"Ich leben in einem Irrenhaus" - sehr passend fasst der 22-jährige Simon seine Lebenssituation zusammen. Denn bei ihm zuhause läuft es alles andere als normal ab: Sein Vater Hans, ein preisgekrönter Architekt, ist psychisch krank und leidet phasenweise unter starken Psychosen. Im Irrglauben, überwacht zu werden, zerstört er die Satellitenschüssel der Nachbarn und beklebt zum Schutz vor „kosmischer Strahlung“ die Zimmerwände mit Goldfolie. Mit ihm leidet die ganze Familie, die verzweifelt versucht, sich mit dem labilen Zustand des Vaters zu arrangieren. Besonders Simon fühlt sich für das Wohl seiner Mutter und der kleinen Schwester verantwortlich und stellt dafür seine eigenen Wünsche hinten an. Auch als er die Medizinstudentin Verena kennenlernt.

Hirngespinster, Trailer (© Movienet)

In seinem Spielfilmdebüt (Glossar: Zum Inhalt: Spielfilm) entwirft Christian Bach ein glaubhaftes Bild der Krankheit Schizophrenie und deren Folgen für den Erkrankten wie auch die Angehörigen. Dabei verlässt sich der Regisseur (Glossar: Zum Inhalt: Regie) auf ein konventionelles Erzählmuster und eine Umsetzung, die eher an einen Fernsehfilm erinnert. Formelhaft wirkt der Film vor allem, wenn er den Fokus von Simon verschiebt und die unterschiedlichen Reaktionen der Außenstehenden auf die Erkrankung beleuchtet. Doch das überzeugende Schauspielerensemble (Glossar: Zum Inhalt: Schauspiel) macht solche Schwächen wett und trägt die Vater-Sohn-Geschichte über weite Strecken. Tobias Moretti macht mit manischer Gestik die Paranoia des Vaters spürbar, während Nachwuchsschauspieler Jonas Nay in seinem sensiblen Spiel die tiefe Verunsicherung des Sohnes zeigt.

Die Familie Dallinger hält in dieser tiefen Krise zusammen, stößt dabei jedoch auch an die Grenzen ihrer Belastbarkeit. Der Umgang der einzelnen Familienmitglieder mit der Krankheit des Vaters lohnt eine eingehendere Betrachtung. Ist Simons Wunsch nach einem Neuanfang vertretbar? Was muss und kann eine Familie im Falle einer psychischen Erkrankung eines Familienmitgliedes leisten? Das Umfeld der Familie reagiert mit Vorurteilen und Unverständnis auf den Gesundheitszustand des Vaters. Anhand dieser Figuren lässt sich unter anderem die Tabuisierung von psychischen Erkrankungen in der Gesellschaft thematisieren. Im Biologieunterricht wiederum könnte man Schizophrenie als funktionelle Störung des Gehirns erläutern. Auf filmischer Ebene lohnt eine Untersuchung der erzählerischen Mittel, die "Hirngespinster" zu einem so glaubwürdigen und einfühlsamen Film über das Thema Schizophrenie machen.

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