidungen, die sie treffen muss – auch in Bezug auf ihren geliebten Vater.

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Mit "Chiara" schließt der US-amerikanisch-italienische Regisseur Jonas Carpignano seine lose Trilogie über die Hafenstadt Gioia Tauro (Glossar: Zum Inhalt: Drehort/Set) im süditalienischen Kalabrien ab, die er 2015 mit Zum Filmarchiv: "Mediterranea" begonnen hat. Das düstere Zum Inhalt: Coming-of-Age-Drama verzichtet auf Mafia-Filmklischees und taucht stattdessen konsequent in die Perspektive seiner jungen Protagonistin ein. Am Anfang ist ihre Welt klein und eng gerahmt (Glossar: Zum Inhalt: Kadrage/Cadrage) – der erste Teil des Films zeigt sie mit fast dokumentarischem Blick (Glossar: Zum Inhalt: Dokumentarfilm): die Strandpromenade, an der Chiara heimlich mit ihren Freundinnen raucht, die Gesichter ihrer Familie, die Tretmühle im Fitnessstudio, wo sie auf der Stelle rennt. Doch als die klaren Bezugspunkte ihrer Welt wegbrechen, schleichen sich auch filmästhetisch Störungen und verunsichernde Momente ein, die die Grenzen zwischen Wirklichkeit und Alptraum verschwimmen lassen: Lichter flackern auf Chiaras Gesicht, im Boden des Schlafzimmers tut sich ein Abgrund auf, der wummernde Soundtrack (Glossar: Zum Inhalt: Filmmusik) verzerrt und ertränkt die Geräusche der Umgebung. Auf Chiaras Suche nach Antworten bleibt die Handkamera ihr buchstäblich auf den Fersen, hastet ihr hinterher durch dunkle Straßen und Flure, oder blickt beobachtend über ihre Schulter. Wie Chiara eröffnen sich uns immer nur Bruchstücke – dieses Gefühl des Greifens nach einer Wahrheit, die unter der Oberfläche brodelt aber nie ganz sichtbar wird, vermittelt der Film eindrucksvoll.

Die ausdrucksstarke Ton- (Glossar: Zum Inhalt: Tongestaltung/Sound Design), Zum Inhalt: Licht- und Bildgestaltung (Glossar: Zum Inhalt: Bildkomposition) eignen sich besonders für eine filmästhetische Auseinandersetzung in den Fächern Kunst, Musik oder Deutsch. Im Voraus können entsprechende Sehaufträge vergeben und anschließend gemeinsam ausgewertet werden: Wo fallen Licht, Ton und Kameraführung besonders auf? Welche Stimmung erzeugen sie? Wie stellen sie Chiaras Gefühlswelt filmisch dar? In einer praktischen Projektarbeit produzieren die Schüler/-innen weiterführend eigene Kurzfilme, in denen Gefühle ohne Dialog, nur durch Gestaltungsmittel wie Licht, Ton und Kameraführung vermittelt werden. Thematisch dreht sich der Film um klassische Fragen des Coming-of-Age-Genres. Chiara ist eine moralisch ambivalente Heldin, die, hin- und hergerissen zwischen Erwartungen, Loyalität und widersprüchlichen Werten, ihren eigenen Weg finden muss. Im Ethik- oder Sozialkundeunterricht kann diskutiert werden, welche äußeren Bedingungen und persönlichen Werte die Schüler/-innen in ihren eigenen Wünschen und Entscheidungen über ihre Zukunft beeinflussen. Auch das offene Ende des Films gibt Raum zum Nachdenken: Welche Entscheidung wird Chiara treffen? Und welche Konsequenzen könnte diese haben?

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