Der Arzt Dr. Faust ist in eine Sinnkrise geraten. Mit seinem Gehilfen Wagner seziert er Leichen, in denen er vergeblich nach dem Verbleib der Seele sucht
und verliert darüber restlos den Glauben an die Wissenschaft. Seine wirtschaftliche Not treibt ihn in die Hände eines diabolischen Wucherers
und damit ins Verderben: Als sich Faust in die junge, unschuldige Margarethe verliebt, überschreibt er dem Wucherer seine Seele, um eine Nacht mit ihr zu verbringen. Doch versehentlich tötet er ihren Bruder.
Faust ist eine sehr freie, skurrile, fantastische Adaption des ersten Teils von Johann Wolfgang von Goethes gleichnamiger Tragödie. Zugleich legt Alexander Sokurow damit den letzten Teil seiner Tetralogie über die Psychologie der Macht vor, die über den langen Zeitraum von mehr als zehn Jahren entstand. Er modifiziert Goethes Handlung, die Figuren
und den Text, übersteigert Motive ins Groteske, bezieht aber auch ausgewählte Originalzitate in sein Drehbuch ein. Verzerrte Bilder in ausgeblichenen, milchigen
Farben, statuarische Kameraeinstellungen
und eine sehr komplexe Tonspur geben dem Film eine große Künstlichkeit. Der hypnotische
Soundtrack verstärkt zudem die düster, klaustrophobisch
und mysteriös anmutende Atmosphäre.
Mit seiner höchst eigenwilligen Ästhetik
und langen Laufzeit stellt
Faust hohe Ansprüche an ein jugendliches Publikum, eröffnet aber auch neue Wege für eine Auseinandersetzung mit dem bekannten Dramenstoff. Kenntnis
und Lektüre von Goethes
Faust sind dafür allerdings unabdingbar. Schüler/innen können Original
und Film vergleichen
und bewerten, inwiefern es dem Regisseur gelungen ist, dem Klassiker eine eigene Vision entgegenzusetzen. Erörtert
und diskutiert werden sollten dabei auch Parallelen
und Abweichungen zwischen Drama
und Film. Mit welchen Versatzstücken des Originals arbeitet der Regisseur? Warum greift er in die Handlung ein? Welche neuen Interpretationsräume erschließt der Film gegenüber dem Original mittels seiner Veränderungen? Ferner empfehlen sich im Kunstunterricht eine Analyse der filmischen Stilmittel sowie ein Vergleich mit älteren
Faust-Verfilmungen von Friedrich Wilhelm Murnau, Peter Gorski oder Brian Yuzna.
Autor/in: Kirsten Liese, 12.01.2012