"Solange ich lebe, werde ich mich an die Ereignisse dieses Morgens erinnern." Es ist die Off-Stimme von Regisseur Louis Malle, der diese Worte in der allerletzten Einstellung seines Films spricht: Der zwölfjährige Julien blickt im Januar 1944 mit Tränen in den Augen seinem Internatsleiter Pater Jean und drei Mitschülern hinterher, die von der Gestapo aus dem französischen Internat in der Nähe von Paris abgeholt werden. "Auf Wiedersehen, Kinder" verabschiedet sich der katholische Geistliche von der im Schulhof angetretenen Schülerschaft. Er und die drei Jungen werden von den Nationalsozialisten in Konzentrationslagern umgebracht werden. Dass diese Kinder Juden sind, die von der Internatsleitung heimlich vor der Verfolgung geschützt werden, findet Julien im Laufe des Films heraus. Insbesondere Bonnet, der im Nachbarbett im Schlafsaal leise Gebete murmelt, weckt zunächst seine detektivische Neugier und dann seine tiefe Zuneigung. In der klirrenden Kälte des Schulhofs und bei den kargen Mittagessen im Speisesaal entwickelt sich eine Freundschaft zwischen den beiden Jungen, der das Zeitgeschehen, das plötzlich und gewaltsam in die geschlossene Welt des Internats bricht, ein brutales Ende bereitet.

Auf Wiedersehen, Kinder (Trailer, @ Alamode Film)

Über 40 Jahre liegen zwischen diesem Morgen des Jahres 1944 und dem Entstehungsjahr des Films. Mehrfach hat Louis Malle in Interviews das Trauma betont, das dieses Ereignis in ihm auslöste und an dessen filmische Verarbeitung er sich erst als Mittefünfzigjähriger wagte. Dabei nimmt er sich die Freiheit, die Geschichte so zu erzählen, dass der fiktive Julien das nachholt, was der reale Louis zu versäumen schmerzlich bereut haben muss: sich für den jüdischen Mitschüler zu interessieren und sich freundschaftlich mit ihm verbunden fühlen. Dem Schulleiter Pater Jean, den er vor der versammelten Elternschaft eine flammende Predigt über Mut und Verantwortung halten lässt, setzt der Regisseur ein ehrfurchtsvolles Denkmal. Aber auch der Lehrerschaft, die noch im Ausnahmezustand eines Luftangriffs den ihnen anvertrauten Kindern Normalität und Geborgenheit schenken, erweist Malle seinen tiefen Respekt. Vor allem ist "Auf Wiedersehen, Kinder" ein Film über die Kindheit mit auf dem Schulhof ausgetragenen Rivalitäten, in Schuhkartons unterm Bett gehüteten Geheimnissen und erwachender Sexualität, die Malle behutsam und ohne Pathos inszeniert. Umso komplexer ist die filmische Struktur, in der sich Zum Inhalt: Szenen, Motive und Figurendialoge wiederholen. Die Strukturierung Zum Inhalt: der nahezu monochrom grau-braun gehaltenen Räume ist symbolisch aufgeladen (der Schlafsaal als Sphäre des Intimen, der Schulhof als Raum der Repräsentation, das Klassenzimmer als jener der Autorität). Und die überwiegend Zum Inhalt: statischen Zum Inhalt: Kameraeinstellungen entwerfen ein vielschichtiges Spiel der Blicke, die sich im Zum Inhalt: Schuss-Gegenschuss-Verfahren erwidern oder auf ähnlich gefilmte Blicke in anderen Szenen verweisen.

In der Darstellung des Internatsalltags zeichnet der Film das Porträt einer Zeit, das für heutige Jugendliche in Deutschland kaum mehr vorstellbar scheint. Im Deutschunterricht bietet sich der Film als Beispiel einer autobiografischen Fiktion an. Unter dem Thema der deutsch-französischen Beziehungen lässt sich im Französischunterricht auf die Okkupationszeit und die auch in Frankreich stattgefundene Judenverfolgung eingehen. Im Geschichtsunterricht können anhand des Films – und insbesondere der Restaurantszene – Fragen hinsichtlich des Wissens der Bevölkerung über die Judenverfolgung entwickelt und Beispiele für Widerstand und Hilfe vor Verfolgung erarbeitet werden. Im Ethik- oder Philosophieunterricht bietet der Film Anlass, Fragen zur Verantwortung des Einzelnen gegenüber Unrecht und rassistisch/antisemitisch motiviertem Hass zu diskutieren.

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