Deutschland im Ersten Weltkrieg: Angetrieben vom Wunsch, "ein guter Deutscher" zu sein, meldet sich der junge Franz Lang zur Front. Die deutsche Niederlage wirft ihn aus der Bahn, er schließt sich einem Freikorps an und verdient sich seinen Lebensunterhalt mehr schlecht als recht als Fabrikarbeiter. Ein Exemplar des "Völkischen Beobachters", zugesteckt von einem Kollegen, bestätigt seinen Hass auf Kommunisten und Juden. Franz wird Mitglied der NSDAP und erhält für einen politischen Mord mehrere Jahre Haft. Sein nationalistischer Eifer bleibt der Partei nicht verborgen, noch mehr jedoch schätzt man sein Organisationstalent. Vorzeitig entlassen, darf der pflichtbewusste SA-Mann das Gehöft eines NS-Sympathisanten in Pommern bestellen und trifft auf dessen Gut erstmals auf Heinrich Himmler. Im Jahr 1941 betraut der Reichsführer SS Franz Lang mit der "geheimen Reichssache": Als Kommandant des Vernichtungslagers Auschwitz plant und exekutiert Lang die Ermordung von über einer Million Menschen, vor allem Jüdinnen und Juden.

Franz Lang war, vom Kriegsende bis zu seiner Verhaftung, der Tarnname des ehemaligen Lagerkommandanten Rudolf Höß, der 1947 in Polen hingerichtet wurde. Theodor Kotullas fiktionalisierte Filmbiografie eines der Hauptverantwortlichen des Holocaust hält sich eng an Robert Merles 1952 erschienen Roman Der Tod ist mein Beruf sowie Höß' eigene Aussagen und Aufzeichnungen in britischer, später polnischer Haft. Als einer von wenigen deutschen Filmen stellte sich "Aus einem deutschen Leben" 1977 der Frage, wie ein augenscheinlich gewöhnlicher Deutscher, gewissenhafter Arbeiter und liebevoller Familienvater, zum systematischen Massenmörder werden konnte. Ein Teil der Antwort liegt bereits in der äußerst disziplinierten Bildsprache des Films. Ob Franz als Frontkämpfer wider alle Vernunft die Stellung hält, oder in der Fabrik durch penible Pflichterfüllung die Kollegen gegen sich aufbringt – jedes der streng unterteilten Kapitel seiner Lebensstationen lässt sich verstehen als Lehrstück dessen, was im Kontext der 1968er-Bewegung als "autoritärer Charakter" bezeichnet wurde. Franz kann kaltblütig morden; nie jedoch sieht man den schweigsamen Mann, mit fast apathischer Sturheit verkörpert vom späteren Starschauspieler Götz George, wie seine Nazi-Kameraden trinken, prügeln oder große Reden schwingen. Mehr als das Befehlen liegt ihm das Gehorchen. Es sind offenbar eben jene "deutschen Tugenden" von Pflicht, Gehorsam und Genauigkeit, die ihn zum Leiter einer Todesfabrik prädestinieren.

Aufschlussreich ist der aktuelle Vergleich mit Zum Filmarchiv: "The Zone of Interest" (Jonathan Glazer, USA/GB/PL 2023), ebenfalls ein Porträt von Rudolf Höß in seiner Zeit als Lagerkommandant. Beide Filme zeigen Höß/Lang beim gewissenhaften Studium neuer Skizzen für Gaskammern, hier wie dort verlagert sich das eigentliche Töten auf die Tonspur. Die von Lang angeordneten Erschießungen finden im Zum Inhalt: Off statt, allerdings zeigt Kotullas Film zuvor die mutmaßlich jüdischen Opfer, die überdies einmal beim Gang in die Gaskammer zu sehen sind (gedreht wurde, ein bemerkenswerter Vorgang zur Zeit des Kalten Kriegs, vor Ort im Stammlager Auschwitz). Eine andere Funktion als in Glazers noch minimalistischerer Neuversion hat die Ehefrau des Kommandanten Else Lang. Bei Glazer eine kalte Profiteurin und sogar Antreiberin ihres Gatten, ist sie in "Aus einem deutschen Leben" zunächst entsetzt über die aus dem Lager berichteten Gräuel. Und stellt ihm, stellvertretend für das Publikum, die auch heute noch brennenden Fragen: Wie er den Mord an Frauen und Kindern verantworten könne? Hätte er nicht den Befehl verweigern können? Lang beruft sich einmal mehr auf seine Gehorsamspflicht und bejaht sogar ihre Frage, ob er auf Befehl selbst den eigenen Sohn töten würde. Doch zwischen beiden Filmen besteht kein Widerspruch. Wenig später schiebt Else den Kinderwagen an ihm vorbei, sie lächeln einander an. Ein deutsches Leben hat sich, in mörderischem Einvernehmen, erfüllt.

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