Mara ist mit 15 Jahren durch eine Erkrankung ihres Sehnervs erblindet. Heute ist sie 23, studiert Jura an der Universität in Marburg und lebt zusammen mit ihrem Verlobten und ihrem Assistenzhund Camelot in einer eigenen Wohnung. Der Dokumentarfilm
See you von Sobo Swobodnik zeigt Eindrücke aus der Uni, begleitet Mara aber auch bei ihren Hochzeitsvorbereitungen, beim Spaziergehen mit Camelot oder in Alltagssituationen wie beim Wäschewaschen. Aus dem Off schildert die Studentin, wie sie mit ihrer Behinderung lebt und mit alltäglichen Barrieren umgeht. Dazu werden auch immer wieder kurze Homevideo-Aufnahmen aus Maras Kindheit eingeblendet, die sie vor ihrer Erblindung zeigen.
Die Filmästhetik vermittelt Eindrücke von Maras Wahrnehmung
Die
Szenen aus Maras Alltag sind
episodenartig montiert und zielen nicht auf einen kontinuierlichen Erzählfluss. Swobodnik arbeitet mit vielen
Nah- und Detailaufnahmen und unterbricht die Szenen immer wieder durch Zwischenbilder, in denen Personen und Gegenstände nur noch dunkel und verschwommen zu erkennen sind. Auf diese Weise erschafft der Dokumentarfilm kurze Eindrücke davon, wie Mara – in etwa – ihre Umwelt wahrnimmt. Aber nicht nur die Perspektive von Mara wird mit filmischen Mitteln verarbeitet. Die
subjektive Kamera nimmt in einzelnen Aufnahmen auch den Blick ihres Assistenzhundes ein. Dabei verengt sich der Blickwinkel und zeigt eine
Untersicht – eine Perspektive, derer sich Mara auf ihren Spaziergängen mit Camelot stets bewusst ist.
Auch
Geräusche nehmen in
See you eine wichtige Rolle ein, da sie Mara bei der Orientierung im Alltag helfen. Immer wieder ist die Stimme des Erkennungsgerätes zu hören, das die Farben von Gegenständen oder Kleidungsstücken benennt. Aber auch das Ticken der Ampeln oder die Vorlesefunktion auf Maras Laptop betont der Film, indem er auf der Tonspur teilweise alle Nebengeräusche ausblendet. Auf diese Weise wird deutlich, wie wichtig die Technologien für Maras Alltag sind und wie selbstbestimmt sie mit ihnen lebt.
Bei Inklusion geht es vor allem um Selbstbestimmung
Einmal geht Mara mit ihren Freundinnen ins Kino, über Kopfhörer und Smartphone hören sie die Audiodeskription zum Film. Genau diese Szene erzählt
See you ebenfalls mit einer Audiodeskription zu den Bildern. So kann das Publikum nachempfinden, wie Mara Filme im Kino erlebt. Diese sehr persönliche Darstellung ist charakteristisch für das 3sat-Format "Ab 18", in deren Rahmen auch
See you entstanden ist. Die fortlaufende Dokumentarfilm-Reihe nimmt die verschiedenen Lebensweisen junger Menschen in den Blick.
In
See you setzt sich die persönliche Linie auch inhaltlich fort. Mara spricht nicht nur darüber, wie sie typische Alltagsbarrieren überwindet, sondern ebenfalls über Freundschaften und ihre Partnerschaft. Genauso offen und direkt nimmt sie Stellung zu einem möglichen Kinderwunsch. Auf diese Weise unterstreicht der Film bis zum Ende, dass es bei der Inklusion nicht allein darum geht, Lösungen für Barrieren zu finden. Im Mittelpunkt steht die Freiheit, das Leben mit und ohne Behinderung selbstbestimmt gestalten zu können.
Das Dossier "Kurzfilme für Jugendliche" finden Sie auch als PDF-Druckversion in der rechten Spalte. Zur folgenden Aufgabe für den Schulunterricht gibt es im PDF einen didaktisch-methodischen Kommentar.
Arbeitsblatt zu See You
Fächer: Ethik, Sozialkunde/Gesellschaftslehre, Kunst/Kunsterziehung ab 7. Klasse
Vor der Filmsichtung:
a) Tauscht euch darüber aus, was der Begriff Inklusion bedeutet. Gleicht eure Vermutungen mit der
Definition ab.
b) Recherchiert gemeinsam, welche Maßnahmen an eurer Schule bereits getroffen wurden, um das schulische Leben eines/einer Inklusionsschülers/-schülerin zu erleichtern. Befragt dazu Lehrer/-innen, Sonderpädagogen/-innen und und Sozialpädagogen/-innen.
Während des Filmbesuchs:
c) Teilt euch in zwei Gruppen auf.
Gruppe A wertet im Anschluss an die Sichtung den Film inhaltlich aus.
Gruppe B achtet auf die filmische Gestaltung. Macht euch unmittelbar nach der Filmsichtung Notizen zu folgenden Aspekten.
Gruppe A:
Fasst zusammen, wie sich Maras Alltag gestaltet. Geht dabei auch darauf ein, mit welchen Hilfsmitteln sie ein inklusives Leben führen kann.
Gruppe B:
Achtet auf die filmästhetischen Mittel. Wie werden die Blickwinkel der unterschiedlichen Protagonistinnen und Protagonisten (Mara, Camelot) in der
Farbgestaltung und auf der
Tonebene inszeniert? Welche Wirkung hat das auf die Zuschauenden?
Nach der Filmsichtung:
d) Setzt euch in euren Gruppen zusammen und vergleicht eure Notizen. Stellt eure Ergebnisse im Anschluss der jeweils anderen Gruppe vor. Unterlegt eure Aussagen mit konkreten
Szenen.
e) Tauscht euch über eure Eindrücke zum Film aus. Was würdet ihr Mara gerne fragen? Gibt es Aspekte, die ihr als Filmemacher/-innen anders gelöst hättet?
f) Diskutiert, inwieweit Mara an eurer Schule uneingeschränkt am Unterricht teilnehmen könnte. Erstellt optional eine Handlungsaufforderung an eure Direktorin oder euren Direktor.
Autor/in: Tanja Kollodzieyski, Kulturwissenschaftlerin und Inklusionsbloggerin (Filmbesprechung); Marcus Hellkötter, Autor filmpädagogischer Materialien (Arbeitsblatt), 04.09.2019
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