Durch eine Bombenexplosion in einem Berliner Mietshaus verliert die etwa 20-jährige Maxi ihre Mutter und zwei jüngere Brüder. Nur sie und ihr Vater Alex, der den Sprengsatz unwissentlich mit einer Paketsendung in die Wohnung gebracht hat, überleben den Anschlag, der Islamist/-innen zur Last gelegt wird. Während der Vater sich abkapselt, sucht Maxi einen anderen Weg, mit dem Trauma umzugehen. Unterstützung findet sie bei dem charismatischen Studenten Karl, der plötzlich in ihrem Leben auftaucht. Der attraktive wortgewandte junge Mann umgarnt sie und lädt sie zu einer Sommerakademie nach Prag ein, wo er sich als führender Kopf der rechtspopulistischen europäischen Jugendbewegung Re/Generation erweist. Auf der Veranstaltung fühlt sich Maxi als Terroropfer verstanden und von den Anhänger/-innen der Organisation akzeptiert. Als der irritierte Alex seiner Tochter, die wie er bislang sehr liberale Ansichten vertreten hat, einige Tage später bei einem Treffen kritische Fragen stellt, ist Maxi schon ganz im Bann von Karl und seiner Bewegung. Erst spät begreift sie, dass er sie benutzt hat und mit Re/Generation auf einen Umsturz hinarbeitet.

Wenn Sie diesen Drittanbieter-Inhalt von www.youtube-nocookie.com aktivieren, ermöglichen Sie dem betreffenden Anbieter, Ihre Nutzungsdaten zu erheben. Weitere Informationen zur Nutzung von Drittanbieter-Inhalten erhalten Sie in unserer Datenschutzerklärung.
Externer Link: Datenschutzerklärung anzeigen

Der Titel von "Je suis Karl" ist eine Anspielung auf den Slogan "Je suis Charlie", mit dem Menschen ihre Solidarität mit der Redaktion der Pariser Satirezeitschrift Charlie Hebdo zum Ausdruck brachten, die 2015 zum Ziel eines islamistischen Attentats wurde. Im Film kapert die populistische Bewegung den Satz auf perfide Weise. "Je suis Karl" schildert die Aktivitäten einer fiktiven Organisation, die mit ihren Symbolen und ihrem transnationalen Auftritt zumindest in Teilen an die Identitäre Bewegung und die Neue Rechte angelehnt ist. Die auf Effekte ausgerichtete Zum Inhalt: Thriller-Dramaturgie versetzt die Protagonistin – und mit ihr das Publikum – rasch in eine emotionale Ausnahmesituation, die sie anfällig macht für Karls romantische Avancen und die eingängigen Parolen der Bewegung. Die Zum Inhalt: Inszenierung entwickelt einen starken Sog, weil sie sowohl aus der Perspektive der Verführten als auch des Verführers erzählt. Regisseur Christian Schwochow kombiniert dabei eine agile Kamera (Glossar: Zum Inhalt: Kamerabewegungen) und eine dynamische Zum Inhalt: Montage mit Zum Inhalt: farbdramaturgischen Kniffen, etwa wenn er die Zum Inhalt: Szene mit Karls Selbstopferplan in rotes Licht taucht. Indem eine kurze Zum Inhalt: Rückblende Karl als den Verantwortlichen des Terroranschlags entlarvt, unterläuft der Film jedoch die Identifikation mit Maxi – angesichts ihrer Radikalisierung geht das Publikum zu ihr auf Distanz.

Re/Generation gibt sich als paneuropäisches Netzwerk einen jugendaffinen Anstrich, indem es geschickt moderne Kommunikationsmittel und Formate der Event-Kultur und Influencer-Szene nutzt, um seine wahren Ziele zu kaschieren. Hier können Schülerinnen und Schüler eine Analyse der Methoden der Organisation mit einem Austausch eigener Erfahrungen in den Sozialen Medien verknüpfen. Zugleich liegt es nahe, im Geschichtsunterricht Vergleiche zu den Erscheinungsbildern früherer Rechtsparteien zu ziehen. Ausgehend vom Filmtitel können die Schülerinnen und Schüler im Fach Politik erörtern, wie politische Aktivist/-innen Symbole und Parolen erfinden oder für ihre Zwecke umdeuten. Der Film endet mit der erschreckenden Vision eines Aufstands, der Straßburg ins Chaos stürzt. Lässt sich die Demokratie in Europa wirklich so leicht durch ein fingiertes Attentat erschüttern? "Je suis Karl" ist geprägt durch eine starke Vater-Tochter-Beziehung. Angesicht der Radikalisierung Maxis liefert sie Ansatzpunkte, um im Fach Sozialkunde über die Frage zu diskutieren, inwieweit familiäre Bindungen helfen können, junge Menschen vor dem Abdriften in demokratieferne Ideologien zu bewahren. Ebenso können auch die Möglichkeiten präventiver Arbeit etwa an Schulen und anderen Bildungseinrichtungen thematisiert werden.

Arbeitsblatt zu "Je suis Karl"

Fächer: Deutsch, Politik, Sozialkunde, Philosophie, Geschichte ab Oberstufe, ab 16 Jahren

Vor der Filmsichtung:

a) Analysieren Sie den Titel des Films und arbeiten Sie heraus, worauf er sich bezieht. Vergleichen Sie Ihre Ergebnisse mit dem Einleitungstext des folgenden Zum externen Inhalt: Artikels (öffnet im neuen Tab) der Süddeutschen Zeitung (SZ).

b) Recherchieren Sie im Internet die Entstehungsgeschichte und Variationen dieses Satzes. Fassen Sie zusammen, wofür seine Variationen verwendet werden. Nutzen Sie den SZ-Artikel als Ausgangspunkt Ihrer Recherche.

c) Haben Sie diesen Satz selbst schon einmal verwendet? In welchem Zusammenhang? Tauschen Sie sich dazu im Plenum aus.

d) Der deutsche Journalist Arno Frank bezeichnet in einem Artikel in der tageszeitung (taz) den Slogan als „Brummton der Betroffenheit“. Lesen Sie den Zum externen Inhalt: Artikel (öffnet im neuen Tab) und fassen Sie die Kritik des Autors an Je suis Charlie zusammen.

e) Formulieren Sie auf Grundlage der recherchierten Informationen Erwartungen an das Zum externen Inhalt: Sujet (öffnet im neuen Tab) des deutschen Spielfilms "Je suis Karl" .

Während der Filmsichtung:

f) Machen Sie sich arbeitsteilig Notizen und tauschen Sie sich unmittelbar nach der Filmsichtung darüber aus:
1. Aus welchem gesellschaftlichen Milieu stammt Maxi?
2. Was sind die Aktionen und Ziele der Bewegung Re/Generation?
3. Welche Rolle spielen die sozialen Medien in der Filmhandlung?

Nach der Filmsichtung:

g) Tauschen Sie sich im Plenum darüber aus, was Sie besonders überrascht und/oder berührt hat. Teilen Sie sich anschließend in Kleingruppen auf und entscheiden sich für eine der Teilaufgaben. Präsentieren Sie anschließend Ihre Ergebnisse im Plenum.

1. Charakterisieren Sie die Filmfigur Maxi. Erklären Sie, warum Maxi sich von der Bewegung Re/Generation angezogen fühlt.

2. Charakterisieren Sie die Filmfigur Karl. Gehen Sie dabei auch auf den fehlenden biografischen Hintergrund ein. Lesen Sie die Definition des Begriffs Zum externen Inhalt: Fanatismus (öffnet im neuen Tab) und erklären Sie, inwieweit sie auf Karl zutrifft.

3. Analysieren Sie die ästhetischen Selbstdarstellungsstrategien der Bewegung Re/Generation (äußerliche Kennzeichen, Sprache, Rituale) und erläutern Sie, was diese für junge Menschen interessant machen könnte.
Falls Sie mit der DVD arbeiten: Schauen Sie sich hierzu nochmals die Zum Inhalt: Sequenz der Prager Konferenz an ab TC 0:39:07-0:51:26)

h) Lesen Sie folgenden Textausschnitt zur Bewegung der Identitären und erläutern Sie, inwiefern Re/Generation als fiktionales Abbild dieser Bewegung verstanden werden kann.

"Innerhalb der Neuen Rechten zeichnen sich die Identitären durch vier Merkmale aus: Jugendlichkeit, Aktionismus, Popkultur und eine "Corporate Identity". Das Alter der AktivistInnen reicht ungefähr von 15 bis 35 Jahren. Die ProtagonistInnen der Neuen Rechten sind für gewöhnlich deutlich älter. Aktionismus steht im Vordergrund des politischen Handelns. Bezüge zu bestehender sowie das Hervorbringen eigener Anteile an der Popkultur (z.B. in Form von Merchandise und Musik) sind selbstverständlicher Teil der Kommunikation. In ihrem öffentlichen Auftreten verwenden Identitäre darüber hinaus eine eigene Corporate Identity, die für Wiedererkennungswert sorgt.
Identitäre nutzen Text- und Videoblogs, Musikvideos, Twitter-Kanäle und soziale Netzwerke wie Instagram und Facebook dazu, um auf ihre ideologischen Positionen aufmerksam zu machen, vorhandenen Content rechtskonservativer bis verschwörungstheoretischer Magazine zu verbreiten, zu eigenen Veranstaltungen zu mobilisieren und um Selbstästhetisierung zu betreiben. […] Man baut auf MultiplikatorInnen, legt auf Anonymität keinen Wert, sondern inszeniert sich als rebellische, junge geistige Elite gegen das Establishment."
Zum externen Inhalt: www.bpb.de/politik/extremismus/rechtsextremismus/241438/die-identitaeren-mehr-als-nur-ein-internet-phaenomen (öffnet im neuen Tab)

i) Nennen Sie das Zum Inhalt: Genre, für das sich Zum Inhalt: Drehbuchautor Thomas Wendrich und Regisseur Christian Schwochow bei "Je suis Karl" entscheiden haben. Erörtern Sie, inwieweit sich dieses zur Sensibilisierung der Zuschauenden für aktuelle gesellschaftspolitische Prozesse eignet.

j) Rechtsextreme richten ihre Propaganda im Internet gezielt an Jugendliche. Diskutieren Sie mögliche Strategien, wie die Manipulation Jugendlicher verhindert werden kann. Gleichen Sie Ihre Ergebnisse mit folgendem Zum externen Inhalt: Faltblatt (öffnet im neuen Tab) ab.

k) Erledigen Sie arbeitsteilig in Gruppen eine der folgenden Aufgaben und stellen Sie Ihre Ergebnisse der Klasse vor:

1. Diskutieren Sie, inwiefern die Perspektive, die am Ende des Films skizziert wird, in unserer heutigen Zeit glaubwürdig erscheint. Recherchieren Sie hierzu Beispiele, wie – wahre oder falsche – Informationen im Netz zu gesellschaftlichen Mobilisierungen geführt haben.

2. Der US-amerikanische Journalist und Autor George Plimpton (1925-2003) warnte vor der "passiven, leichtgläubigen, unsteten Masse", die gleichzeitig enorm "empört und uninformiert" sei ("A passive, credulous, restless mass, at once overexcited and underinformed" (John Lahr: Introduction, in: George Plimpton (Hg.), Playwrights At Work, Paris Review, 2000): Diskutieren Sie Strategien, wie jeder einzelne sich aus der Unmündigkeit der Empörungsgesellschaft befreien kann.

3. Diskutieren Sie kritisch, inwiefern die Machart von "Je suis Karl" selbst gewissen Erregungsmechanismen der Empörungsdemokratie entspricht.

Der Text ist lizenziert nach der Creative Commons Attribution-NonCommercial-NoDerivs 3.0 Germany License.

Mehr zum Thema