Mit
Om Shanti Om gelang Regisseurin
und Choreografie-Meisterin Farah Khan (
Monsoon Wedding, 2001) ein Coup: Sie kreierte eine
Wiedergeburtsasaga als nostalgische Ode an das Hindi-Kino der 1970er-
und 1980er-Jahre
und parodierte darin zugleich dessen Konventionen. Das
Musical, produziert von Superstar Shah Rukh Khan in der Hauptrolle, hat genau die Extravaganz, Lebendigkeit
und rauschhafte
Farbigkeit, dazu "King Khan"
und die Hits eines
Blockbusters, die aus ihm einen der größten Publikumserfolge des indischen Kinos überhaupt machten.
Hauptschauplatz sind Bombays Filmstudios in den 1970ern. In den Kulissen träumt Nebendarsteller Om Prakash Makhija davon, ein großer Filmheld zu sein
und vermischt dabei gern Fantasie
und Realität. Einzig sein Freund Pappu
und seine Mutter Bela glauben an ihn. Om verliebt sich in die Leinwandgöttin Shantipriya (kurz Shanti), die auf ihn aufmerksam wird, als am Set
Feuer ausbricht
und er als Retter zur Stelle ist. Sie ist jedoch heimlich mit dem so ehrgeizigen
wie skrupellosen Produzenten Mukesh verheiratet
und erwartet ein Kind. Mukesh beschließt Shanti zu töten, da sie seinen Karriere-Plänen im Weg ist. Diesmal kommt Om zu spät: Shanti stirbt einen grausamen Tod
und er selbst in gleicher Nacht bei einem Unfall.
30 Jahre später. Om, in der Nacht seines Todes als Om Kapoor
wiedergeboren, ist jetzt ein junger Star. Er wird heimgesucht von Geistererscheinungen
und findet allmählich heraus, dass er in seinem früheren Leben Om Prakash Makhija war. Mit Hilfe von seinem alten Freund Pappu, seiner Mutter Bela
und der jungen Sandy, die Shanti verblüffend ähnelt, lockt er den einstigen Gegenspieler Mukesh, der mittlerweile in Hollywood als Produzent Karriere gemacht hat, zum Tatort des Verbrechens, um den gewaltsamen Tod Shantis zu sühnen.
Der fast dreistündige Plot entfaltet sich in einem großzügigen
Genre-Mix aus
Melodram, Komödie, Geistergeschichte
und Actionfilm entlang von opulenten Dekors,
Kostümen und grellbunten Tanz-
und Gesangsszenen, in denen Regisseurin Farah Khan ihr Talent für Ironie
und Überzeichnung zeigt: So reihen sich Bond-Girls, Bauchtänzerinnen, Badminton, der energiegeladene Hauptdarsteller im Duell mit einem Stofftiger oder halbnackt in der obligatorischen erotischen Regenszene – nur hier mit männlichem Darsteller - lose aneinander. Nicht nur Genres, auch Schauplätze, Ton
und Stil werden im Hindi-Kino bunt
und ohne zwingende Logik gemischt.
Der um Inklusion von verschiedenen sozialen Kasten
und Religionen bemühte Film (Shanti, einmal gekleidet im Hindu-Sari, dann in muslimischer Abaya) schöpft aus unzähligen Quellen: Hollywood, dem Zeitgeist der 70er Jahre, Traditionen
wie dem indischen Volkstheater
und der Filmgeschichte Indiens. So sind in der
Tanzszene zum Song "Dhoom" effektvoll alte Filmausschnitte digital hinein kopiert
und treten in Dialog mit der Gegenwart im Film. Der Titel
wie das Mantra "Om Shanti Om" stammt aus Karz (Indien 1980, Regie: Subhash Ghai), der ebenfalls das Thema der
Wiedergeburt spielerisch variiert. Höhepunkt bilden die Gesangseinlage "Deewangi", mit dem ein Song aus dem Film
Naseeb (Indien 1981, Regie: Manmohan Desai) zitiert wird
und in dem gleich 31 Celebrities, das "Who is Who"
Bollywoods, am ehrfurchtsvollen Shah Rukh Khan vorbei defilieren, unter anderem Stars
wie Kajol, Rani Mukerji
und Salman Khan.
Lieder und Musik sind das Herz populärer Hindi-Filme
und gehören zur indischen Erzählkunst. Bereits in jahrtausendealten Stücken wird ein Teil in Liedern vorgetragen, auch im klassischen Urdu-, Parsi- oder im volkstümlichen Straßentheater. Zu Beginn des Tonfilms gab es sogar noch mehr Songs – bis zu 40 in einem Film! – als in
Om Shanti Om, der, vielfach ausgezeichnet, weltweit 40 Millionen Dollar einspielte
und sich auch auf der Berlinale großer Beliebtheit erfreute. Das indische Musical
und seine Stars
wie Shah Rukh Khan haben längst auch in Deutschland eine begeisterte Fangemeinde.
Autor/in: Susanne Gupta, Publizistin mit den Schwerpunkten Film und Kultur, 28.01.2022
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