Gott liebt alle Menschen. Davon ist Marshall, ein streng gläubiger Baptistenprediger im Süden der USA, fest überzeugt. Doch nur wer auf "dem rechten Pfad" wandelt, kann sich dieser Liebe sicher sein, wie sein Sohn Jared leidvoll erfahren muss. Denn als der 19-Jährige seinen Eltern offenbart, dass er sich zu Männern hingezogen fühlt, sind sie fassungslos. Jareds Homosexualität widerspricht "dem Kern ihres Glaubens", der wahre Liebe nur zwischen Mann und Frau vorsieht. Durch eine sogenannte Reparativtherapie soll Jared, der selbst höchst verunsichert ist, geheilt werden. Das "Erneuerungsprogramm" unter Leitung eines selbst ernannten Therapeuten entpuppt sich als eine Art Bootcamp, das darauf abzielt, die Teilnehmenden psychisch zu brechen – was Jared bald erkennt und seinen Widerstandsgeist weckt.

Die zweite Regiearbeit von Joel Edgerton, der im Film den fragwürdigen Therapeuten spielt, basiert auf den Erlebnissen von Garrard Conley, der seine Erfahrungen in einem Buch verarbeitet hat. "Der verlorene Sohn" ergreift zwar Partei für Jared, dessen Aufwachsen in einem gläubigen Umfeld und erste Erfahrungen mit Männern in Zum Inhalt: Rückblenden erzählt wird, doch zeigt er auch die inneren Konflikte seiner Eltern, die zwischen ihren religiösen Überzeugungen und der Liebe zu ihrem Kind hin- und hergerissen sind. Die Kamera konzentriert sich in Zum Inhalt: Großaufnahmen wiederholt auf die Gesichter der Figuren und versucht so, die inneren Konflikte zu vermitteln. Ein überwiegend sentimentaler Zum Inhalt: Soundtrack sorgt dabei für eine zusätzliche Emotionalisierung. Dass Jared einen Ausweg finden und schließlich zu sich selbst stehen wird, ist im Grunde von Anfang an klar. In dramaturgischer Hinsicht weiß der Film also kaum zu überraschen, allerdings zeigt "Der verlorene Sohn" eindringlich die Mechanismen einer restriktiven religiösen Gemeinschaft auf, die Homosexualität als krankhafte psychische Störung ansieht und damit großes Leid verursacht.

Der verlorene Sohn, Trailer (© Universal Pictures International Germany)

Der Zum Inhalt: Abspann des Films weist darauf hin, dass die umstrittenen Reparativ- oder Konversionstherapien in den USA immer noch gängige Praxis sind. In der Bundesrepublik wird derzeit ein Verbot solcher Programme diskutiert, die von überwiegend radikal christlichen Gruppierungen angeboten werden. "Der verlorene Sohn" bietet vor allem im Ethik- und Religionsunterricht einen guten Einstieg, um diese Praxis und die Folgen für Betroffene zu besprechen und Vorurteile gegenüber Homosexuellen zu thematisieren. Dabei sollten vor allem auch die Argumente der Befürworter/-innen solch vermeintlicher Therapien kritisch untersucht werden (auch anhand einer kritischen Lektüre religiöser Texte) und diese den Positionen von LGTBQ-Aktivistinnen und Aktivisten gegenübergestellt werden. Im Sprachunterricht lohnt sich eine Auseinandersetzung mit den Hauptfiguren, die durchaus mit ihren Entscheidungen und persönlichen, religiös geprägten Leitlinien hadern. So unterstützt etwa Jareds Mutter am Ende ihren Sohn, womit sie aus tradierten Rollenmustern ausbricht und sich von ihrem dominanten Ehemann emanzipiert.

Der Text ist lizenziert nach der Creative Commons Attribution-NonCommercial-NoDerivs 3.0 Germany License.

Mehr zum Thema