Im August 1991 steht in der Sowjetunion der Prozess von Perestroika („Umgestaltung“) und Glasnost („Offenheit“) für drei Tage auf der Kippe: eine Gruppe von Verschwörern aus der Kommunistischen Partei hat den Reformer Michail Gorbatschow in Gewahrsam genommen und will eine Rückkehr zur Parteidiktatur. Die Nachrichtenlage ist unübersichtlich. Auf den Straßen von Leningrad demonstrieren die Menschen gegen den Putsch im fernen Moskau. Es gibt Demonstrationen, aber auch kleine Debatten. Zugleich zeigt Sergej Loznitsas "The Event" , wie sich die Macht neu formiert: Autos fahren vor, Reden werden gehalten, Türen schließen sich. Beim Sturm auf die Archive der Geheimdienste ist das Volk fast schon zu spät dran.

Wenn Sie diesen Drittanbieter-Inhalt von www.youtube.com aktivieren, ermöglichen Sie dem betreffenden Anbieter, Ihre Nutzungsdaten zu erheben. Weitere Informationen zur Nutzung von Drittanbieter-Inhalten erhalten Sie in unserer Datenschutzerklärung.
Externer Link: Datenschutzerklärung anzeigen

Der in der Ukraine aufgewachsene Regisseur (Glossar: Zum Inhalt: Regie) Sergej Loznita ist für seinen Zum Inhalt: Dokumentarfilm in die Archive gegangen. In "The Event" montiert er aus diesem Zum Inhalt: Found Footage (gefundenen Aufnahmen), das lokale Kameraleute während der Proteste auf den Straßen gedreht haben, eine Art Revolutionsfilm, der beispielhafte Prozesse der politischen Willensbildung und konkrete Aktionen der Machtergreifung verbindet. Die Orte der Oktoberrevolution von 1917 werden zu Orten der Auseinandersetzung um eine Freiheit, die das russische Volk im August 1991 gerade erst errungen hatte. Herausragend ist die Tonspur (Glossar: Zum Inhalt: Tongestaltung/Sound-Design), eine Collage aus O-Tönen von der Straße, Radionachrichten, Reden, Folksongs und Tschaikowskis „Schwanensee“, in der sich Protest und Propaganda vermischen.

Sergej Loznitsa geht in seinem Dokumentarfilm der Frage nach, was aus dem gewaltsamen Gesellschaftsexperiment des osteuropäischen Kommunismus wurde. "The Event" sucht nach dem entscheidenden Moment, in dem aus den unorganisierten Protesten eine Bürgerbewegung entsteht. Und fragt indirekt auch, ob ein Film, der sich allein auf Originalbilder und -töne verlässt, doch politisch Stellung bezieht. Aufgrund der strengen Form ohne erklärende Kommentare bedarf die Auseinandersetzung mit dem Film zunächst einer Vertiefung der historischen Kenntnisse über die Umstände des Moskauer Putschversuchs sowie über die Folgen für die damalige UdSSR. Die historische Bedeutung der „Revolutionsstadt“ Leningrad (heute St. Petersburg) ermöglicht zudem einen Zugang zur Geschichte Russlands im 20. Jahrhundert. Im Geschichtsunterricht lassen sich auch Parallelen zur friedlichen Revolution in der DDR zwei Jahre zuvor ziehen. Zuletzt sollten die Schülerinnen und Schüler den historischen Wert und die Aussagekraft des Filmmaterials, das eher zufällig entstand, bewerten können.

Der Text ist lizenziert nach der Creative Commons Attribution-NonCommercial-NoDerivs 3.0 Germany License.

Mehr zum Thema