Das Schicksal von Mördern und den Hinterbliebenen ihrer Opfer ist durch die Tat unauflöslich miteinander verknüpft. Im Strafvollzug ist eine Aufarbeitung der persönlichen Erfahrungen nicht vorgesehen. Der Dokumentarfilmer Hubertus Siegert versucht am Beispiel von drei Fällen aus den USA, Norwegen und Deutschland, Täter und Familien der Opfer zusammenzubringen. Lisa und ihre Tochter Leola haben ihren damals sechzehnjährigen Sohn und Bruder bei einer Schießerei verloren. Sie spüren, dass ein Treffen sie aus dem Teufelskreis des „Warum?“ befreien könnte. Aber der Verurteilte weigert sich, die Tat zu gestehen. Im Gegensatz dazu ist sich der junge Norweger Stiva seiner Schuld bewusst, doch Erik, der Vater der Toten, verweigert das Gespräch. Für Patrick, dessen Vater von der RAF ermordet wurde, erweist sich die Aufarbeitung auch als Auseinandersetzung mit der politischen Geschichte der Bundesrepublik Deutschland.

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"Beyond Punishment" ist vom US-amerikanischen Resozialisierungsprogramm „Restorative Justice“ inspiriert, in dem Täter und Opfer von Gewaltverbrechen, in diesem Fall deren Hinterbliebene, in Gesprächskreisen aufeinander treffen und über ihre Erfahrungen sprechen. Dabei handelt es sich nie um Tatverantwortliche und Tatopfer des gleichen Falls. Regisseur Siegert hat einen anderen Ansatz. Er versucht, einen Kontakt zwischen den unmittelbar betroffenen Parteien herzustellen. Dass am Ende kein persönliches Treffen stattfindet, ist nicht als Scheitern zu werten. In ihrer Gesamtheit fügen sich die Einzelinterviews zu einer nuancierten, persönlichen Auseinandersetzung mit den Themen Schuld, Erinnerung und individueller Trauerarbeit – wobei im Hintergrund immer die Frage behandelt wird, wie unterschiedlich die staatlichen Rechtssysteme mit der Sozialisierung von Straftätern verfahren. Eine Videoaufzeichnung Stivas, die Erik sich vor laufender Kamera ansieht, zeigt aber auch, dass die Reue des Täters den Schritt hin zur Vergebung für die Hinterbliebenen nicht leichter macht . Formal fällt "Beyond Punishment" konventionell aus. Der Film arbeitet primär mit Zum Inhalt: Talking Heads und stellt ihnen gelegentlich Aufnahmen von Gruppensitzungen des „Restorative Justice“-Programms gegenüber.

"Beyond Punishment" gelingt es in seiner diskreten Art, am Beispiel einer Ausnahmesituation universelle Themen zu behandeln. Die Frage, wie die Gesellschaft Straftäter behandelt und ob auch ein anderer Umgang mit Schuld denkbar wäre, zieht sich nicht nur durch die Lehrpläne von Fächern wie Politik/Gemeinschaftskunde, Ethik, Philosophie und Religion, sondern ist auch auf dem Schulhof und im alltäglichen sozialen Miteinander sehr aktuell. Hubertus Siegert macht deutlich, dass Verzeihen kein Zeichen von Schwäche ist, sondern alternative Formen der Aufarbeitung ermöglicht. Am Beispiel des „Restorative Justice“ -Programms können die Schülerinnen und Schüler im Fach Psychologie zudem die Voraussetzungen für Empathiefähigkeit sowie die Möglichkeit von Perspektivwechseln diskutieren, die durch das Zuhören in den Gesprächskreisen gefördert werden.

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