Kategorie: Serienbesprechung
"Der Krieg und ich"
VoD: Dramaserie über den Zweiten Weltkrieg und wie Kinder ihn erlebt haben
Unterrichtsfächer
Thema
Wie hat sich der Zweite Weltkrieg für Kinder angefühlt? Das will die Dramaserie "Der Krieg und ich" in acht Episoden Zuschauenden im Alter von 8 bis 12 Jahren vermitteln. Anton aus Deutschland, 10 Jahre alt, würde etwa zu gerne in die Hitlerjugend eintreten. Doch sein Vater ist dagegen. Die 13-jährige Französin Sandrine hilft ihren Eltern, jüdische Kinder zu verstecken, und erfährt so auch von den Aktivitäten der Résistance. Für den 15-jährigen Schotten Calum sind Luftschutzübungen ein alberner Witz, bis der Bombenkrieg sein Städtchen erreicht. Die Sowjetrussin Vera wird nach dem vermeintlichen Tod ihrer Eltern in ein Waisenhaus verbracht, wo sie von der Befreiung Stalingrads hört. Unterdessen kämpft der 10-jährige Romek in einem polnischen Judenghetto ums Überleben. Immer lauter werden auch dort die Gerüchte von Lagern im Osten, in denen jüdische Menschen umgebracht werden sollen. Für die tschechische Jüdin Eva, 14, werden die Gerüchte zur bitteren Wahrheit, als sie 1945 in Auschwitz eintrifft. Obwohl der Zweite Krieg für viele Kinder in der Realität Vertreibung, Verlust und Tod bedeutete, finden in der Serie die Geschichten jeweils ein versöhnliches Ende.
Die unter wissenschaftlicher Beratung entwickelte und multiperspektivisch angelegte Serie basiert auf Tagebucheinträgen und Erinnerungen von Zeitzeuginnen und Zeitzeugen. Stets aus Sicht der jeweils zentralen Kinderfigur erzählt, erleichtern die Episoden die Identifikation und laden dazu ein, sich intensiver mit der Geschichte jener Zeit auseinanderzusetzen. Bei der Einordnung des Geschehens helfen Archivbilder (Glossar: Zum Inhalt: Found Footage) und eine Erzählstimme (Glossar: Zum Inhalt: Voiceover), die historische Grundlagen in einfachen Worten vermittelt. Schwer darstellbare Ereignisse wie etwa die Reichspogromnacht oder das Leben in einem Vernichtungslager sind in einer detailreichen Modellwelt nachgestellt und behutsam in die Spielszenen eingefügt (Glossar: Zum Inhalt: Montage). Zwar lässt sich jede Episode einzeln betrachten, es ergeben sich aber in der Gesamtschaugrößere Zusammenhänge: Von der nationalsozialistischen Indoktrination der Jugend und dem militärischen Drill, anfangs noch als großes Abenteuer beschönigt, wird die Entwicklung zum rassistischen Eroberungskrieg und schließlich zur Vernichtung der europäischen Juden nachgezeichnet. Viele der jungen Protagonistinnen und Protagonisten zeigen unter furchtbaren Umständen großen Mut und Tapferkeit. Doch letztendlich sind die – trotz mancher Heldentat – Opfer des Krieges.
Die europäische Koproduktion "Der Krieg und ich" arbeitet schwierige Themen kindgerecht auf und bietet vor allem für den Geschichtsunterricht eine Fülle von Diskussionsstoff. So lässt sich anhand der zwei in Deutschland spielenden Episoden nachvollziehen, wie sich die Nationalsozialisten der Jugend bemächtigten und eine Kultur der Grausamkeit zum erstrebenswerten Ideal machen konnten. In den späteren Episoden steht das Leiden insbesondere jüdischer Kinder in Osteuropa im Mittelpunkt. Hier wird nicht zuletzt deutlich, wie wenig Information den späteren Opfern – Kindern wie Erwachsenen – zur Verfügung stand. Dem Leben unter deutscher Besatzung, ein heikler Spagat zwischen Widerstand und Kollaboration, gelten die Geschichten aus Frankreich und Norwegen, wo der 10-jährige Fritjof sich weigert, den Nazis seinen Fisch zu verkaufen – er muss anschließend nach Schweden fliehen. Die Themen Flucht und Vertreibung können dazu anregen, auch mit aktuellem Blick Werte wie Toleranz, Solidarität und Mitgefühl zu erörtern. Lautet doch die unmissverständliche Botschaft aus Kindermund: "So etwas soll nie wieder ein Mensch erleben müssen."