Die 17-jährigen Freundinnen Nike
und C. wachsen in einer
Sozialsiedlung am Hamburger Stadtrand auf. Dem gleichförmigen Alltag
und den Regeln der Konsumgesellschaft wollen die rebellischen Teenagerinnen auf ihre eigene Art entfliehen. Der Plan: So lang
wie möglich wach bleiben. Ohne Drogen, sondern nur mit Hilfe kleiner "Lifehacks" aus dem Internet, zum Beispiel viel trinken, essen
und Kaugummi kauen. Durch das per Smartphone dokumentierte Selbstexperiment wollen die Mädchen das Leben ungefiltert
und frei von allen Zwängen erfahren. Ihre rauschhafte Irrfahrt führt von Imbissen, Bars
und Clubs bis zum Meer, wo die Disco-Bekanntschaft Jesco eine Hotelsuite spendiert. Im Verlauf von 86 schlaflosen Stunden äußert sich der Schlafmangel in einer Abfolge von aufgekratzten Hochs
und emotionalen Tiefs.
Das Kinodebüt des früheren "Echt"-Sängers Kim Frank feierte als erste deutsche Produktion eine crossmediale Premiere im Fernsehprogramm des ZDF
und auf YouTube. Der Autor, Regisseur, Kameramann
und Editor
inszenierte zuvor Musikvideos, was dem Stil des Jugenddramas anzumerken ist. Mit einer
dynamischen Handkamera, hohem Erzähltempo
und einer episodisch-assoziativen
Montage imitiert Frank die Ästhetik eines Video-Tagebuchs (Vlog). Zu dieser Form passen auch der elektronische
Soundtrack, die in den Bilderfluss montierten Retro-Werbespots
und Inserts mit Zeitangaben. Frank nimmt die Perspektive der von Jana McKinnon
und Alli Neuman glaubhaft verkörperten Protagonistinnen ein
und entwirft ein Porträt der Generation Z, das thematisch
und formal am Puls der Zeit tickt.
Im Deutschunterricht kann zunächst die in Off-Kommentaren formulierte Motivation der Figuren diskutiert werden. Was treibt die Mädchen an, was erhoffen sie sich vom Wachsein? Im Vordergrund stehen die Orientierungslosigkeit der Heranwachsenden
und ihr Wunsch nach Freiheit
und Selbstbestimmung, der sich im Ausbruch aus dem Alltagstrott ausdrückt. Darüber hinaus kann die eigensinnige Ästhetik besprochen werden. Kurze Einstellungen, abrupte Szenenwechsel
und der Verzicht auf einen konsistenten Plot greifen die Spontaneität von Nike
und C. filmisch auf. Eine Analyse der
Eröffnungsszene kann die audiovisuelle Strategie herausarbeiten, mit der Frank den Anschein eines selbst gefilmten Videos erweckt. Eine Schlüsselrolle spielt die Montage, die das stilistisch vielfältige Material mit prägnanten Ausschnitten aus alten Filmen, Werbespots
und Stimmungsbildern versetzt
und zu Musikvideo-artigen
Sequenzen verdichtet. Zudem bietet die innovative Veröffentlichungsart ein Gespräch über digitale Distributionsformen an. Im Fall von
Wach erzeugt die Abrufbarkeit auf YouTube eine weitere Metaebene, weil die Freundinnen ihr Experiment in Form eines Video-Tagebuchs dokumentieren.
Autor/in: Christian Horn, 01.10.2018
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