Der Filmemacher Christoph Eder kehrt in sein Zum Inhalt: Heimatdorf Göhren zurück. Es liegt auf der Ostseeinsel Rügen und kann mit idyllischer Küstenlandschaft und teils noch wilden Stränden aufwarten. Der Ort lebt vom Tourismus. Das ist Segen und Fluch zugleich, denn nach der Wende hat ein Großinvestor aus Nordrhein-Westfalen über die Jahre dafür gesorgt, dass das Seebad sich stetig ausbreitet. Die Bebauungspläne des umstrittenen Multimillionärs werden von vier Männern, den so genannten "Vier von der Stange", die den Gemeinderat seit 25 Jahren dominieren, regelmäßig mit der Begründung durchgebracht, dass man den Fortschritt nicht aufhalten könne. Doch es regt sich Widerstand im Dorf. Nicht alle glauben mehr daran, dass die gefassten Beschlüsse zum Wohle der Gemeinde sind. Aber wie kann die noch unverbaute Landschaft bewahrt werden? Regisseur Christoph Eder begibt sich zwischen die Fronten.

Immer wieder reflektiert der Filmemacher in persönlichen Zum Inhalt: Kommentaren, bebildert mit privaten Video-Archivaufnahmen aus seiner Kindheit, die stetigen Veränderungen in seinem Dorf. Hier wird deutlich, dass Eder mit den Natur- und Landschaftsschützer/-innen sympathisiert. Trotzdem versucht er einen Balanceakt zwischen persönlicher Perspektive und journalistischem Anspruch zu finden und lässt verschiedene Seiten zu Wort kommen. Die Zum Inhalt: Montage unterstreicht die oft gegensätzlichen Positionen, in dem sie den hitzigen Gemeinderatssitzungen ruhige Landschaftsaufnahmen entgegensetzt und hier auch die Vertreter/-innen des Naturschutzes beobachtend oder in Zum Inhalt: Interviewsituationen filmt. Exemplarisch rückt er eine Einwohnerin in den Fokus, deren Vater schon Jahrzehnte gegen die erweiterte Flächenbebauung kämpft. Sie gründet eine Bürgerinitiative und kandidiert schließlich bei den Kommunalwahlen, um die Abstimmungsverhältnisse im Gemeinderat zu ändern. Der Millionär zeigt sich nicht bereit für eine Stellungnahme vor der Kamera und tritt nur einmal eher zufällig bei den Dreharbeiten in Erscheinung. Deshalb wählt Eder als Vertreter der Investorenseite den Wortführer der "Vier von der Stange", der sich als Bürgermeisterkandidat aufstellen lässt. Mit ihm verbringt der Regisseur auch die Wahlnacht, die zum dramaturgischen Höhepunkt des Filmes wird. Es ist eine Schicksalswahl für das Dorf.

Wem gehört mein Dorf?, Trailer (© jip Film & Verleih)

Eders Anspruch ist es, nach eigener Aussage, zu zeigen, wie Lokalpolitik im besten Sinne funktionieren kann und dass es lohnt, sich in gesellschaftliche Prozesse einzubringen. In den Fächern Sozialkunde und Politik kann anhand des Konfliktes in Göhren die Funktionsweise demokratischer Entscheidungen besprochen werden. Daran anschließend könnte diskutiert werden, welche Möglichkeiten sich dem einzelnen Menschen bieten, sich in seinem unmittelbaren Umfeld zu engagieren – sei es für den Schutz der Natur oder auch für andere wichtige Themen. Am Fallbeispiel von Göhren kann der Frage nachgegangen werden, ob Fortschritt immer ein Mehr bedeuten muss und inwiefern monetäre Interessen eine Rolle spielen: Was bedeutet fortschrittliches Handeln in der heutigen Zeit? Würde ein neues Gesundheitsressort dem Ort Nutzen bringen, oder eher der Erhalt des Naturschutzgebietes, in dem es gebaut werden soll? Im Ethikunterricht bietet es sich an, die Voraussetzungen eines fairen und offenen Dialoges zu erörtern, aber auch, inwiefern die Arbeitsweise der Filmschaffenden diesen gerecht wird. Hätte der Filmemacher gegenüber den „Vier von der Stange“ seine Meinung offener vertreten sollen? Wie hätte das möglicherweise die Situation beim Dreh und vielleicht sogar den ganzen Film verändert? Anhand dieser Fragen lässt sich über den subjektiven Blick der Regieführung sprechen, die auch im Zum Inhalt: dokumentarischen Film entscheidenden Einfluss darauf hat, wie Menschen und ihre Lebensrealität dargestellt werden.

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